Historische Entscheidung in der Türkei: Hagia Sophia wird wieder Moschee
Das Weltkulturerbe darf laut Gericht zum Gotteshaus für Muslime umgewandelt werden. Präsident Erdoğan will schon bald dort beten lassen.
Mit diesem formalen Akt ist Präsident Recep Tayyip Erdoğan befugt, das Weltkulturerbe wieder in eine Moschee umzuwidmen. Per Dekret hat er noch am Freitag verfügt, dass die Religionsbehörde Dianet die Verwaltung der Hagia Sophia übernehmen soll.
Damit triumphieren nach jahrelangen Debatten die Islamisten und Nationalisten, die seit jeher diese Umwidmung gefordert hatten. 1934 wollte die türkische Republik mit ihrer Entscheidung die Trennung von Staat und Religion verfassungsmäßig verankern und deshalb die frühere Hauptkirche von Byzanz und spätere Sultansmoschee des Osmanischen Reiches Menschen aller Religionen als Museum zugänglich machen. Erdoğan beendet nun dieses wichtige laizistische Erbe.
Die Entscheidung fiel am Freitag nach massivem politischen Druck auf den Staatsrat, der gleichzeitig das oberste Verwaltungsgericht darstellt. Immer wieder hatte Präsident Erdoğan in den letzten Wochen gefordert, die Hagia Sophia müsse wieder ein Ort des Gebets für muslimische Gläubige werden.
Erstes Gebet am 15. Juli
Auf politischen Druck war zuletzt am 29. Mai, Jahrestag der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen 1453, eine Siegessure in der Hagia Sophia gebetet und Erdoğan zu einer landesweiten Ansprache per Video in den Kuppelbau des Museums geschaltet worden.
Die Umwidmung des Museums in eine Moschee soll nun sehr schnell gehen. Mehrfach hatte Erdoğan in den letzten Tagen angekündigt, das erste große Gebet in dem Gebäude solle spätestens am 15. Juli stattfinden, dem Jahrestag des vereitelten Putschversuches von 2016, den der Präsident groß feiern will.
Die Aufhebung des Museumsstatus hat hohe symbolische Bedeutung. Die im 6. Jahrhundert als Hauptkirche der orthodoxen Christen gebaute Hagia Sophia (Kirche der Göttlichen Weisheit) wird seit der Eroberung Konstantinopels von konservativen Muslimen und fundamentalistischen islamischen Eiferern gleichermaßen als wichtigstes Heiligtum nach Mekka und dem Tempeldom in Jerusalem angesehen.
Für sie ist die erneute Umwandlung der ehemaligen Hauptkirche der östlichen Christen in eine Moschee wie die erneute Eroberung Konstantinopels.
Erdoğan macht Türkei zu islamischen Staat
„Zurück ins Mittelalter“ hatte dann auch ein Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche schon im Vorfeld das Bestreben kommentiert. Der in Istanbul residierende spirituelle Führer aller orthodoxen Kirchen weltweit, Bartholomäus I., hatte Erdoğan gewarnt, mit einem solchen Schritt würde er Millionen Christen in aller Welt brüskieren. Auch US-Außenminister Mike Pompeo, die EU-Kommission und ein Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin protestierten bereits im Vorfeld gegen das Vorhaben.
Doch Erdoğan scheint die Kritik gleichgültig zu sein. Es sind nicht nur die fallenden Zustimmungswerte für seine Person und Politik, die ihn neue Wähler unter Islamisten und Nationalisten suchen lässt. Er will auch in die Geschichte eingehen als derjenige Führer der Türkei, der das Land wieder zu einem islamischen Staat gemacht hat. Die Umwidmung des Museums in eine Moschee ist ein großer Schritt in diese Richtung.
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