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Holocaust-Gedenken und Bundesliga#We remember? Wir doch nicht!

Martin Krauss
Kommentar von Martin Krauss

Viele Fans gedenken Holocaust-Opfern. Doch meist dominiert Ignoranz. Schalke-Boss Tönnies redet Rassismus schön und Bayern trauert um einen SS-Mann.

Gedenken mit gutem Willen und falschem Trauerflor: Bayern und Schalke Foto: dpa/Hase

W er gedenkt eigentlich der Opfer des Holocaust, wenn vermeldet wird, dass der Fußball gedenkt? Schauen wir einmal genauer hin. Der FC Bayern München beispielsweise stellte sich vor seinem Heimspiel zwar gemeinsam mit den Schalker Gästen mit dem Schild „#we remember“ den Fotografen. Auch zu sehen auf dem Bild ist aber der Trauerflor, den die Mannschaft für den gerade verstorbenen Club-Geschäftsführer Walter Fembeck trug. Der gebürtige Wiener war nach dem „Anschluss“ 1938 der Waffen-SS beigetreten, zum Schluss war er Oberscharführer. Für Fembeck, dem der FCB „stets ein ehrendes Andenken bewahrt“, so Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge, gab es an diesem „Tag der Erinnerung“ sogar eine Schweigeminute.

Und welche Lehren zieht der Profifußball aus der Beschäftigung mit der Geschichte? Schalkes Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies nutzte den besonderen Tag, um zu erklären, dass seine rassistischen Äußerungen vom Sommer, die ihm eine dreimonatige Sperre einbrachten, bloß ein Missverständnis gewesen seien. Wir erinnern uns nur ungern: Die Afrikaner sollten Kraftwerke bauen und keine Bäume mehr fällen, so Tönnies in einem Vortrag über „Unternehmertum mit Verantwortung“, weil sie dann nicht mehr so viele Kinder im Dunkeln produzierten. Heute, nach Ablauf seiner Sperre, erzählt ein aufgeräumter Tönnies, seinen Rassismus habe er doch nur gut gemeint, „Afrika ist ein Traumkontinent“.

Viele Fans, genauer: engagierte Ultras vieler Bundesligisten, stellten sich an diesem Spieltag der historischen Verantwortung, die jeder gesellschaftliche Bereich dieses Landes trägt – auch der Fußball. Die Fans gedachten etwa vertriebener und ermordeter jüdischer ­Spieler und Vereinsmitglieder, und auch der neue DFB-Präsident Fritz Keller erinnerte in sympathisch deutlichen Worten daran, dass sich sein Verband ebenfalls mitschuldig gemacht hat. Auch ist zu würdigen, dass Eintracht Frankfurt seinem früheren Präsidenten Rudolf Gramlich postum die Ehrenpräsidentschaft aberkennen wird, weil der im 8. SS-Totenkopfregiment diente und sich als „Arisierer“ bereicherte.

Der FC Bayern trägt Trauerflor – für einen SS-Mann. Und Schalke-Boss Tönnies spricht vom Traumkontinent Afrika

Gewiss, es sind nicht „die“ Fans, die für die Erinnerung eintreten. Es ist ganz sicher nicht „der“ DFB, der sich zu seiner Schuld bekennt, die sich unter anderem im früheren DFB-Präsidenten Felix Linnemann offenbart, der für die Deportation von mindestens 700 Sinti und Roma nach Auschwitz verantwortlich war. Und es ist vermutlich auch nicht „die“ Eintracht, die sich ob des Funktionärs Rudolf Gramlich schämt. Und doch stehen gerade die Fans, die engagierten Ultras moralisch besser da als der offizielle Bundesligafußball – inklusive seine aktuelle Berichterstatterschar bei Sky, ARD und ZDF – die mit offenkundiger Arroganz durchblicken lassen, dass für sie die NS-Geschichte nichts mit dem Fußball zu tun hat.

