Hoffnungsträger für die Klimaneutralität: Startschuss fürs Wasserstoffnetz
Die Bundesnetzagentur genehmigt Anträge für das Wasserstoff-Kernnetz. Damit kann der Ausbau der wichtigen Infrastruktur beginnen.
![Auf einer Baustelle für eine neue Pipeline für Gas und Wasserstoff werden Rohre verlegt Auf einer Baustelle für eine neue Pipeline für Gas und Wasserstoff werden Rohre verlegt](https://taz.de/picture/7313056/14/36833520-1.jpeg)
Wasserstoff ist der Hoffnungsträger für den Umbau der Wirtschaft. Wird er mit erneuerbaren Energien hergestellt, ist er klimaneutral. Der sogenannte grüne Wasserstoff soll fossile Energieträger wie Erdgas ersetzen. Allerdings wird bislang wenig Wasserstoff hergestellt, es gibt kaum Transportwege. Die Bundesregierung rechnet damit, dass auch langfristig große Mengen importiert werden müssen.
Der Aufbau des Leitungsnetzes ist die Voraussetzung für die Nutzung von Wasserstoff. Das nun genehmigte Kernnetz verbindet zentrale Standorte, etwa geplante Produktionsstätten oder Importpunkte auf der einen Seite und Abnehmer wie Kraftwerke oder Industrieanlagen auf der anderen. Die Pläne sehen Leitungen von 9.040 Kilometern Länge und 13 Grenzübergangspunkte in europäische Nachbarländer vor. „Das Kernnetz ist ein Startnetz“, betonte Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur. Er vergleicht den Plan mit dem Verkehrsnetz: Jetzt stehen die Autobahnen fest, Land- und Kreisstraßen sollen folgen. So sollen die Leitungen nach Bedarf in Betrieb genommen werden.
Für etwa 60 Prozent des Netzes werden bisherige Erdgasleitungen umgewidmet. Der Rest wird neu gebaut. Der Ausbau soll schrittweise bis 2032 erfolgen. Schon im kommenden Jahr sollen erste Abschnitte in Betrieb gehen. Dafür sind Leitungen vorgesehen, die nicht mehr für den Erdgastransport benötigt werden.
Einnahmen zunächst niedrig
Ausbau und Betrieb des Wasserstoffnetzes sollen privatwirtschaftlich durch die Fernleitungsbetreiber erfolgen, das sind die überregionalen heutigen Gas- und künftigen Wasserstofftransporteure. Finanziert werden soll das durch Gebühren für die Abnehmer, sogenannte Netzentgelte. Anfangs wird es aber nur wenige Abnehmer von Wasserstoff geben. Sie müssten enorme Gebühren zahlen, wenn die Investitionskosten auf sie umgelegt würden. Deshalb sind die Netzentgelte zunächst gedeckelt. Ein sogenanntes Amortisationskonto sieht vor, dass die zunächst niedrigen Einnahmen durch später höhere ausgeglichen werden. Im Jahr 2055 wird abgerechnet. Sollten die Investitionskosten dann nicht ausgeglichen sein, springt der Bund ein.
Laut den Fernleitungsnetzbetreibern entsteht bis 2032 das größte Wasserstoffnetz Europas. Die Betreiber wollen 18,9 Milliarden Euro in den Ausbau stecken. „Mit dem Wasserstoffkernnetz legen wir den Grundstein für ein neues Energiesystem“, sagte Thomas Gößmann, Chef der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas. „Es bietet die historische Chance für den Standort Deutschland, sich als Vorreiter in der Wasserstoffwirtschaft zu positionieren.“
Union kritisiert, Linke lobt
Die oppositionelle Union im Bundestag kritisiert die Pläne scharf, weil ihrer Meinung nach Bayern und Baden-Württemberg benachteiligt werden. Sie seien ein „Tiefschlag gegen den Südwesten“ sagte der Konstanzer Bundestagsabgeordnete Andreas Jung. Für Niedersachsen seien viermal so viele Leitungen vorgesehen wie für Baden-Württemberg. Dabei sei aus dem Süden ein größerer Bedarf angemeldet worden. Nur fünf Prozent der Leitungen entfielen auf Baden-Württemberg, obwohl das Land 10 Prozent der Fläche Deutschlands ausmache und 20 Prozent der Industrieleistung von dort komme. „Der Verweis auf spätere Prozesse ist ein schwacher Trost“, sagte er zu Aussagen von Habeck und Müller, dass das Netz weiterentwickelt werde.
Auch die Linkspartei ist skeptisch. „Die Kosten für das Übertragungsnetz Strom fliegen uns jetzt bereits um die Ohren, wofür hauptsächlich Engpässe im Stromnetz verantwortlich sind und der Netzausbau, mit dem man glaubt, diese Engpässe beheben zu können“, sagte der Linksparteiabgeordnete Ralph Lenkert. Die Produktion von Wasserstoff braucht viel Strom. Weil der Staat das Problem auf dem Strommarkt nicht angehe, so Lenkert, fehlten jetzt die Anreize für die Wasserstoffwirtschaft, sich gleich dort anzusiedeln, wo es volkswirtschaftlich am effizientesten und ökologisch am sinnvollsten ist.
Gut findet Lenkert allerdings das Amortisationskonto, weil der Staat damit die Transformationskosten für die Zukunft in der Gegenwart absichert. „Wir begrüßen das für das neue Wasserstoffkernnetz ausdrücklich“, sagte er. Bundesregierung und Bundestag müssten nach derselben Logik die Schuldenbremse abschaffen und in Klimaanpassung investieren.
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