Hörspiel und Klanginstallation: Der Feind nistet schon in deinem Ohr
Nik Nowaks hat ein Hörstück zur hybriden Kriegsführung gemacht. „A War of Decibels“, gibt es als Album und Klanginstallation im Militärhistorischen Museum Dresden.
Vor Kurzem berichtete die New York Times über eine neuartige Waffe, die die Armee des nordkoreanischen Diktators Kim Yong Un gegen das Nachbarland im Süden einsetzt. Von ohrenbetäubendem Krach war da die Rede, dem Bewohner*innen eines südkoreanischen Dorfes nahe der Grenze zu Nordkorea ausgesetzt waren.
Es war auch die Rede von einem finsteren Gong, der des Nachts immer wieder angeschlagen wurde, von Wolfsgeheul, knirschendem Metall und geisterhaftem Geschrei. Eine Klangkulisse wie aus einem Horrorfilm, mit Soundeffekten von einschlagender Artillerie bis zu wildem Klaviergeklimper.
Jene verstörenden Sounds werden zur Einschüchterung der „feindlichen“ Bevölkerung genutzt. Gelesen hat den Text auch der Berliner Künstler Nik Nowak. Seit einiger Zeit schon beschäftigt er sich mit akustischer Kriegsführung und damit, wie Klang zu Propagandazwecken eingesetzt wird oder als Folterinstrument. Gerade erst hat er ein Album zu diesem Thema veröffentlicht „Schizo Sonic – A War of Decibles“, erschienen beim britischen Label Flatlines.
Found-Footage und Klangcollage
Ein Hörspielessay wie eine Mischung aus Spoken Word – mit eingesprochenen Textpassagen der britischen Kulturwissenschaftlerin Jessica Edwards und Musik vom Dubstep-Duo Infinite Livez. Dazu Found-Footage und Klangcollage mit umfangreicher Begleitpublikation. Fast zeitgleich hat Nowak eine Ausstellung im Militärhistorisches Museum der Bundeswehr in Dresden eröffnet, in dem dieser Soundessay ebenfalls zu hören ist.
„Schizo Sonic“ bildet dort den akustischen Part einer Installation von zwei seiner Soundpanzer, „Panzer“ (2011) und „The Mantis“ (2019), mit denen er in verschiedenen Formationen bereits in den vergangenen Jahren des Öfteren gearbeitet hat. Präsentiert hat er diese in einer ersten Variante 2021 bereits im Kindl Zentrum für zeitgenössische Kunst in Berlin, einem Ausstellungsort mit anderer Konnotation freilich als dem von der Bundeswehr betriebenen Museum in Dresden.
Und zu einem Zeitpunkt, in dem das Thema der Schau durch die weltpolitischen Entwicklungen seitdem, durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine vor allem, dringlicher noch erscheinen als damals. Von zwei Beispielen dafür, wie Sound zu Zeiten des Kalten Krieges als Waffe eingesetzt wurde, erzählt die Arbeit. Aufgewachsen ist Nowak mit dem Thema quasi, beim Gespräch in seinem Studio in Berlin-Kreuzberg berichtet er davon, wie ihn die Präsenz der US-amerikanischen Soldaten im Rhein-Main-Gebiet, wo er seine Kindheit und Jugend verbrachte, geprägt hat.
Krieg der Lautsprecher im Berlin der 1960er
Auf „Schizo Sonic“ geht es einerseits um den sogenannten Lautsprecherkrieg, bei der von 1961 bis 1965 die deutsch-deutsche Grenze beidseitig mit Propaganda beschallt wurde, andererseits, um die politische Instrumentalisierung jamaikanischer Reggae-Soundsysteme in sogenannten „Soundclashes“, wie sie vor allem in den 1970er Jahren währen der Wahlkämpfe auf der Karibikinsel stattgefunden haben.
Album: Nik Nowak „A War of Decibels“ (Flatlines/Hyperdub/Cargo);
Ausstellung: „Schizo Sonics. Klang als Waffe im Kalten Krieg“, Militärhistorisches Museum Dresden, bis 2. März 2025
2021, zur Berliner Ausstellung, veranstaltete Nowak auch ein von Jessica Edwards kuratiertes Symposium – „The Wall Continuum“ – zur schleichenden Rückkehr des Kalten Krieges, einer neuen Teilung der Welt und der Rolle von Propaganda dabei. Mehr Echo hätte sich Nowak dafür gewünscht: „Ich hatte Schwierigkeiten, Gehör dafür zu finden“, erinnert er sich.
Weiterverfolgt hat er sein Projekt dennoch. Auf Albumlänge fällt es leichter, der 43-minütigen Aufnahme mit der nötigen Aufmerksamkeit zu folgen. Zwar hat Nowak sie keineswegs linear konzipiert, quasi an jeder Stelle, ist es möglich einzusteigen, was die Rezeption auch in der Ausstellungssituation erleichtert. Besucher*innen betreten diese schließlich jederzeit und bleiben unterschiedlich lang, sind außerdem womöglich durch die visuellen Parts der Installation abgelenkt.
Manipulation und Propaganda
Fast schon selbst als ein Zeitdokument erscheint das Stück heute, Donald Trump kommt darin während seiner ersten Amtszeit vor. Auf „Schizo Sonic“ hört man ihn Reden schwingen über jene Mauer, die er im Süden der USA aufbauen will. Nowak spricht von sich wiederholenden Mustern, von Miss- und Falschinformationen, Manipulation und Propaganda.
Heute finden sie eben mit anderen technologischen Mitteln statt, die „aufgrund der Vielschichtigkeit im Internet viel komplexer seien“ und von einem „unüberschaubaren Wust an Medien-Outlets, die alle ideologisch funktionieren und ihre aggressiven politischen Interessen vertreten, die man kaum noch sortiert bekommt“.
Ein anderes Publikum als im Kindl wird er im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr mit seiner Installation sicherlich erreichen, wieder andere mit seinem Album. Denkanstöße möchte er liefern, gerade auch in Bezug auf die gegenwärtige Situation, auf die sich wieder aufbäumenden Feindseligkeiten des Kalten Krieges und deren Echo in Lausch-Propaganda.
Sie ist inzwischen Teil der hybriden Kriegsführung, deren Strategien eine gezielte Steuerung von Diskussionen in sozialen Medien und die Manipulation von Informationen und Nachrichtenportalen strategisch umfasst. Würde er diese darstellen wollen, bräuchte er für seine Installation allerdings keine großen Lautsprecherwagen mehr. Diese haben längst kleine Geräte ersetzt, die sich jeder freiwillig ans Ohr hält. Smartphones und soziale Medien haben die manipulative Wirkkraft perfektioniert.
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