Hundefleischkonsum in Südkorea: K-Dog wird zum Haustier
Bisher wurde Hundefleisch in Korea konsumiert. Mittlerweile ist der Vierbeiner ein beliebtes Haustier und bringt so die Esskultur durcheinander.
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Wer einmal in seinem Leben eine koreanische Hundefleisch-Farm besucht hat, wird den Anblick so schnell nicht wieder vergessen: In den oftmals kleinen Hinterhofbetrieben harren die Vierbeiner in winzigen Gitterkäfigen aus, nicht wenige von ihnen wurden als ehemalige Haustiere abgegeben.
Ende letzter Woche hat die südkoreanische Regierung nun eine Taskforce gegründet, um sich mit einem möglichen Verbot vom Hundefleischkonsum zu befassen. Die Arbeitsgruppe, die aus Regierungsbeamten, Experten und Bürgervertretern besteht, soll nach einer detaillierten Untersuchung eine Empfehlung über die Zukunft der Branche aussprechen.
„Da die Zahl der Familien mit Haustieren rapide gestiegen ist und das öffentliche Interesse an Tierrechten und Tierschutz in unserem Land zugenommen hat, mehren sich die Stimmen, die sagen, dass es jetzt schwierig ist, den Verzehr von Hundefleisch nur als traditionelle Esskultur zu betrachten“, sagt Südkoreas Ministerpräsident Kim Boo Kyum.
Auch Präsident Moon Jae In gilt als Freund der Vierbeiner: Zwei Monate nach seinem Amtsantritt 2017 adoptierte der Politiker einen vier Jahre alten Mischling namens Tory, der nur kurz zuvor von einer Tierschutzorganisation aus einem Zuchtbetrieb gerettet worden war.
Doch gleichzeitig beherbergt der ostasiatische Tigerstaat als einziges Land der Welt eine kommerziell organisierte Hundefleischindustrie. Jährlich sollen laut Angaben von Nichtregierungsorganisationen über eine Million Tiere für den Verzehr geschlachtet werden.
Konservative Hüter der jahrhundertealten Tradition berufen sich nicht selten auf Konfuzius, der in seiner Lehre bereits zwischen Jagd-, Wach- und Zuchthunden unterschieden habe. Zudem glauben insbesondere ältere Koreaner, dass Hundefleisch – meist in einer scharfen Suppe serviert – als Potenzmittel dient und das Immunsystem gegen die feuchte Sommerhitze wappnet. Vor allem aber umwehen Hundefleischgerichte in Südkorea auch eine nostalgische Aura: Viele Senioren fühlen sich an die entbehrungsreiche Nachkriegszeit erinnert, als Hundefleisch die einzig verfügbare Quelle für Proteine darstellte.
Kein kulinarisches Gericht mehr
Mittlerweile hat sich die öffentliche Wahrnehmung jedoch deutlich gewandelt. Für die allermeisten Südkoreaner sind Hunde Haustiere und kein kulinarisches Gericht. Laut einer Umfrage der Nichtregierungsorganisation Last Chance for Animals ziehen 80 Prozent aller befragten Koreaner nicht in Erwägung, Hundefleisch zu essen. Nur 1,2 Prozent konsumieren es mindestens einmal im Monat. Dementsprechend muss man in der Hauptstadt Seoul schon ganz genau suchen, um noch ein paar vereinzelte Hundefleisch-Restaurants zu finden.
„Es ist an der Zeit, dem Ganzen ein Ende zu setzen, zum Wohle aller“, sagt Wendy Higgins von der Organisation Humane Society International (HSI). Die NGO hat in den letzten Jahren bereits mehr als ein Dutzend Hundezuchtfarmen geschlossen und die geretteten Tiere an Besitzer vermittelt. Als Anreiz zahlt HSI den Betreibern von Zuchtbetrieben eine Geldsumme, damit diese einen wirtschaftlichen Neuanfang starten können.
Trotz allem ist das Thema eine hochsensible Angelegenheit. Denn das Stigma gegen den Konsum von Hundefleisch wird vor allem von ausländischen Tierschützern herangetragen. Bereits im Vorfeld der Olympischen Spiele 1988 in Seoul sorgte internationaler Protest dafür, dass Südkoreas Regierung ein vorübergehendes Verbot aussprach. Auch bei den Olympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang wurden mehrere Hundert Restaurants aufgefordert, die Speisekarten für das Sportereignis temporär auszutauschen.
Doch der südkoreanische Hundemästerverband möchte sich nicht vorschreiben lassen, was in Südkorea auf dem Teller kommen darf.
Generalsekretär Ju Yeon Bong schlug vor, den Verzehr von Hundefleisch noch etwa 20 Jahre zu gestatten, in der Erwartung, dass sich das Problem durch die ohnehin sinkende Nachfrage von selbst erledigt. Denn die meisten Hundezüchter seien ohnehin ältere Leute ohne Chance auf ein geregeltes Einkommen.
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