Hitzewellen in Südasien: Hitze verschärft Krisen

In Indien bleiben die Temperaturen auf Rekordniveau. Die Politik setzt auf grüne Technologien, die Menschen retten sich mit Galgenhumor über den Tag.

Ein Mann wäscht sich unter dem Leck einer Wasserleitung

Erlösende Dusche unter dem Leck einer Wasserrohrleitung an einem heißen Tag im Mai in Neu-Delhi Foto: reuters/Adnan Abidi

MUMBAI taz | Wer es sich dieser Tage leisten kann, versucht das Haus in weiten Teilen Indiens nicht zu verlassen. Schon morgens klettert das Thermometer auf rund 30 Grad. Der Rikschafahrer Ram Prasad Tiwar aus Mumbai hat jedoch keine Wahl. Er muss Geld verdienen und wartet in seiner khakifarbenen Uniform auf Kundschaft. Oft kommt nachmittags für ein, zwei Stunden niemand. „Das geht jetzt schon seit zwei Wochen so“, klagt er.

Südasien erlebt seit Tagen eine frühzeitige Hitzewelle an Land und Tiefdruckgebiete über dem Meer, wovon Indien mit am stärksten betroffen ist. In diesem Jahr stiegen die Temperaturen bereits im März deutlich an, so stark wie noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Indien im Jahr 1900. Im April zog sich der besorgniserregende Hitzetrend weiter und nähert sich teilweise der 50-Grad-Marke.

In Teilen Nordindiens gab es zuletzt zwar einige Niederschläge. Doch die Ebenen des Landes haben ihren Jahreshöhepunkt möglicherweise noch nicht erreicht, denn der Sommer steht noch bevor und der abkühlende Monsunregen wird erst nächsten Monat erwartet. Hitzewellen sind für Indien nicht neu, doch sie beginnen sonst erst im Mai und Juni. Hitzewarnungen wurden aber bereits Mitte März veröffentlicht, mit Höchsttemperaturen von bis zu 40 Grad.

„Der Körper kann sich an große Wärme anpassen“, erklärt Pratit Samdani, Facharzt für Innere Medizin vom Breach Candy Krankenhaus in Mumbai. „Schwitzen ist ein Schutzmechanismus.“ Doch zu hohe Temperaturen wirken sich negativ auf den Hypothalamus aus, das Temperaturkontrollsystem unseres Körpers. Sie können das Denkvermögen beeinträchtigen und kosten den Menschen mehr Energie: Schweißdrüsen werden aktiviert, der Blutdruck reguliert und die Blutzufuhr in verschiedenen Organen geregelt.

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Kopfschmerzen, Müdigkeit, Erschöpfung und Krämpfe

Jährlich kommt es zwischen März und Juni zu Hitzetoten. Seit 2016 gibt das Wetteramt Hitzewellenwarnungen heraus. Nach offiziellen Schätzungen starben von 1992 bis 2015 über 24.000 Menschen infolge des Extremwetterereignisses. „Die unmittelbaren Auswirkungen von extremer Hitze sind Kopfschmerzen, Müdigkeit, Erschöpfung und Krämpfe“, so Pratit Samdani.

Auf längere Zeit können hohe Temperaturen Schlaf- wie psychische Störungen, Hautprobleme oder einen Hitzschlag auslösen, der tödlich enden kann. „Vor allem die schnell steigenden Temperaturen sind ein Problem“, ergänzt er. Besonders gefährdet sind Personen, die viel draußen sind, Vorerkrankungen haben und jene, die es nicht gewohnt sind, in der prallen Sonne zu sein.

Bisher hat die westindische Metropole Mumbai in diesem Jahr weniger heiße Tage als die Hauptstadt Delhi im Norden oder Gebiete in Zentralindien mit teils 45 Grad erlebt. In Küstenregionen wie Mumbai ist dafür die Luftfeuchtigkeit hoch. Die gefühlte Temperatur liegt hier mehrere Grad höher. „In Mumbai schwitzt man viel, daher ist es wahrscheinlicher, unter einer Dehydrierung zu leiden“, so Samdani.

In Zentral- und Nordindien ist die Luft dagegen trocken. Diese Gebiete sind aktuell hitzewellengefährdeter. Von einer Hitzewelle ist die Rede, wenn die Temperatur auf über 40 Grad steigt. Das führt zu einer erhöhten Zahl an Krankenhausaufenthalten, überlasteten Gesundheitsdiensten und vermehrten Todesfällen.

Der Klimaforscher Fahad Saeed von der Nichtregierungsorganisation Climate Analytics sieht einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Hitzewelle in Südasien und dem Klimawandel. Laut dem jüngsten Bericht des Weltklimarats (IPCC) führe dieser dazu, dass die derzeitigen hitzewellenartigen Ereignisse noch heißer und häufiger werden.

„Jeder Temperaturanstieg über 1,5 Grad hinaus wird für viele Menschen in Südasien den Untergang bedeuten“, warnt Saeed. Und weiter: Es sei dringend notwendig, die Nutzung fossiler Emissionen sowohl auf globaler als auch auf regionaler Ebene einzuschränken. Ländern wie Indien und Pakistan, die mehrheitlich mit Kohlestrom versorgt werden, dürfte das zwar schwerfallen. Dennoch sei es höchste Zeit, dass die südasiatischen Länder ihre Energiesysteme von fossilen Brennstoffen abkoppelten, meint Saeed.

Erhöhter Stromverbrauch bei geringeren Kohleimporten

Versorgungsprobleme gibt es bereits. Indischen Kraftwerken fehlt der Kohlenachschub, seit Kriegsausbruch kommt es zu Importengpässen. Gleichzeitig steigt der Stromverbrauch für Klimaanlagen, Kühlmaschinen und Ventilatoren. Landesweit kommt es immer wieder zu Stromausfällen, manche Bundesstaaten rationieren den Strom für Fabriken, um der Bevölkerung entgegenzukommen.

Unterdessen kündigte der indische Premierminister Narendra Modi von der hindunationalistischen Volkspartei (BJP) an, mit Deutschland und Dänemark die grüne strategische Partnerschaft auszubauen. Darunter fällt die Zusammenarbeit im Bereich Sonnen- und Windenergie sowie bei grünem Wasserstoff.

Der Politiker Milind Deora aus Mumbai von der säkularen Kongress-Partei (INC) regte zudem am Rande eines Besuchs des indischen Premiers in Europa an, neben der indisch-nordischen Zusammenarbeit in der Arktis auch die Erforschung des Klimawandels auf den Gletschern des Himalajas zu verstärken. Also dort, wo die Erwärmung wesentlich stärker ist als im weltweiten Durchschnitt.

Doch nicht nur Indien ist von der Problematik betroffen. Auch im benachbarten Pakistan ist die Lage wegen der Hitze angespannt. Obwohl das dortige Ministerium für Klimawandel seine Besorgnis zum Ausdruck brachte, wurden laut der pakistanischen Tageszeitung Dawn keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen. Ähnlich wie in Nordindien sind auch in Pakistan die Niederschläge in diesem Jahr stark zurückgegangen. So trocknen die Gewässer und Flüsse schneller aus, gleichzeitig steigt der Wasserverbrauch. Das dürfte die Situation weiter verschärfen.

Trotz all der katastrophalen Vorwarnungen versuchen die Menschen, Humor zu bewahren: In einem Video, das im Internet viral ging, backt eine Frau ihr Fladenbrot angeblich auf einer Motorhaube statt auf einem Gasherd. In Mumbai bringt ein Schild der St.-Michaels-Kirche die Menschen zum Lachen. Darauf steht: „Ich muss mein Leben in den Griff bekommen. Diese verdammte Hitze hat mir klargemacht, dass ich nicht in die Hölle gehen kann.“

Vielleicht kann das von der Sorge ablenken, dass so manche Gegenden durch klimatische Veränderungen in naher Zukunft wohl nicht mehr bewohnbar sein werden.

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