Hubertus Heil will Hartz IV erhöhen: 50 Euro mehr im Monat
Sozialminister Heil stellt eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze in Aussicht. Die Wirtschaftsexpertin Irene Becker findet den Vorstoß „nebulös“.
Heil hatte in einem Zeitungsinterview angekündigt, die Hartz-IV-Regelsätze neu zu berechnen, indem man „etwa bei Familienhaushalten die unteren 30 statt die unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage“ nehme. Becker weist aber darauf hin, dass die Familienhaushalte heute gar nicht als Grundlage für die Berechnung der Regelsätze von erwachsenen Empfänger:innen von Hartz-IV-Leistungen herangezogen werden. „In den ärmsten 20 Prozent der Familienhaushalte werden nur die Ausgaben für die Kinder ermittelt und dann daraus deren Regelsätze errechnet“, sagte Becker.
Die Regelsätze für die Erwachsenen, auch die von Eltern, werden bisher immer nur aufgrund der Haushaltsaufwendungen der untersten 15 Prozent der Alleinlebenden errechnet. Diese Grundlage ergibt geringere Summen, als wenn man die Haushaltsausgaben von Familien auch zu Berechnungen für die Erwachsenen heranzöge. „Man müsste unbedingt klären, was künftig die Grundlage sein soll“, sagte Becker.
Bisher werden die Regelsätze so ermittelt, dass nach der sogenannten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe die Haushaltsausgaben der ärmsten 20 Prozent der Familien und der ärmsten 15 Prozent der Alleinlebenden zugrunde gelegt werden. Von diesen Ausgaben werden dann bestimmte Posten, etwa für Pflanzen, Tabak, Alkohol, Benzin, chemische Reinigung und anderes abgezogen und aus der Restsumme die Regelsätze ermittelt. Etwa ein Viertel der Ausgaben werde herausgerechnet, sagte Becker.
Derzeit liegt der Regelsatz für alleinlebende Hartz-IV-Empfänger:innen bei 449 Euro im Monat. Heil hatte angekündigt, durch die Neuberechnung würden die Regelsätze um 40 bis 50 Euro im Monat steigen. Ein Sprecher im Heil-Ministerium sagte der taz, einen Zeitplan für die Einführung des Bürgergeldes könne man derzeit nicht nennen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat den Vorstoß Heils abgelehnt. Er sei auf „die Finanzierungsideen“ gespannt, da Schulden und Steuererhöhungen „ausgeschlossen“ seien, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind