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„Ich habe mit den Stimmen der CDU nicht gerechnet“

In Kiel stimmt die CDU für einen Antrag von Linken und Die Partei. Und das zum Thema Migration. Ein Gespräch mit dem Antragsteller Ove Schröter über die Frage, was man hier besser macht als in Berlin

Systemrelevante Berufe, in denen häufig Migrant*innen arbeiten: Pflege im Städtischen Krankenhaus Kiel Foto: Marcus Brandt/dpa

Interview Friederike Gräff

taz: Herr Schröter, wie kommt es, dass in Kiel die CDU für einen Antrag von Linken und der Partei stimmt?

Ove Schröter: Das ist eine sehr gute Frage. Ich denke, es ist ein sehr guter Antrag, ein Zeichen gegen die migrationsfeindliche Stimmung.

taz: Es ist ein Antrag für eine Kampagne namens „Nicht ohne uns“, die sich für den gesellschaftlichen Beitrag von Mi­gran­t:in­nen bedankt …

Schröter: Wir haben ja auch die AfD bei uns in der Ratsversammlung. Ich habe mit dem Fraktionsvorsitzenden gesprochen und das erste, was er sagte, war: „Wir werden da nicht mitgehen.“

taz: Das war der AfD-Fraktionsvorsitzende?

Schröter: Um Gottes willen, mit denen rede ich gar nicht. Nein, es ging um die CDU. Ich habe deren Fraktionsvorsitzenden gebeten, sich den Antrag noch mal anzugucken.

taz: Da hatten Sie schon die Unterstützung von SPD und Grünen.

Schröter: Genau. Die hatten unseren Entwurf für sich kompatibel überarbeitet. Den haben wir dann auch gerne übernommen, schon alleine, um eine große Breite innerhalb der Fraktionen zu haben. Ich hatte von der CDU kurz vor der Ratsversammlung gehört, dass sie dabei war, einen Änderungsantrag zu stellen. Da ging es um die Punkte, die im Entwurf der Grünen und der SPD enthalten waren, sodass die CDU doch entschieden hat, sich anzuschließen.

taz: Was waren die Änderungen von SPD und Grünen?

Schröter: Inhaltlich waren es relativ wenige. Sie haben die Geschichte der Gastarbeiter*innen, die schon seit Ewigkeiten hier sind, noch einmal betont.

taz: Ich fand es auffällig, dass Sie in der Pressemitteilung zur Kampagne geschrieben haben, es sei für Sie sehr erfreulich, „wenn auch teilweise überraschend“, dass alle außer der AfD zugestimmt haben. Was war überraschend daran?

Schröter: Ich habe mit den Stimmen der CDU nicht wirklich gerechnet, weil sich ein Nebensatz des Antrags kritisch mit der Bundespolitik auseinandersetzt. In einer Rede habe ich das Zitat von Merz von den täglichen Massenvergewaltigungen durch Asylbewerber erwähnt.

taz: Viele sagen, dass ein Problem die Polarisierung von Gesellschaft und Politik ist. Wenn jetzt in Kiel die CDU für einen Antrag der Linken und der Partei stimmen kann – könnte das Schule machen?

Schröter: Ich habe gerade gelesen, dass die CSU nicht will, dass Frau Reichinnek in den Parlamentarischen Kontrollausschuss geht. Hier auf kommunaler Ebene habe ich es in meinen sieben Jahren Ratsmitgliedschaft durchaus hin und wieder erlebt, dass die CDU Anträgen von uns zustimmen konnte.

taz: Welchen?

Schröter: Das erste Mal war das 2018, als sie der Erklärung zu Kiel als Sicherem Hafen zustimmte. Da hat sie sich für uns überraschend und ganz kurzfristig dem Antrag angeschlossen, sich für die Aufnahme von Geflüchteten und die Unterstützung der zivilen Seenotrettung einzusetzen. Aber ich glaube nicht, dass das großartige Auswirkungen haben wird auf das Land Schleswig Holstein.

taz: Bei Ihrer Kampagne „Nicht ohne uns“ lassen Sie nicht locker, da schreiben Sie die Medien an, um ihr mehr Strahlkraft zu geben.

Schröter: Das Anliegen ist mir inhaltlich unheimlich wichtig und ich freue mich über das breite Bündnis dafür. Ich hatte mir auch vorher einen Kopf gemacht: Laden wir die CDU überhaupt ein, schließlich ist sie aus unserer Sicht stark beteiligt an der gesellschaftlichen Entwicklung.

taz: Ist es dann nicht um so wichtiger, sie einzubinden?

