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Hubertus Heil will Hartz IV erhöhen50 Euro mehr im Monat

Sozialminister Heil stellt eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze in Aussicht. Die Wirtschaftsexpertin Irene Becker findet den Vorstoß „nebulös“.

Unklar, wie das Geld berechnet wird und wo es herkommen soll Foto: imago

Berlin taz | Die Ankündigung von Sozialminister Hubertus Heil (SPD), die Hartz-IV-Regelsätze um rund zehn Prozent zu erhöhen, wenn die Grundsicherung nächstes Jahr in „Bürgergeld“ umbenannt werden soll, wirft für Ver­tei­lungs­ex­per­t:in­nen Fragen auf. Die Wirtschaftswissenschaftlerin und Armutsforscherin Irene Becker sagte der taz, der Vorschlag Heils sei „noch ziemlich nebulös“.

Heil hatte in einem Zeitungsinterview angekündigt, die Hartz-IV-Regelsätze neu zu berechnen, indem man „etwa bei Familienhaushalten die unteren 30 statt die unteren 20 Prozent der Einkommen als Grundlage“ nehme. Becker weist aber darauf hin, dass die Familienhaushalte heute gar nicht als Grundlage für die Berechnung der Regelsätze von erwachsenen Emp­fän­ge­r:in­nen von Hartz-IV-Leistungen herangezogen werden. „In den ärmsten 20 Prozent der Familienhaushalte werden nur die Ausgaben für die Kinder ermittelt und dann daraus deren Regelsätze errechnet“, sagte Becker.

Die Regelsätze für die Erwachsenen, auch die von Eltern, werden bisher immer nur aufgrund der Haushaltsaufwendungen der untersten 15 Prozent der Alleinlebenden errechnet. Diese Grundlage ergibt geringere Summen, als wenn man die Haushaltsausgaben von Familien auch zu Berechnungen für die Erwachsenen heranzöge. „Man müsste unbedingt klären, was künftig die Grundlage sein soll“, sagte Becker.

Bisher werden die Regelsätze so ermittelt, dass nach der sogenannten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe die Haushaltsausgaben der ärmsten 20 Prozent der Familien und der ärmsten 15 Prozent der Alleinlebenden zugrunde gelegt werden. Von diesen Ausgaben werden dann bestimmte Posten, etwa für Pflanzen, Tabak, Alkohol, Benzin, chemische Reinigung und anderes abgezogen und aus der Restsumme die Regelsätze ermittelt. Etwa ein Viertel der Ausgaben werde herausgerechnet, sagte Becker.

Derzeit liegt der Regelsatz für alleinlebende Hartz-IV-Empfänger:innen bei 449 Euro im Monat. Heil hatte angekündigt, durch die Neuberechnung würden die Regelsätze um 40 bis 50 Euro im Monat steigen. Ein Sprecher im Heil-Ministerium sagte der taz, einen Zeitplan für die Einführung des Bürgergeldes könne man derzeit nicht nennen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat den Vorstoß Heils abgelehnt. Er sei auf „die Finanzierungsideen“ gespannt, da Schulden und Steuererhöhungen „ausgeschlossen“ seien, sagte er.

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6 Kommentare

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  • Sehr interessanter Beitrag.

  • Der Paritätische Wohlfahrtsverband:



    "Mindestens 200 Euro mehr im Monat brauche es laut Schneider, um die Grundsicherung annähernd bedarfsgerecht zu machen."



    www.der-paritaetische.de/

    Die LINKE:



    "Regelsätze auf 687 Euro erhöhen!"



    www.linksfraktion....-687-euro-erhoehen

    SPD-Linke (»Forum Demokratische Linke« (DL21)):



    "eine deutliche Erhöhung der Regelsätze auf 600 Euro"

  • taz: "Ein Sprecher im Heil-Ministerium sagte der taz, einen Zeitplan für die Einführung des Bürgergeldes könne man derzeit nicht nennen."

    Das muss man ja auch nicht übereilen, denn Hauptsache der Name 'Hartz IV' wird jetzt geändert, damit dieses menschenverachtende System ein wenig mehr nach einem echten 'demokratischen und sozialen Bundesstaat' ausschaut. Ob GroKo, Ampel oder was auch immer - soziale Gerechtigkeit wird es in diesem Land, das sich immer noch mit Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) schmückt, ohnehin nicht geben, denn schon der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard (1931 - 1989) wusste: "Ob schwarz oder rot, Politiker sind immer das selbe Gesindel". Apropos Politiker. Die monatliche Abgeordnetenentschädigung für unsere "Volksvertreter" liegt bei etwas über 10.000 Euro und Ministergehälter sogar bei etwas über 15.000 Euro. Dafür müsste ein armer 'Hartzer' (Bürgergeldempfänger) sich lange an eine der mittlerweile schon 956 Tafeln anstellen. Die "Tafeln" sind von ursprünglich nur einer Tafel (1993) bis heute (2022) auf 956 Tafeln angewachsen.

    Die Anhebung des Hartz IV Regelsatz ist trotz des Urteils des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09) von der Politik in den vergangenen 12 Jahren nie umgesetzt worden. Das hat natürlich auch etwas mit dem Freibetrag für die Einkommenssteuerzahler zu tun, denn wenn man die Hartz IV Sätze nicht anhebt, wird natürlich auch der Freibetrag nicht angehoben und so "spart" der Staat etwa 25 Milliarden Euro im Jahr an seine Bürger. Das weiß Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) natürlich auch, und Lindner weiß bestimmt auch, dass in Deutschland jährlich Steuern im Umfang von 125 Milliarden Euro hinterzogen werden, wie aus einer Untersuchung der University of London im Auftrag der sozialdemokratischen S&D-Fraktion im EU-Parlament hervorgeht. Aber armen Menschen nicht einmal ein anständiges Existenzminimum zu gönnen, damit hat der Bundesfinanzminister anscheinend keine Probleme.

    • @Ricky-13:

      Den Name 'Hartz IV' muß man nicht ändern, das heißt schon immer ALG2

  • Ha!



    ich finde das sonnenklar wo das Geld herkommen wird:



    aus der Vermögenssteuer.



    Für alle Armen ist es immer so:



    bereits wenige Summen mehr machen viel aus:



    50€ zu 420€ sind sofort spürbar - als Inflationsausgleich.



    Wenn zu 320.000.000 € noch 17.000.000€ hinzukommen spürt mensch nichts dabei.



    Das ist allen bekannt.

  • Wie wärs denn mal mit einer Politik, welche solche Rahmenbedingungen schafft, welche garantieren, dass die Bürger ihren Lebensunterhalt bestreiten können, ohne auf entwürdigende Beihilfen und zeitweilige Zuschüsse angewiesen zu sein.