Hype um Panama-Papiere: Entdeckung der Langsamkeit
Die Wucht, mit der die Enthüllung der Panama-Papiere inszeniert wird, befördert Verschwörungstheorien. Die „New York Times“ wappnet sich dagegen.
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Nicht alle sind von den Enthüllungen der sogenannten Panama Papers begeistert. Und das gilt nicht nur für jene, die darin auftauchen – auch ein Teil der Öffentlichkeit begegnet den Veröffentlichungen mit Skepsis. In linken Blogs wird gefragt: Welche Interessen stehen hinter den Veröffentlichungen? Wem nützen, wem schaden sie?
Solche Fragen sind berechtigt. Doch leider stehen für manche die Antworten bereits im Vorhinein fest. „Bei näherem Hinsehen stellt man allerdings fest, dass die Auswahl an Steuersündern zum einen recht einseitig ausfällt und zum anderen außergewöhnlich gut in das Konzept der US-Regierung passt. So werden bisher nicht bestätigte Vorwürfe gegen das Umfeld von Wladimir Putin und die Tochter des chinesischen Expräsidenten erhoben, während man unter den aufgeführten Steuersündern bislang vergeblich nach einem einzigen US-amerikanischen Staatsbürger sucht“, heißt es etwa raunend auf der Website Telepolis.
Für den Autor Ernst Wolff ist klar: „Da man getrost davon ausgehen kann, dass die betroffenen Medien sich fest in der Hand internationaler Investoren befinden, sollte man von den ‚Panama Papers‘ keine Enthüllungen erwarten, die der internationalen Finanzelite gefährlich werden könnten.“ Noch eindeutiger liegen die Dinge für die Nachdenkseiten: „Die Massenmedien beschützen die westlichen Eliten vor den Panama Papers“, behauptet deren Autor Jens Berger dort.
Von einer solch pauschalen Kritik an „den Mainstream-Medien“ von links ist es nicht mehr weit zum „Lügenpresse“-Vorwurf von rechts. Tatsächlich wittern auch Rechtspopulisten wie Marine Le Pen hinter den Enthüllungen eine gezielte Verschwörung. Sie haben dazu allerdings guten Grund, denn Vertraute der Chefin des Front National sollen auch in den Papieren auftauchen. Doch was treibt Linke an, ins gleiche Horn zu stoßen und „cui bono?“ zu rufen?
Es ist die mediale Wucht, mit der hier ein Scoop inszeniert wurde. Dass hinter den Enthüllungen mit dem Internationalen Konsortium für Investigativen Journalismus (UICIJ) ein undurchsichtiges mediales Konglomerat steht, macht die Sache nicht besser. Hierzulande verfügt es über eine durchschlagende Wirkungsmacht, weil die Süddeutsche Zeitung im Verbund mit der ARD für die mediale Aufarbeitung der Affäre sorgt.
Aber auch viele andere Medien sind auf den Zug aufgesprungen. Dabei sagt der Umfang der geleakten Daten noch nichts über den Erkenntnisgewinn aus, den sie liefern. Bei den meisten Deutschen, die in den Papieren auftauchen, stellte die SZ jedenfalls klar, dass sich bislang nicht klären ließe, „ob sie wirklich das Finanzamt betrogen haben; die Steuerbehörden geben dazu keine Auskunft“. Gleiches gilt wohl für Prominente wie den Fußballstar Lionel Messi. Ach so.
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Opfer der Schattenfinanz
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Einen ungewöhnlichen Weg, mit dem Thema umzugehen, hat die New York Times (NYT) gewählt. Sie ist nicht Mitglied des Journalisten-Konsortiums ICIJ und hatte deshalb keinen exklusiven Zugang. Während die Panama Papers weltweit für Schlagzeilen sorgten, tauchte das Thema auf der NYT-Homepage auch Stunden nach den Veröffentlichungen nicht auf, und auch auf der Titelseite fehlte am Montag das Wort „Panama“. Man sei es den Lesern schuldig, das Material selbst erst in Ruhe auszuwerten und die Berichte anderer Medien nicht ungeprüft zu übernehmen, gab die Vizechefredakteur Matt Purdy zur Begründung an.
Die „Entdeckung der Langsamkeit“ als Mittel, um dem Misstrauen gegen mediale Hypes entgegenzuwirken? Eine Idee, über die man auch hierzulande nachdenken sollte.
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