Schröter: Das haben wir gemacht. Ich würde mich auch freuen, wenn das Strahlkraft hätte. Ich halte mich nicht für groß genug, um zu sagen: Mensch, wir verändern jetzt die komplette CDU. Aber wenn wir dadurch Menschen anstoßen, darüber nachzudenken und sich zu hinterfragen, wäre das ein ganz großes Ding.

taz: Warum scheint es nur auf kommunaler Ebene zu klappen?

Kampagne „Nicht ohne uns“

Die Kampagne mit dem Titel „Nicht ohne uns“ soll den Dank der Stadt Kiel an seine migrantischen Bürger:innen ausdrücken: für ihr Dasein, die kulturelle Bereicherung, für die Arbeit insbesondere in systemrelevanten Berufen.

Eingebracht hat den Antrag dazu die gemeinsame Fraktion von Die Linke und Die Partei. Alle anderen Parteien im Rat mit Ausnahme der AfD haben sich ihm angeschlossen.

Ausgearbeitet wird die Kampagne von der Kieler Verwaltung in Zusammenarbeit mit dem Forum für Migrant*innen. Angedacht ist eine Plakat- und Social-Media-Aktion.

Schröter: Ich glaube, das ist eine Frage, die Sie eher den anderen stellen müssten. Wir von Die Partei wollen uns für gute Politik einsetzen, egal von wem sie kommt, mit Ausnahme von rechtsextremistischen Parteien. Es ist bloß oft so, dass das politische Verständnis sehr unterschiedlich ist. Beim kommunalen Ordnungsdienst beispielsweise, da kommen wir nicht in ein Boot oder bei Räumen für Drogenkonsum. Aber wenn es um Themen geht wie Bebauungspläne, dann ist es leichter. Die Leute sehen es eher lokalpolitisch als gesamtpolitisch.

taz: Ist es weniger ideologisch?

Schröter: Teilweise. Als wir uns gegen städtische Werbung für eine Bundeswehrveranstaltung für Schulen ausgesprochen haben, hieß es sofort: Das sind die ideologischen Freunde Putins. Wenn es um die Bundeswehr geht, steppt die Ratsversammlung. Das geht es nicht mehr ums Thema, habe ich das Gefühl, sondern wirklich nur noch um diese Meinungsmache.

taz: Die Partei hat ja nach wie vor den Ruf, ein vor allem satirisches Selbstverständnis zu haben. Bei dem, was Sie erzählen, fehlt die ironische Note völlig.

Schröter: Ich kann da nur für mich als Person und nicht als Parteisoldat*in reden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn es ein Thema gibt, das ich wirklich durchbringen möchte, ich leider die Satire weglassen muss. Sonst wird es definitiv abgelehnt.

taz: Haben Sie da ein Beispiel?

Schröter: Wir haben beim Wildtierverbot im Zirkus versucht, mit anderen Fraktionen zusammenzuarbeiten. Unser Antrag hatte den Titel „Tiere gehören auf den Teller und nicht in die Manege“ – und wurde nur deshalb abgelehnt. Das heißt, ich kann Satire nur machen, wenn ich die Schwachsinnigkeit eines anderen Antrags darlegen möchte.

taz: Sind Sie in diesen sieben Jahren kompromissbereiter geworden?

Foto: privat

Ove Schröter

58, sitzt seit sieben Jahren für „Die Partei“ im Kieler Stadtrat. Dort bildet er eine gemeinsame Fraktion mit zwei Abgeordneten der Linken. Hauptberuflich arbeitet er in einem Baumarkt.

Schröter: Inhaltlich nicht. Formal ja, indem ich manchmal schweren Herzens auf Satire verzichte.

taz: In jedem Fall sind Sie zum CDU-Fraktionsvorsitzenden gegangen.

Schröter: Ich habe ihn durch Zufall getroffen.

taz: Das nimmt mir jetzt ein bisschen den Wind aus den Segeln.

Schröter: Wir haben eigentlich schon immer mit sämtlichen Fraktionen versucht zu kommunizieren. Wir sind eine kleine Fraktion, wir müssen das tun, sonst werden wir nichts erreichen. Das ist leider oder zum Glück so, manchmal gibt es ja auch noch Anregungen oder Verbesserungsvorschläge.

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