piwik no script img

IWF-Hilfe zur PandemiebekämpfungGeldspritze für den Globalen Süden

Um die Coronakrise zu bewältigen, stockt der Internationale Währungsfonds seine Kapazitäten um 650 Milliarden US-Dollar auf. Profitieren sollen alle.

Wann gibt es wieder Jobs? Migrantische Ar­bei­te­r:in­nen in Bangladesch auf dem Weg in die Fabrik Foto: rtr

Berlin taz | „Beispiellos“, „historisch“, sagt IWF-Chefin Kristalina Georgiewa. Es handle sich „um die höchste SDR-Zuteilung in der Geschichte des IWF“. Und in der Tat: Das Direktorium des Internationalen Währungsfonds hat am Montagabend viel Geld für den Globalen Süden bereitgestellt. Es bewilligte eine Erhöhung der sogenannten Sonderziehungsrechte (SDR) um 650 Milliarden US-Dollar, 275 Milliarden davon können unmittelbar an die ärmsten Länder fließen.

„Es ist eine Spritze in den Arm der globalen Wirtschaft in einer Zeit einer beispiellosen Krise“, sagte Georgiewa. Das letzte Mal waren die IWF-Mittel 2009 nach der globalen Finanzkrise aufgestockt worden – damals um 250 Milliarden Dollar.

Mit den Sonderziehungsrechten (englisch Special Drawing Right, kurz SDR) verfügt der IWF über eine eigene Reservewährung. Dabei handelt es sich zunächst nicht um eine Währung im eigentlichen Sinne. Sie werden auch nicht an Devisenmärkten gehandelt, sondern richten sich nach einem Währungskorb, in dem die international wichtigsten Währungen (US-Dollar, Euro, japanischer Yen, britisches Pfund und chinesischer Renminbi) gewichtet vertreten sind. SDR können aber gegen gängige Währungen eingetauscht werden. Den Wechselkurs setzt der IWF fest.

Der Einsatz von SDR ist vor allem für Staaten wichtig, die auf dem internationalen Kapitalmarkt nur zu sehr hohen Kosten Geld aufnehmen könnten. Das sind meist Entwicklungs- und Schwellenländer. Der IWF hatte SDR nach der Finanzkrise 2009 allerdings auch in großem Stil bei reichen Ländern eingesetzt, die sich zuvor auf den Finanzmärkten verzockt hatten.

Aufruf zum Teilen

Jedes der 190 IWF-Mitglieder bekommt nun entsprechend seiner Stimmanteile am aufgestockten Fonds neue Mittel. Der IWF appelliert zugleich aber an die reichen Länder, SDR an ärmere Länder abzugeben. „Das wird besonders unseren verwundbarsten Ländern helfen, die mit den Folgen der Covid-19-Krise kämpfen“, betont Georgiewa. Die Entwicklungsorganisation Oxfam begrüßte den Schritt. Die neuen SDR würden ärmeren Ländern zur „dringend benötigten Liquidität“ verhelfen, ohne deren Schuldenlast zu vergrößern“. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge plant die Bundesregierung offenbar, die Sonderziehungsrechte bei der Bundesbank zu lassen, sie will aber wohl über andere Wege armen Ländern helfen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich im Mai bei einem Corona-Hilfsgipfel für Afrika dafür starkgemacht, dass die reichsten Länder ihre SDR an die ärmsten Länder insbesondere in Afrika umverteilen. Nicht ganz uneigennützig: Unter dem Absturz ganzer Volkswirtschaften zuletzt vor allem in Afrika und Lateinamerika leidet die gesamte Weltwirtschaft. Und die letzten Wirtschaftsdaten zeigen, dass der Aufschwung in den Industriestaaten trotz laufender Impfkampagnen nicht in dem Maße einsetzt wie erhofft. IWF-Chefin Georgiewa betonte denn auch, dass alle Länder von den Maßnahmen profitierten. Sie würden zur Stabilität der Weltwirtschaft insgesamt beitragen.

Wie sehr sich eine schnelle Bereitstellung von Milliarden an Hilfsgeldern durch reiche Länder für die weltweite Eindämmung der Coronapandemie rentieren würde, hatte der IWF erst im Frühjahr berechnet. 50 Milliarden Dollar seien nötig, um die globale Impfkampagne zu beschleunigen, rund 35 Milliarden davon müssten als Hilfen von den reichen Staaten kommen. Das wäre eine gute Investition, betonte der IWF damals. Denn ein Ende der Pandemie bis Anfang 2022 werde die Weltwirtschaftsleistung bis 2025 etwa um 9 Billionen Dollar höher ausfallen lassen. Rund 40 Prozent davon würden auf die Industriestaaten entfallen und rund eine Billion Dollar Steuereinnahmen in die Staatskassen spülen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!