Hygiene in japanischer Gastronomie: Ratte an Fastfood
Eine japanische Kette muss für vier Tage alle Läden schließen, nachdem ein Bild von einem Rattenkadaver im Essen viral ging.
G ründliches Saubermachen war diese Woche bei Japans größter Fast-Food-Kette Sukiya angesagt. Dafür schlossen die knapp 2.000 Filialen des auf Rindfleischgerichte spezialisierten Gastro-Unternehmens für volle vier Tage. Nach eigenen Angaben ging es um „Maßnahmen, um das Eindringen von Schädlingen und Ungeziefer von außen zu verhindern und jeglichen Befall im Inneren zu beseitigen“.
Was war passiert? Mit der drastischen Aktion versuchte Sukiya-Betreiber Zensho, das Vertrauen der Kundinnen und Kunden wiederherzustellen, nachdem in einer Filiale eine tote Ratte in einer Miso-Suppe und in einer anderen Filiale eine Küchenschabe im Essen gefunden worden waren. Denn nichts bringt Japanerinnen und Japaner so auf die Palme wie ekelhaftes Essen.Als zum Beispiel vor zwei Jahren ein Video viral ging, in dem ein Kunde die Fischstücke auf Sushi-Laufbändern mit Speichel benetzte, brachen die Umsätze dieser Restaurants kräftig ein.
Sukiya hatte den Zorn der Menschen vor allem dadurch erregt, dass das Foto von dem Rattenkadaver fast zwei Monate online kursierte, bevor Betreiber Zensho sich entschuldigte, den Kunden „Sorgen bereitet zu haben“. Ansonsten wiegelte er ab. Man hätte das Gesundheitsamt informiert und die betroffene Filiale gereinigt.
Die tote Ratte wurde nicht mitgekocht
Daraufhin trollten Internetuser das Geschäft auf Google Maps, indem sie die Bezeichnung „Disneyland-Filiale“ und ein Mäuse-Emoji hinzufügten. Disneyland verbindet man in Japan automatisch mit Micky und Minnie Maus. Andere User machten aus der Miso-Suppe eine „Rattensuppe“ und verballhornten den Markennamen Sukiya (Dünnes-Rindfleisch-Laden) zu „Nezumiya“ (Ratten-Haus). Ebenso hagelte es plötzlich Negativbewertungen für die Kette.
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Nach Darstellung des Betreibers gelangte der „Fremdkörper“ durch einen Riss in einer Gummidichtung in den Kühlschrank und fiel dann in die Schüssel mit den Zutaten für die Misosuppe. Eine ausführliche Untersuchung hätte ergeben, dass das Tier nicht mitgekocht worden sei. Niemand müsse also fürchten, selbst eine rattenverseuchte Suppe gegessen zu haben. Zensho versprach, alle Mitarbeiter monatlich in Hygiene zu schulen, die Filialräume vierteljährlich auf Risse in den Wänden zu prüfen und bis Jahresende in allen Geschäften den Abfall in separaten Kühlräumen zu lagern, um kein Ungeziefer anzulocken.
Kakerlake im Essen
Doch kaum glaubte die Fast-Food-Kette, den Skandal unter Kontrolle zu haben, fand ein Kunde in einer Filiale in Tokio eine Kakerlake in seinem Essen. Der Fund bestätigte endgültig die Mutmaßung vieler Japanerinnen und Japaner, dass Sukiya es mit der Hygiene nicht so genau nimmt. Nur der User @hikaruganji stemmte sich auf der Plattform X gegen das allgemeine Bashing. Es sei „möglicherweise“ kein Japaner, der die Ratte gefunden habe. Als Beweis führte @hikaruganji den Löffel in der Suppe an. Japaner würden Stäbchen benutzen und die Suppe aus der Schale trinken. Damit verdächtigte er indirekt andere Asiaten wie Koreaner und Chinesen, die der Fast-Food-Kette mit ihrem Fotoposting womöglich hätten schaden wollen. Sein Post wurde über 28 Millionen Mal angesehen und tausendfach kommentiert.
Die Nachricht von der viertägigen Schließung erschütterte X-User Manarisu, der seit mehr als zweitausend Tagen täglich ein Bild seiner bei Sukiya gegessenen Mahlzeiten postet. Er rief seine 150.000 Follower auf, ihm bei der Suche nach Filialen in Einkaufszentren zu helfen, damit er seine Rekordserie nicht unterbrechen müsse. Diese Filialen waren die einzigen, die trotz Rattendebakel offen blieben. Darauf verbreitete sich auf X der Hashtag „Manarisu Hungertod“ und er bekam zahlreiche Tipps.
Am ersten Schließungstag postete er dann unter der Überschrift „2011. Sukiya-Tag“ ein neues Essensfoto und kommentierte ironisch: „Lächerlich, dass die Leute denken, ich würde verhungern, weil Sukiya geschlossen wurde.“
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