Humanitäre Lage in Gaza: Lagerhäuser der UN geplündert
Tausende Menschen sollen Hilfsgüter der Vereinten Nationen gestohlen haben. Derweil gehen in Gaza die Evakuierungen weiter.
Vor etwa einer Woche konnte die taz mit einem jungen Mann aus Gaza sprechen, der zu Protokoll gab, wie er mit seiner Familie aus dem Norden des Küstenstreifens in den Süden geflohen war. Ab Freitagnachmittag war er nicht mehr zu erreichen, Nachrichten wurden nicht mehr zugestellt. Am Sonntagmittag meldete er sich wieder: „Wir haben überlebt“.
Bereits kurz nach dem 7. Oktober hatte das israelische Militär Zivilisten in Gaza erstmals aufgefordert, sich in den Süden des Landes zu begeben. Am Wochenende erfolgte die nächste Evakuierungsempfehlung: Auch Gaza-Stadt, südlich der bereits zu guten Teilen evakuierten Gebiete, soll nun verlassen werden. Das dortige Al-Quds-Krankenhaus – al-Quds ist der arabische Name Jerusalems – wurde ebenfalls zur Evakuierung aufgefordert. Laut dem palästinensischen Roten Halbmond – dem Äquivalent des Roten Kreuzes – befinden sich 12.000 Menschen in dem Gebäude. Die Evakuierung sei kaum möglich, erklärte der Sprecher der Organisation, Nebal Farsakh. Und: Die meisten Patienten seien an Sauerstoffmaschinen angeschlossen. Sie zu evakuieren „würde sie töten“, gab er an.
700.000 Menschen sind bereits in den Süden Gazas geflohen
Derweil hat Israel die zweite von drei Pipelines, die Gaza mit Wasser aus Israel versorgen, wieder geöffnet. Nach Informationen der Zeitung The Times of Israel sollen nun wieder über 28 Millionen Liter täglich nach Gaza fließen – etwa halb so viel, wie Israel vor dem Beginn des Krieges lieferte. Zwei Tage nach den Angriffen der Hamas am 7. Oktober hatte Israel den Hahn zugedreht. Laut The Times of Israel stellt Israel normalerweise etwa 9 Prozent des Wasserverbrauchs in Gaza bereit.
Israel will außerdem mehr Hilfslieferungen über den südlichen Grenzübergang mit Ägypten, genannt Rafah, zulassen. Das kündigte Armeesprecher Daniel Hagari am Samstag an. Rund 700.000 Menschen sind nach Angaben des Militärs bereits in den Süden Gazas geflohen, insgesamt leben knapp über 2,2 Millionen Menschen in dem Küstenstreifen. Treibstoff soll von den Lieferungen aber weiter ausgenommen bleiben.
Der wird zwar dringend benötigt, unter anderem für die Stromversorgung, die in Gaza vor allem über Dieselgeneratoren und ein großes, ebenfalls mit fossilem Brennstoff betriebenes Kraftwerk erfolgt. Die Hamas soll aber – das berichtet die US-Zeitung New York Times unter Berufung auf mehrere Quellen – der Zivilbevölkerung Treibstoff und andere dringend benötigte Güter wie Nahrungsmittel gestohlen haben.
Tausende Menschen sollen außerdem in Lagerhäuser des Hilfswerks der Vereinten Nationen für die Palästinenser (UNRWA) eingebrochen sein, teilte dieses am Sonntag mit. Dabei wurden Hygieneartikel sowie etwa Weizenmehl gestohlen. In den Depots lagern die Güter, die aus Ägypten geliefert wurden. Wegen der Unterbrechung des Mobilfunknetzes gab es in den letzten beiden Tagen keine weiteren Lieferungen. Sie sollen nun aber wieder aufgenommen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus