piwik no script img

Hochwasser der ElbeLauenburgs Altstadt geräumt

Im Norden wartet man mit Bangen auf den Scheitelpunkt der Elbefluten, während der ICE-Fernverkehr weiter gestört bleibt. Budapest leidet unter dem Hochwasser der Donau.

Das Bild von Lauenburgs Altstadt dominieren derzeit Sandsäcke. Bild: dpa

LAUENBURG/MAGDEBURG/BUDAPEST dpa/afp | Rund 1000 Helfer sind in Lauenburg im Einsatz, um die Stadt vor dem Elbehochwasser zu schützen. Die Lage dort verschärfte sich am Montag weiter; bereits am Vormittag war der Pegelstand nach Angaben des Krisenstabs auf 9,18 Meter gestiegen. Pumpen von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk laufen auf Hochtouren, um die Kanalisation zu entlasten und zu verhindern, dass das Wasser durch diese in die Altstadt gedrückt wird.

Am Montagmittag werden Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig und Innenminister Andreas Breitner in Lauenburg erwartet, sie wollen sich ein Bild von der Hochwasserlage machen. Albig hat dafür seinen Besuch der Gartenschau in Hamburg abgesagt.

„Wir versuchen so lange wie möglich, die Altstadt zu halten“, sagte der Sprecher des Krisenstabs Peter Schütt am Montag. Insgesamt versuchen mittlerweile rund 1000 Rettungskräfte aus ganz Schleswig-Holstein, die Altstadt vor dem Schlimmsten zu bewahren.

Die vom Hochwasser der Elbe bedrohte Altstadt von Lauenburg ist derweil geräumt. Die Evakuierung war nach Angaben der Feuerwehr gegen 1.30 Uhr in der Nacht abgeschlossen gewesen. Eigentlich hätten die Menschen noch bis 9.00 Uhr Zeit gehabt, ihre Häuser und Wohnungen zu räumen, sagte ein Feuerwehrsprecher. Weil das Wasser jedoch schneller gestiegen ist als noch am Sonntagnachmittag prognostiziert, mussten die letzten 70 Bewohner noch in der Nacht ihre Häuser verlassen. Viele der insgesamt rund 400 Betroffenen hatten bereits am Sonntag den gefährdeten Bereich verlassen.

Am Donnerstag soll der Pegel in Hohnstorf (Landkreis Lüneburg) auf der anderen Elbseite von Lauenburg bei 10,15 Meter stehen. Höchster jemals gemessener Wasserstand in Hohnstorf waren 9,88 Meter.

Hitzacker erwartet Scheitelpunkt

Die Elbe flußaufwärts am niedersächsischen Ufer steigen die Fluten ebenfalls weiter an. Wann und in welcher Höhe der Scheitelpunkt erreicht wird, ist aber immer noch unklar. Am Montag gab es unterschiedliche Prognosen, wonach der Höchststand in Hitzacker zwischen Montagabend und Donnerstag erreicht werden könnte. Am Montag machte sich erstmals auch Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor Ort ein Bild von der Situation.

„Es ist eine sehr angespannte Lage. Aber es ist auch ein gutes Gefühl, dass alle Beteiligten alles geben und die Vorbereitung ein hohes Niveau hat“, sagte Weil in Lüneburg. Anschließend wollte er Hitzacker und Bleckede besuchen.

In Hitzacker rechnete der Katastrophenschutzstab im Kreis Lüchow-Dannenberg damit, dass der Höchststand der Elbe bald erreicht ist. Am Morgen wurde dort ein Pegelstand von 8,09 Meter gemessen. Der Kreis rechnete mit einem Anstieg auf 8,20 Meter. „Wir steuern geradewegs auf den Scheitelpunkt zu“, sagte eine Sprecherin des Katastrophenschutzstabes. Der langjährige Mittelwert der Elbe liegt bei Hitzacker bei 2,67 Meter.

Die Hochwasservorhersagezentrale in Magdeburg rechnete zuletzt erst am Donnerstag mit einem Scheitelpunkt von 8,50 Meter für Hitzacker. Die Sprecherin des Katastrophenschutzstabes des Kreises Lüchow-Dannenberg sagte: „Wir verlassen uns nicht auf die Zahlen aus Magdeburg. Wir stellen unsere eigenen Berechnungen an.“ Diese Prognosen hätten in den vergangenen Tagen richtiger gelegen als die offiziellen aus Magdeburg. Wegen der am Wochenende rasant gestiegenen Pegelstände war die Altstadtinsel von Hitzacker am Sonntag evakuiert worden. Rund 280 Anwohner mussten ihre Häuser verlassen.

Im Kreis Lüneburg verlässt sich der Katastrophenschutz dagegen auf die offiziellen Berechnungen aus Magdeburg. Ob die rund 9000 Einwohner zählende Kleinstadt Bleckede evakuiert werden müsse, sei noch völlig offen, sagte eine Sprecherin. „Das hängt ab vom Zustand der Deiche und von der Gesamtlage, wie lange das Hochwasser andauern wird. Da gibt es nicht eine konkrete Pegelstands-Zahl, ab der evakuiert wird“, sagte die Sprecherin.

ICE-Verkehr unterbruchen

In der Prignitz zeigt die Flutung der Polder in der Nähe von Wittenberge (Prignitz) Wirkung: Der Pegel war um 9.00 Uhr leicht gesunken auf 7,78 Meter - das waren sieben Zentimeter weniger als am Sonntagabend. „Experten führen dies eindeutig auf die Flutung zurück. Ohne die Maßnahme wäre der Wasserstand etwa 30 Zentimeter höher“, sagte eine Sprecherin des Krisenstabs im Innenministerium. Der Höhepunkt der Flutwelle wird in Wittenberge am Dienstagmittag erwartet.

Wie hoch das Wasser steigt, sei jedoch nicht absehbar, hieß es. „Die Fließgeschwindigkeit ändert sich ständig“, sagte Wolfgang Brandt vom Krisenstab. Zunächst gingen die Behörden von einem historischen Höchstwert von 8,20 Meter aus. „Wir müssen nun wieder nachrechnen“, meinte Brandt. Entwarnung gibt es auch deswegen nicht, weil der Druck auf die Deiche enorm ist. Der Wasserspiegel liegt weit über der Rekordmarke von 1880 (7,44 Meter).

Dementsprechend bleibt die Hochwasserlage in Brandenburg kritisch, zumal nach dem Bruch eines Elb-Deiches in Fischbeck im benachbarten Sachsen-Anhalt. Es wird eine Überflutung durch das auslaufende Wasser befürchtet. Deshalb wurde seit den frühen Morgenstunden ein Notdeich von 3,5 Kilometer Länge zwischen Schmetzdorf und Zollchow errichtet. Nach Angaben des Koordinierungszentrums Krisenmanagement (KKM) soll er bereits am Montagmittag fertig sein.

Wegen des Hochwassers und Gefahr für die Brückenpfeiler musste die Eisenbahn-Elbebrücke in Hämerten gesperrt werden, teilte die Deutsche Bahn AG mit. Betroffen sind die zentralen ICE-Strecke Berlin-Hannover-Köln, die ICE-Strecke Berlin-Kassel-Frankfurt/Main. Für sie gelten Umleitungen mit längeren Fahrzeiten. Die IC-Strecke Berlin-Amsterdam beginnt und endet bereits in Hannover. Auch die Bundesstraße B107, B188 und die L33 sowie die angrenzenden Kreisstraßen werden gesperrt.

Leichtes Aufatmen in Magdebrug

Leichtes Aufatmen in Magdeburg: Der Elbepegel ist seit Sonntag deutlich gesunken. „Das Hochwasser geht schneller zurück als erwartet“, sagte eine Sprecherin der Hochwasservorhersagezentrale am Montag in Magdeburg. Am Morgen stand der Pegel gegen 9.00 Uhr bei 7,14 Metern, nachdem er am Sonntag auf die historische Höchstmarke von 7,46 gestiegen war.

„Es gibt ein leichtes Aufatmen, aber noch keine Entspannung“, sagte Klaus Puchta von der Stadtverwaltung. Die Deiche und Sandsackwälle seien auch in den kommenden Tagen noch einer hohen Belastung ausgesetzt. Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) betonte, Magdeburg bleibe auch in den kommenden Tagen „eine Stadt im Ausnahmezustand“.

