Ermittlungen nach Pokalspiel: Spielverzögerung oder Rassismus?

Nach dem Skandalspiel zwischen Schalke und Hertha fällt Schiedsrichter Osmers mit Ungereimtheiten auf. Profis zeigen Solidarität mit Torunarigha.

Schalke-Trainer David Wagner sieht die Rote Karte

Schlüsselszene Rot: Torunarigha (r.) muss gehen, Wagner sieht Rot Foto: Thissen/dpa

Immerhin, an Solidarität mangelt es Fußballprofi Jordan To­ru­na­ri­gha nicht. „Wir stehen alle hinter dir, Bruder!“, twitterte Davie Selke, bis vor Kurzem noch sein Teamkollege bei Hertha BSC. Auch die Brüder Boateng, Jérôme vom FC Bayern und Kevin-Prince von Beşiktaş Istanbul, meldeten sich beim 22-jährigen Toruna­ri­gha. „Hätte nicht gedacht, dass so etwas in Deutschland 2020 möglich ist! Bin fassungslos!“, lautet die Botschaft Jérômes.

Torunarigha war am Dienstagabend beim DFB-Pokalspiel seiner Hertha gegen Schalke 04 in Gelsenkirchen rassistisch beleidigt worden. Die Hassorgie mit geschmissenen Feuerzeugen und Schnapsflaschen, imitierten Affengeräuschen und wüsten Beschimpfungen, die nach Angaben von Hertha dem Schiedsrichter Harm Osmers unter anderem von Hertha-Manager Michael Preetz gemeldet worden war, eskalierte in der Verlängerung.

Es war eine unklare Spielsituation: Der schon mit Gelb verwarnte Torunarigha war mit dem Schalker Omar Mascarell in Berührung gekommen, rutschte über die Seitenlinie und stieß mit Schalke-Trainer David Wagner zusammen; aus Wut warf Torunarigha eine Getränkekiste auf den Boden; Wagner hielt Torunarigha, vermutlich spontan, damit dieser nicht stürzte, an der Schulter fest. Konsequenz: Nach Einsatz des Videobeweises wurde dem Hertha-Spieler Gelb-Rot gezeigt, und Wagner sah Rot.

Am Mittwoch dann verkündete Schiedsrichter Osmers, dass Wagner nicht, wie vermutet, wegen einer angeblichen Tätlichkeit gegen Torunarigha des Platzes verwiesen wurde (dass er helfen oder stützen wollte, war nicht ganz eindeutig), sondern, weil „er durch sein Verhalten die Spielfortsetzung verzögert hat“, so Osmers gegenüber dem Kicker. Glaubwürdig ist die Erklärung des Schiedsrichters nicht, denn zum einen wurde offiziell im Stadion zunächst von einer Tätlichkeit gesprochen, zum anderen gab es für den Schalke-Trainer beim Stand von 2:2 in der 100. Minute überhaupt keinen Grund für Spielverzögerung.

Schon Torunarighas Vater wurde im Profifußball beleidigt

Die Rassismusvorwürfe, die gegen Teile des Schalker Fananhangs erhoben werden, sind nun auch Gegenstand der Ermittlung des Kontrollausschusses des DFB. Zunächst, teilte der DFB mit, sollten Verein und Spieler in einer Stellungnahme mitteilen, was im Schalker Stadion passiert ist.

Unterstützung hat Jordan Torunarigha auch von seinem Vater Ojokojo. Der Nigerianer war 1990 der erste afrikanische Profi in den neuen Bundesländern. Einige Jahre spielte er in Chemnitz, später zudem in Leipzig, und 1997 wurde sein Sohn Jordan auch in Chemnitz geboren. Ojokojos beide Söhne, Jordan und Junior, wurden Fußballprofis – Junior spielt derzeit beim südpolnischen Erstligisten Zagłębie Sosnowiec, Jordan ist Deutscher und spielt für die U20.

In seiner Zeit in Sachsen wurde Ojokojo Torunarigha des Öfteren Opfer von massivem Rassismus. „Ich wurde bei einem Stadtfest durch die Stadt gejagt“, berichtete er in der Bild-Zeitung. „Die Polizei half mir erst, als sie erkannten, dass ich ein Fußballprofi war.“

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