Huthi-Angriffe vor Jemens Küste: Rotes Meer in Flammen
Erneut greift die Miliz Frachtschiffe an, Israel bombt zurück. Unter anderem auf das 2023 gekaperte Schiff Galaxy Leader, das die Miliz zur Radarplattform umbaute.

Das Schiff, das einer griechischen Reederei gehört, hatte nach Angaben der jemenitischen Regierung über 17.000 Tonnen Ammoniumnitrat an Bord – eine leicht entzündliche und umweltschädliche Chemikalie, die sowohl in Düngemitteln als auch in Sprengstoffen verwendet wird. Es sank kurz nach dem Angriff. Die Huthi-Miliz im Jemen bekannten sich – und bezeichneten das Schiff als „legitimes Ziel“, weil es angeblich Verbindungen zu Israel habe.
Nur einen Tag nach diesem Angriff wurde ein weiteres Schiff attackiert: die Eternity C, ein ebenfalls unter liberianischer Flagge fahrender Massengutfrachter. Er geriet unter schweren Beschuss von kleinen Booten und mit Sprengstoff beladenen Drohnen. Zwei Besatzungsmitglieder wurden dabei schwer verletzt, zwei weitere werden vermisst. Die Brücke und die Maschinen des Schiffes wurden beschädigt, sodass es nun manövrierunfähig auf See treibt.
Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.
Während um eine Waffenruhe in Gaza verhandelt wird
Dass die Huthis ausgerechnet jetzt nach längerer Pause wieder Schiffe attackieren, hat wohl strategische Gründe. So erfolgte der Angriff nur einen Tag nachdem der Anführer der libanesischen Miliz Hisbollah, Naim Qassem, eine trotzige Erklärung abgab: Eine Entwaffnung gemäß dem Waffenruhebkommen, das im November 2024 den Krieg zwischen der Hisbollah und Israel zumindest teilweise beendete, lehne die Miliz ab. Wie auch die Huthis wird die Hisbollah erheblich von der Islamischen Republik Iran unterstützt.
Außerdem laufen derzeit die indirekten Verhandlungen zwischen der ebenfalls iranisch unterstützten Hamas im Gazastreifen und Israel. US-Präsident Donald Trump will noch in dieser Woche einen Waffenruhe-Deal forcieren, in dessen Zuge auch israelische Geiseln freigelassen werden sollen.
Mit ihren Angriffen wollen die Huthis wohl Druck aufbauen, im Sinne ihrer proklamierten Unterstützung der Palästinenser. Und zeigen erneut, dass sie nach dem Krieg Israels gegen die Hisbollah im Libanon und die Hamas in Gaza das stärkste noch verbliebene Element der „Achse des Widerstands“ der Islamischen Republik sind. Und das, obwohl die USA und Großbritannien im Frühling mit einer breit angelegten Kampagne gegen die Huthis vorgegangen waren.

Drittens erinnern die aufeinanderfolgenden Angriffe die Welt daran, dass Iran – obwohl geschwächt durch den 12-Tage-Krieg mit Israel – noch immer eine gewisse, zumindest indirekte Kontrolle über „Pressure Points“ an strategischen Stellen hat. Durch die Huthis sendet Teheran eine Botschaft: Es ist weiterhin dazu befähigt, Unruhe zu schüren und westliche Interessen zu gefährden.
Bei Umweltexperten läuten die Alarmglocken
In einer Fernsehansprache prahlte Rebellenführer Abdul-Malik al-Huthi nun: Seine Kämpfer hätten seit November 2023 fast 190 Schiffe angegriffen, die Verbindungen zu Israel, den USA oder Großbritannien hätten. Während die meisten dieser Schiffe nur beschädigt oder zur Kursänderung gezwungen wurden, sind mit der Magic Seas nun drei in jemenitischen Gewässern gesunken. Das lässt bei Umweltexperten die Alarmglocken läuten. So stellt etwa das Ammoniumnitrat, mit dem die Magic Seas wohl beladen war, eine ernsthafte Bedrohung für die Meeresfauna und die Fischerei an der Westküste des Jemen dar.
Die international anerkannte Regierung des Jemen verurteilte die Angriffe umgehend. Informationsminister Moammar al-Eryani warnte: Die Aggressionen der Huthis destabilisierten nicht nur die Region. Sie ließen außerdem Jemen als gescheiterten Staat erscheinen – was die Bevölkerung wohl weiter isoliere und die künftigen Wiederaufbaubemühungen erschwere.
Nach den Angriffen wurden die US-Seestreitkräfte im Roten Meer in Alarmbereitschaft versetzt. In London verfolgt die UKMTO (United Kingdom Maritime Trade Operations) die Angriffe. Nach Berichten haben mehrere Sicherheitsfirmen Schiffe aufgerufen, ihre Route zu ändern oder mindestens 100 Seemeilen von der jemenitischen Küste entfernt zu bleiben.
Majed al-Madhaji, Direktor des Sana'a Center for Strategic Studies
Israel reagierte sofort: Am späten Montag bombardierten Kampfflugzeuge Stellungen der Huthis in der Hafenstadt Hodeidah. Berichten zufolge trafen sie auch die Galaxy Leader – ein Frachtschiff, das im November 2023 von den Huthis gekapert und zu einer schwimmenden Radarplattform umgebaut worden war. Nach Angaben jemenitischer Beamter wurde das Schiff zur Überwachung und Geolokalisierung von Handelsschiffen eingesetzt, die die Meerenge von Bab el-Mandeb passierten.
Beziehungen zu dschihadistischen Gruppen in Afrika
Bemerkenswert ist, dass die Huthis gute Beziehungen zu dschihadistischen und bewaffneten Gruppen am Horn von Afrika aufgebaut haben – darunter die somalische Al-Shabaab und Milizen in ostafrikanischen Staaten. Das könnte die Schifffahrt im Roten Meer weiter gefährden. Majed al-Madhaji, Direktor des Sana'a Center for Strategic Studies, sagt dazu: „Die Huthis sind zu einem finanziellen und logistischen Drehkreuz für extremistische Gruppierungen in der gesamten Region geworden. In einigen Fällen beeinflussen sie sogar den informellen Waffenmarkt in Afrika und legen die Preise für kleine und mittlere Waffen fest.“ Solche Verflechtungen, warnt er, könnten die internationalen Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung untergraben und die Huthis zu einer starken regionalen Kraft werden lassen, die die Instabilität in der Region noch verstärkt.
Während der Krieg im Jemen weiter schwelt, werden die Gewässer vor der Küste des Landes erneut zur Frontlinie – an welcher lokale Akteure globale Botschaften vermitteln.
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