Holocaust-Gedenktag in Freital: Leise gegen die AfD
Die AfD soll die offizielle Rede der sächsischen Stadt Freital zum Holocaust-Gedenktag halten. SPD, Grüne und Linke organisieren ein „Kontrastprogramm“.
Jedes Jahr begeht die Stadt den 27. Januar, den Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, an dem Mahnmal auf dem Platz des Friedens. Jedes Jahr ist eine andere Fraktion des Stadtrats an der Reihe – in diesem ist es demnach die AfD. Auch eine Sitzung des Ältestenrats änderte nichts daran. Eine Demokratie müsse das aushalten, hieß es. Aber für die Mitte-Links-Koalition des Freitaler Stadtrats, bestehend aus SPD, Grünen und Linken, war das der Grund, um ein „Kontrastprogramm“ aufzustellen.
Steffi Brachtel war in den vergangenen Jahren immer beim offiziellen Gedenken der Stadt dabei, dieses Mal organisiert sie das Kontrastprogramm mit: ein Spaziergang, vom Parteibüro der SPD zu dem der Grünen und am Schluss zu dem der Linken. Dazwischen wollen sie beim Mahnmal Blumen niederlegen und es sind zwei Reden geplant.
„Wir wollen nichts Großes oder Lautes machen. Es ist ja ein stiller Gedenktag“, sagte Brachtel. In jedem Büro sollen Fotos von Martin Neuhof gezeigt werden, der für sein Fotoprojekt „Herzkampf“ Menschen porträtiert, die sich für soziale und politische Themen und gegen Rassismus einsetzen.
AfD-Redner beim Holocaust-Gedenken
So eine Ausstellung sei besonders in Freital wichtig, „um denen Mut zu machen, die sich auch in AfD-Hochburgen gegen die Partei stellen“, sagte der sächsische Fotograf Neuhof der taz. Er plane, am Spaziergang in Freital teilzunehmen.
Brachtel hat den Kontakt geknüpft, von ihr gibt es auch ein Porträt. Seit Jahren setzt sie sich gegen Nazis in Freital ein und wurde dafür mit dem Zivilcourage-Preis ausgezeichnet. Mit Blick auf die Gedenkveranstaltung der Stadt sagt sie, „es ist absurd, dass ein AfD-Politiker die Rede halten soll“, besonders nach dem geheimen Treffen in Potsdam, bei dem die Partei mit anderen extremen Rechten über einen Plan für massenhafte Deportationen sprach.
Dafür zeigte Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg Unverständnis. Er war früher bei der CDU, mittlerweile gehört er zur Wählervereinigung Konservative Mitte. Im MDR warnte er davor, das öffentliche Erinnern an den Holocaust „zu instrumentalisieren“, das spalte. Außerdem bestehe die Gefahr, dass „das aufrichtige Erinnern an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in den Hintergrund gedrängt wird“.
Die Vorsitzende des Freitaler SPD-Ortsvereins, Katja Wätzig, kündigte der taz an, die beiden StadträtInnen der SPD werden an der offiziellen Gedenkveranstaltung teilnehmen. Dass die AfD die Gedenkrede halte, sei nicht passend, „aber als demokratisch gewählte Partei sollte an dieser Stelle die AfD-Fraktion trotzdem nicht ausgeschlossen werden.“ Das parallele Programm mit Grünen und Linken solle ziviles Engagement zeigen und der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Es sei aber eben auch eine Gegenbewegung zur AfD-Rede.
Auch der Vorsitzende der Freitaler AfD-Fraktion Torsten Heger versteht die Kritik offenbar nicht. Nachdem die Sächsische Zeitung über die Debatte um die AfD-Rede berichtet hatte, erklärte Heger dem MDR: „Wir haben unser Recht, wie jede andere Stadtratsfraktion, an die widerlichen Verbrechen der Nationalsozialisten – wohlgemerkt ‚Sozialisten‘ – zu erinnern.“
Das sei geschichtsrevisionistisch, sagte Jens-Christian Wagner, Stiftungsdirektor der Gedenkstätte Buchenwald und Mittelbau-Dora. Der taz erklärte der Historiker, „weil die NS-Verbrechen damit Linken und Sozialisten zugeschrieben werden, die aber in Wirklichkeit bekanntlich zu den ersten Opfern der NS-Diktatur gehörten.“
Laut Wagner gehörte Antikommunismus wie der Antisemitismus zur DNA der NSDAP. „Der Oberbürgermeister und der Ältestenrat in Freital erweisen der Erinnerungskultur einen Bärendienst“, findet er. Auch das Internationale Auschwitz Komitee kritisierte die geplante Rede eines AfD-Landtagsabgeordneten auf das Schärfste.
Vermeintliche Neutralität hilft Rechten
Zusätzlich zur Bilderausstellung liest der antifaschistische Aktivist Jakob Springfeld aus Zwickau im Büro der Linken aus seinem Buch „Unter Nazis“. Die Lesung war schon im November geplant, wurde vom soziokulturellen Zentrum Freital jedoch abgesagt: zu politisch. „Diese vermeintliche Neutralität, die dann rechte Kräfte stärkt, ist leider verbreitet“, sagt Jakob Springfeld. Darum sei es wichtig, am Samstag in Freital zu sein.
Wie die Stimmung derzeit in Sachsen ist, machte der am Dienstag veröffentlichte Sachsen-Monitor deutlich. Laut der von Sachsens Staatsregierung in Auftrag gegebenen Befragung sehen 64 Prozent ein „gefährliches Maß an Überfremdung“. Zudem stimmten 18 Prozent der Aussage zu, „Die Juden haben zu viel Macht in der Welt.“ Der Monitor befragte vom vergangenen Juni bis Ende September 2.042 Menschen, und die Ergebnisse gelten als repräsentativ. Antisemitismus ist laut der Studie auf dem Vormarsch.
Bevor es am Samstag in das Freitaler Büro der Linken geht, steht im „Kontrastprogramm“ noch der Besuch des Denkmals an. „Wir hoffen, die offizielle Veranstaltung ist dann schon vorbei“, sagt Brachtel. Dort wollen sie Blumen niederlegen, zwei Reden sind geplant. Die Inschrift auf der Mauer des Denkmals lautet: „Die Opfer mahnen seid wachsam!“
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