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IOC-Präsidentschaft von Thomas BachSupranationaler Obermacker und größter Sportfuzzi

Thomas Bach ist wahrlich kein guter IOC-Präsident gewesen. Seine größte Gabe war der Opportunismus, eine Haltung fehlte ihm.

Thomas Bach, hier bei seiner letzten IOC-Session in Griechenland, geriert sich gern als Heilsbringer Foto: Thanassis Stavrakis/ap

W enn die „Fraggles“ ein Problem hatten, dann fragten sie die „Allwissende Müllhalde“, die in dieser US-Serie wundersam belebt war und Marjorie hieß. Sodann bekamen sie eine Antwort auf drängende Probleme der Fraggle-Welt. Heutzutage und im realen Leben fragt man mehr und mehr diese Künstliche-Intelligenz-Maschinen, die sich zwar noch nicht aufs Telepathische wie die Allwissende Müllhalde verstehen, aber doch über grandiose Fähigkeiten verfügen.

Ich habe nun also ChatGPT gefragt, ob Thomas Bach ein guter Präsident des Internationalen Komitees, IOC, gewesen ist. Dann habe ich Gemini und Grok gefragt. Das Ergebnis ist ernüchternd: Thomas Bachs Amtszeit sei „komplex und facettenreich“ gewesen, teilt mir ein universeller Alleswisser, diesmal Gemini, mit. Die anderen schlaumeiern dergestalt: Ob Thomas Bach ein guter Präsident gewesen sei, hänge von der Perspektive ab. Das haben die AI-Maschinen sehr gut verstanden: Sie sind offen in alle Richtungen, in jeder Hinsicht flexibel, rein opportunistische Dienstleister und somit unverzichtbar im Werkzeugkasten der Postmoderne. Anything goes.

Um diesem Trend der heillosen Beliebigkeit etwas entgegenzusetzen, lege ich mich an dieser Stelle fest und sage: Thomas Bach war kein guter IOC-Präsident. Er war zum Beispiel ein Typ, der sich nicht gestellt hat. Ich habe ihn mehrmals für ein Interview mit dieser Zeitung angefragt und darauf verwiesen, dass es doch vielleicht interessant wäre, mit einem Blatt zu sprechen, das sich als einziges im deutschsprachigen Raum eine Olympiakolumne geleistet hat. Aber Bachs Pressesprecher, Christian Klaue, hat immer abgesagt. Zu beschäftigt sein Chef und so. Was man halt schreibt. Klaue hat, zumindest am Anfang, die Olympyada-Kolumnen wohl immer gelesen und kleine Ungenauigkeiten sofort beanstandet.

Überraschender Abgang

Nun habe ich sehr lange nichts mehr von ihm gehört. Heißt das, dass er nicht mehr liest – oder dass es nichts mehr zu beanstanden gibt? Wie dem auch sei, kehren wir zurück zu Thomas Bach und ziehen die Perspektive etwas auf. Der einstige Fechter war, wie die KI-Maschinen, ein Mann für alle Fälle. Er konnte sich Situationen anpassen wie ein Chamäleon der Umgebung, sich Menschen andienen. Bei Putin gab er sich putinesk. Bei Xi Jinping chinafreundlich. Den Wichtigen redete er nach dem Mund. Den Einflussreichen pinselte er den Bauch. Als der autokratische Trend im IOC endete und sich das Olympische Komitee wieder Richtung Westen bewegte, war auch das für Thomas Bach nur ein Dreh, eine motorische Bewegung.

Das Lustige dabei ist, dass er sich nicht nur auf Augenhöhe mit den politisch Mächtigen dieser Welt sah, nein, als IOC-Präsident verortete er sich über ihnen – als supranationaler Obermacker, als weltgrößter Sportfuzzi, der sich nicht erst in die Niederungen des realpolitischen Gedöns begeben muss, sondern über ihnen defiliert und Spiele wie Präsente an die nach Aufmerksamkeit gierenden Politniks verteilt.

Thomas Bach konnte sich wie ein Chamäleon anpassen. Bei Putin gab er sich putinesk. Bei Xinping chinafreundlich

So hatte ich persönlich damit gerechnet, dass Thomas Bach weitermacht, in eine weitere Amtszeit geht, weil dieses Dasein als Heilsbringer doch zu schön ist. Aber im Sommer des vergangenen Jahres sagte Thomas Bach, dass er sich an die Olympische Charta halten wolle. Er trete deswegen zurück.

Das hat mich überrascht, denn das totalitäre Prinzip ist wie eine Droge; man kann sich ihm kaum entziehen. Thomas Bach geht nun mit 71. In der olympischen Welt ist er noch ein jünger Hüpfer. Ob seiner fantastischen Beweglichkeit muss man sich keine Sorgen um den Deutschen machen. Wie es weitergeht? Yada-yada-yada, na, Sie wissen schon.

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Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
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