Die ursprünglichen Hochwasserprognosen für Magdeburg waren deutlich übertroffen worden. Der Pegel vom Wochenende lag mehr als 70 Zentimeter über dem des Jahrhunderthochwassers von 2002. Wegen drohender Überflutungsgefahr waren insgesamt mehr als 23.000 Menschen in Magdeburg zum Verlassen ihrer Häuser aufgefordert worden.

Das bedrohte Umspannwerk ist durch die Fluten nicht mehr in Gefahr. Dort hatte die Bundeswehr einen zusätzlichen Damm errichtet. Bei einem Ausfall wären Tausende Haushalte in Magdeburg ohne Strom gewesen.

Entspannung in Mühlberg

Im Süden Brandenburgs hat sich die Situation an der Elbe in der Nacht nicht verschlechtert. In Mühlberg (Elbe-Elster) ging das Wasser langsam zurück. Der am Mittwoch ausgerufene Katastrophenalarm soll laut Behörde noch bis mindestens Dienstag gelten. Nach Angaben einer Polizeisprecherin sollte am Montag beraten werden, wann die Menschen in ihre Häuser zurückkehren können. Etwa 80 Prozent der rund 4230 Einwohner hatten zum Wochenende ihr Zuhause verlassen.

Den Höchststand wies die Elbe in der Stadt am Freitag mit 9,88 Meter auf – gut dreimal so hoch wie an normalen Tagen. Am Montagmorgen war der Wasserstand um 10.00 Uhr auf 8,64 Meter gesunken.

Trittin: Mehr Raum für Flüsse

Von der Eisenbahnbrücken-Sperrung in Hämerten betroffen sind die ICE-Strecke Berlin-Hannover-Köln, die ICE-Strecke Berlin-Kassel-Frankfurt/Main und die IC-Strecke Berlin-Amsterdam. Die Züge der Strecke Berlin-Hannover-Köln werden über Wittenberge, Stendal und Wolfsburg umgeleitet. Die Züge der Strecke Berlin-Kassel-Frankfurt/Main fahren über Dessau, Halle (Saale) und Gerstungen.

Im Regionalverkehr entfallen alle Verbindungen zwischen Rathenow und Stendal. Aufgrund des Hochwassers gibt es keinen Busnotverkehr. Im Bereich um Fischbeck sind Abschnitte der Bundesstraßen 107 und 188 gesperrt.

Die Grünen fordern indessen als Konsequenz aus dem Jahrhunderthochwasser die Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen entlang der Flüsse als Überschwemmungsgebiete. „Die Massenevakuierungen von Zehntausenden in Magdeburg zeigen: Immer neue Jahrhunderthochwasser können wir nicht nur mit Deichbauten bekämpfen. Wir benötigen mehr Raum für unsere Flüsse“, sagte Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin der Passauer Neuen Presse.

Straßen in Budapest überflutet

Das Rekord-Hochwasser der Donau hat in Budapest in der Nacht zum Montag einen Höchststand erreicht. Der Pegel in der ungarischen Hauptstadt lag bei 8,91 Metern, berichtete die Nachrichtenagentur MTI. Der bisherige Rekordpegel war 2006 mit 8,60 Metern gemessen worden. Normalerweise erreicht die Donau in der Zeit der Schneeschmelze in den Alpen in Budapest Pegelstände von fünf bis sechs Metern.

Die Schäden hielten sich dank des Einsatzes von Tausenden Helfern, die die Dämme verstärkten, in Grenzen. Auf der Budaer Seite standen einige Straßenzüge unter Wasser, darunter der Batthyany-Platz und der Bem-Kai, wo das Außenministerium seinen Sitz hat.

Die Behörden mussten einige überflutete und unterspülte Straßen sperren. Am Montagmorgen führte dies zu einem Verkehrschaos auf der Budaer Seite der ungarischen Hauptstadt. Das Hochwasser hatte Ungarn Mitte vergangener Woche erreicht. In etlichen Ortschaften entlang der Donau kam es zu Überschwemmungen, Keller wurden geflutet. Menschen wurden bislang nicht verletzt. Nach den letzten Angaben der Behörden wurden 1200 Menschen in Sicherheit gebracht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!