Es sind die engagierten Anhänger, die sich des Themas stellen und die besser für ihre Vereine sprechen sollten als das Personal, das sich für den Fußball hält und in Gestalt von Herren wie Rummenigge oder Tönnies schwer offi­ziell in Mikrofone blubbert. So gesehen heißt „#we remember“ auch: Wir sind Eintracht, wir sind FC, wir sind VfL und SC und SV, wir sind Borussia und FSV und Fortuna, und wir sind sogar TSG und RB – soweit wir uns der Verantwortung stellen. Wenn es der Fußball ist, der gedenken soll, dann muss man den Profiklubrepräsentanten diese Macht streitig machen.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
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7 Kommentare

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  • Sehr geehrter Herr Kraus.



    Man muss den FC Bayern ja nicht sympathisch finden, jedoch grenzen ihre unbelegteten Thesen an Rufmord und haben allenfalls das Niveau eines schmierigen Boulevardjournalismuses. Haben sie schon mal etwas von Karl Landauer gehört oder gelesen?! Ich kann es mir nicht vorstellen.



    Nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit und bilden Sie sich!

    www.google.com/url...shid=1580172516222

    • @Raeuber Alibabas:

      Wenn ich den Text richtig gelesen habe, hat Herr Krauss über Walter Fembeck geschrieben und nicht Herrn Landauer

  • "Und welche Lehren zieht der Profifußball aus der Beschäftigung mit der Geschichte?"

    Die Eintracht hat am Wochenende Rudolf Gramlich die Ehrenpräsidentschaft von Eintracht Frankfurt aufgrund seiner Schuld im 3. Reich entzogen.

    "Ein Ehrenpräsident muss, egal, was er sportlich Positives erreicht hat, auch moralisch und ethisch ein Vorbild sein, begründete Fischer (Vereinspräsident). Der 63-Jährige erntete großen Applaus von den knapp 600 Mitgliedern in der Wolfgang-Steubing-Halle."

    www.fr.de/eintrach...annt-13488736.html

  • Ich geh mal davon aus, dass das aus Versehen durch die Lappen gegangen ist:

    "Geinsam mit dem FC Bayern München übergibt die Koordinierungsstelle Erinnerungszeichen (Stadtarchiv München) am Montag, 27. Januar, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, zwei Erinnerungszeichen der Öffentlichkeit."

    ( ru.muenchen.de/202...uer-NS-Opfer-89350 )

    Auch im Stadion und auf allen Online Auftritten des Vereins war das Thema weitaus präsenter, als das schnöde Foto unter der Headline.

    ( de.onefootball.com...t-der-bayern-fans/ )

    • @Deep South:

      Um so fataler, wenn man auf dem Platz dann für einen Nazi eine Schweigeminute abhält.

      • @Gefahrengebietler:

        Ich wußte bislang ehrlich gesagt nicht, dass Fembeck SS Mann war. Außer einer Zeile aus einer Gerd Müller Biografie, die der Autor hier lediglich frei zitiert, finde ich leider nichts dazu, um mir eine Meinung bilden zu können, was für ein Mensch Fembeck war.

        Sei's drum. Wenn es so sein sollte, ist eine Gedenkminute an diesem WE sicherlich unangemessen. Keine Frage. Auch wenn man ihn für sein jahrzentelanges Engagement im Club durchaus ehren kann.

        Nur zu suggerieren, die Clubs interessieren sich einen Scheiß für das Thema und dann ganz aktuelles öffentliches Engagement, soeziell der der namentlich Kritisierten zu unterschlagen, ist mindestens mal unsauber gearbeitet. Bei ein wenig Recherche hätte man auch noch über viel mehr Engagement des Clubs gegen das Vergessen stoßen können.

        www.juedische-allg...esuchen-auschwitz/

        fcbayern.com/de/ne...ans-nach-auschwitz

        Und bei aller Kritik an der Schweigeminute. Dass an diesem Abend auch ein starkes Zeichen gegen das Vergessen aus diesem Stadion, mit der Choreographie und dem Erinnern an die Ermordung der Railings ausging, darf man ruhig mal erwähnen.

        • @Deep South:

          Naja, ja - aber Gefahrengebietler hat da schon recht. Außenwirkung und PR-trächtiger Aktionismus sind eins - aber im Zusammenklang mit einem Trauerflor für einen Waffen-SS Mann ist das bigott bis zum Abwinken! Sich zu rühmen mit Denkmälern um dann "anscheinend uninformiert" das Ganze so zu relativieren - da geschieht eine Abkanzelung mit harten Bandagen wirklich recht!