„Hybrider“ Parteitag der SPD: Es begab sich eine Vorstandswahl
Zwischen Heiligabend und dem Hybrid-Parteitag der Berliner SPD gibt es erstaunlicherweise manche Parallele.
Es wird an diesem Freitag bei der SPD so sein wie für manchen in knapp vier Wochen an Heiligabend mit der Christmette: Nach gemütlichem Beisammensein daheim auf dem Sofa macht man sich später am Abend noch mal auf den Weg durch Nacht und Wind. Bloß, dass an diesem Novemberfreitag der Weg nicht zur Kirche, sondern zur Wahlurne ins SPD-Büro führt.
Und mit dem Unterschied, dass an diesem Hochamt der innerparteilichen Demokratie nur überschaubare 270 Parteitagsdelegierte teilnehmen. Banaler ausgedrückt: Die Berliner SPD wählt einen neuen Landesvorstand, mutmaßlich mit Franziska Giffey und Raed Saleh als Doppelspitze, und sie tut das bei einem sogenannten hybriden Parteitag.
Von dem kann man – wieder in Analogie zur Weihnachtsgeschichte und der dortigen Volkszählung – sagen: „Dies geschah zum ersten Mal.“ Denn „hybrid“ ist in Sachen Parteitag völlig neu und bedeutet: via Bildschirm Kandidaten angucken und befragen, aber dann in echt eine Stimme in eine Wahlurne werfen. Online einen Parteivorstand zu wählen ist rechtlich nicht möglich; und auch diese dezentrale Urnenwahl ist erst seit Anfang des Monats erlaubt.
Schon Mitte Mai hatte die SPD wählen wollen und musste wegen Corona absagen. Der zweite Anlauf war für den 31. Oktober geplant und wäre rechtlich machbar gewesen: In Berlins größtem Hotel, dem Estrel in Neukölln, mit seinen weitläufigen Kongressflächen ist ausreichend Platz, damit 270 Delegierte samt ein paar Dutzend Journalisten, Technikern und sonstigem Parteitagstross auf je anderthalb Meter Abstand tagen können. Den Sozialdemokraten aber erschien das falsch in Tagen, in denen ihre Frontleute zu Recht unentwegt fordern, Kontakte zu begrenzen.
Sofa, Wahlurne, Sofa
Nun also hybrid. Um 17 Uhr geht es los mit einem Grußwort von Saskia Esken, der Bundesvorsitzenden, bevor dann nach einigen Formalia der nach insgesamt 12 Jahren im Amt ausscheidende Landesvorsitzende Michael Müller redet. Ab kurz vor sieben sollen sich die Kandidaten für seine Nachfolge vorstellen, also Giffey und Saleh, samt den Vizevorsitzenden und dem Kassenwart. Um 20 Uhr gibt es eine Unterbrechung, und dann sollen sich die 270 Delegierten runter vom heimischen Sofa schwingen und unterwegs in die stadtweit zwölf Wahllokale sein.
Zurück zu Hause beginnt für alle dann das große Warten – irgendwie auch wie an Weihnachten, wo das ja immer etwas dauert mit den Geschenken. Das Ergebnis wollen die Sozialdemokraten erst ab 9 Uhr am Samstag präsentieren. Dazu sind dann auch in echt die Journalisten ins Estrel geladen, um da den Neugewählten ihre Aufwartung zu machen. Eingeladen wurden die übrigens nicht per Verkündigungsengel, sondern schlicht per Mail.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich