Ende von Hartz IV: Gesetz zum „Bürgergeld“ soll kommen

Bundesarbeitsminister Heil (SPD) hat den Entwurf zum „Bürgergeld“ vorgestellt. Die Zahlen zum Regelsatz stehen noch aus – wie die Zustimmung der FDP.

Schalter mit grünen Leuchten

Hier werden Sie künftig erst nach 6 Monaten sanktioniert: Jobcenter Foto: Heinrich Holtgreve/Ostkreuz

BERLIN taz | Der Gesetzentwurf aus dem Bundesarbeitsministerium zum „Bürgergeld“ steht. Nur die Zahlen, um wie viel genau der Hartz-IV-Regelsatz im „Bürgergeld“ erhöht werden soll, fehlen noch. Sie werden noch mithilfe des Statistischen Bundesamtes berechnet und eingefügt. Dies hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Mittwoch bei der Vorstellung eines Eckpunktepapiers zum Gesetzesvorhaben gesagt.

Der Gesetzentwurf soll in den nächsten Tagen veröffentlicht werden und im Herbst ins Kabinett und in den Bundestag. Die neuen Regelungen zum „Bürgergeld“ sollen zum 1. Januar in Kraft treten, sagte Heil.

Bei der Berechnung der neuen Bürgergeld-Regelsätze verwies Heil auf seine früheren Aussagen, wonach der Regelsatz künftig nach den Ausgaben der ärmsten 30 Prozent der Haushalte berechnet werden soll und nicht wie bisher nach den Ausgaben der untersten 20 Prozent. „Wir müssen den Bemessungsrahmen erweitern“, sagte er am Mittwoch. Dabei kommen dann nach seinen Aussagen zwischen 40 und 50 Euro mehr an monatlicher Leistung heraus, der Regelsatz für einen Alleinstehenden könnte dadurch von 449 Euro auf fast 500 Euro steigen.

Wie schon in der Pandemie praktiziert, sieht der Gesetzentwurf vor, dass auch künftig beim Bürgergeld eine „Karenzzeit“ von zwei Jahren für Wohnkosten und Vermögen eingeführt wird. Das heißt, in den ersten beiden Jahren des Leistungsbezugs werden die Kosten für die Wohnung vom Jobcenter in tatsächlicher Höhe erstattet, ohne auf eine „Angemessenheit“ zu achten. Vermögen bis zu einer Höhe von 60.000 Euro für einen Alleinstehenden (Paare: 90.000 Euro) wird in dieser Zeit nicht angerechnet.

„Vertrauenszeit“ ohne Sanktionen

Ferner sollen Schüler:innen, Studierende und Auszubildende, die etwa in einem Haushalt mit Eltern im Bürgergeld-Bezug wohnen, Einkommen aus ihrer Arbeit bis zu einem Freibetrag von 520 Euro ohne Anrechnung behalten dürfen.

Für die ersten sechs Monate im Bürgergeld-Bezug gilt eine „Vertrauenszeit“, hier sind Leistungskürzungen wegen Pflichtverletzungen, also etwa der Ablehnung von Maßnahmen, ausgeschlossen. Danach aber soll das Jobcenter „Mitwirkungspflichten“, etwa Eigenbemühungen, verbindlich festlegen können, so das Eckpunktepapier. Nach sechs Monaten wären wieder Sanktionen bis zu einer Höhe von 30 Prozent des Regelsatzes möglich.

Heil erklärte, es solle im Gesetz einen „Schlichtungsmechanismus“ geben, der Konflikte regelt, wenn sich Ver­mitt­le­r:in­nen und Kli­en­t:in­nen im Jobcenter über das weitere Vorgehen uneins sind.

Der „Vermittlungsvorrang“, also das Verfahren, im Jobcenter einen Arbeitslosen vorrangig in einen Job zu bringen statt in eine Weiterbildung, soll laut Eckpunktepapier fallen. Wer eine berufsabschlussbezogene Weiterbildung absolviert, soll ein zusätzliches monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro bekommen, erklärte Heil.

FDP gegen neue Regelsatz-Rechnung

Für Rückforderungen gilt eine Bagatellgrenze, Beträge bis zu einer Höhe von 50 Euro können vom Jobcenter nicht mehr von den Leistungsbeziehenden zurückgefordert werden.

Von den Koalitionspartnern erhält Heil zunächst einmal Lob. „Angesichts des aktuellen Arbeits- und Fachkräftemangels begrüßen wir den deutlichen Fokus auf Aus- und Weiterbildung“, erklärt der Sprecher für Bürgergeld der FDP-Fraktion, Jens Teutrine. Ein wichtiger Schritt sei auch die Reform der Hinzuverdienstregeln für Jugendliche. Aktuell dürfen sie von 450 Euro nur 170 Euro behalten. Teutrine begrüßt, dass „diese unfairste Leistungsfeindlichkeit des bisherigen Hartz-IV-Systems“ abgeschafft werde.

Allerdings macht Teutrine auch klar, dass die FDP einer Änderung der Berechnungsmethodik der Regelsätze, so wie Heil sie plant, nicht zustimmen werde. „Die Regelsätze werden im Januar auf Grundlage der bisherigen Grundlage turnusmäßig erhöht. Änderungen darüber hinaus lehnen wir entschieden ab“, so Teutrine zur taz.

Die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Stephanie Aeffner, nennt die Heilschen Eckpunkte „einen guten Aufschlag, mit dem man arbeiten kann.“ Aus Sicht der Grünen ist wichtig, „dass die Jobcenter zu einem Ort werden, wo die Leute gern hingehen und auf Augenhöhe und mit Würde behandelt werden.“ Dazu gehöre, dass Sanktionen wirklich nur als allerletztes Mittel zum Einsatz kämen. „Aus unserer Sicht sollten die Menschen in der Regel gar nicht mehr mit Sanktionen in Berührung kommen.“ Aeffner hält auch eine Neuberechnung der Regelsätze für notwendig. „Diese sollen laut Koalitionsvertrag die Würde achten und soziale Teilhabe garantieren. Das ist im Moment nicht der Fall“, so Aeffner zur taz.

Die Vorsitzende der Linkspartei, Janine Wissler, sieht kleine Schritte in die richtige Richtung. „Aber die entscheidende Frage wird sein, was mit den Regelsätzen passiert. Diese müssen angesichts der krassen Preissteigerungen deutlich erhöht werden“, so Wissler zur taz.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Jan Korte, hält die Pläne von Arbeits- und Sozialminister Heil hingegen für „eine einzige Enttäuschung“. „Mit dieser Art von Bürgergeld wird nichts grundlegend anders oder besser.“ Weder würden die Armutsregelsätze überwunden, noch Sanktionen abgeschafft. „Offenbar ist bei Heil die Angst vor Lindner so groß, dass seine Schere im Kopf nur noch Dürftiges zulässt.“ Die Linke fordert einen Sofortzuschlag von monatlich 200 Euro.

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