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Hisbollah-Flagge gezeigtDer Rapper Mo Chara wegen Terrorunterstützung angeklagt

Bei einem Auftritt seiner Band Kneecap soll Mo Chara eine Hisbollah-Flagge gezeigt haben. Mitte Juni muss er vor Gericht erscheinen.

Kneecap-Mitglied „Mo Chara“ heißt mit bürgerlichem Namen Liam Óg Ó hAnnaidh, in London, am 22.Mai.2025 Foto: pa/pa wire/dpa

Mo Chara bedeutet „mein Freund“ auf Irisch. Viele Freunde hat Liam Óg Ó hAnnaidh, wie er mit richtigem Namen heißt, zumindest beim britischen Establishment aber nicht. Am Mittwoch wurde er in England angeklagt, weil er bei einem Konzert seiner Band Kneecap in London eine Hisbollah-Flagge gezeigt haben soll. Da die Schiitenmiliz aus dem Libanon in Großbritannien als Terrororganisation eingestuft ist, wirft man Mo Chara Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor.

Einen Tag später gab Kneecap ein spontanes Konzert im 100 Club im Zentrum Londons. Knee cap bedeutet Kniescheibe, aber auch Knieschuss – eine beliebte Bestrafungsaktion der paramilitärischen Organisationen Nordirlands. Das Konzert war innerhalb von 90 Sekunden ausverkauft, 2.000 Menschen standen auf der Warteliste. Mo Chara kam mit Klebeband über dem Mund auf die Bühne. „14.000 Babys verhungern derzeit in Gaza“, sagte er, „während die von der Welt gesendeten Lebensmittel auf der anderen Seite der Mauer stehen, und wieder einmal konzentriert sich das britische Establishment auf uns. Dies ist ein Karneval der Ablenkung. Anstatt unschuldige Menschen oder die Grundsätze des Völkerrechts zu verteidigen, haben die Mächtigen in Großbritannien dem Abschlachten und der Hungersnot in Gaza Vorschub geleistet, so wie sie es jahrhundertelang in Irland getan haben.“

Mo Chara wurde 1997 in Belfast geboren. Er hat die Hip-Hop-Gruppe Kneecap 2017 zusammen mit Naoise Ó Cairealláin (Móglaí Bap) und JJ Ó Dochartaigh (DJ Próvaí) gegründet. Das Trio rappt vorwiegend auf Irisch, in den Texten geht es um die irische Sprache, Antikolonialismus, Arbeiterjugendkultur in Belfast sowie um die republikanische Bewegung, wobei die Irisch-Republikanische Armee (IRA) durchaus nicht nur positiv wegkommt.

Zu Beginn dieses Jahres schien Kneecap zunächst etwas zahm geworden zu sein. Ihr gleichnamiger Film, ein lärmendes, halbfik­tio­nales Biopic unter der Regie von Rich Peppiatt, gewann beim renommierten British Academy Film Award (Bafta) die Auszeichnung für das herausragendste britische Debüt, während der Versuch der jetzigen Tory-Chefin Kemi Badenoch, einen von der British Phonographic Industry gewährten Zuschuss zu blockieren, vor Gericht abgelehnt wurde.

Band beschuldigte Israel im April des Völkermords

Aber Kneecap waren nicht zahm geworden. Auf der Bühne des Coachella-Festivals in Kalifornien beschuldigte die Band Israel im April des Völkermords. Fox News forderte den Entzug ihrer Visa, und es gab Morddrohungen. Die britische Presse durchforstete alte Videos und fand Clips vom November 2023, die problematische Äußerungen enthielten. „Hoch die Hamas, hoch die Hisbollah“, „Der einzige gute Tory ist ein toter Tory. Tötet euren lokalen Abgeordneten“.

Brendan Cox, der Ehemann der Labour-Abgeordneten Jo Cox, und Katie Amess, die Tochter des konservativen Abgeordneten David Amess, die beide ermordet wurden, kritisierten die Kommentare des Trios. In einer Erklärung teilte die Band mit: „Wir möchten uns bei den Familien Amess und Cox entschuldigen. Wir hatten nie die Absicht, Sie zu verletzen.“ Der Clip sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Mehrere Auftritte der Gruppe wurden abgesagt, darunter in Köln, Berlin und Hamburg.

Mo Chara glaubt, dass die Anzeige zum jetzigen Zeitpunkt ein Ziel verfolgt: ihn vom A­uftritt beim Glastonbury-Festival Ende Juni abzuhalten, seit 1970 eins der wichtigsten ­Musikfestivals weltweit. Am 18. Juni muss er vor dem Westminster Magistrates’ Court erscheinen.

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4 Kommentare

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  • Den vor Gericht gewonnen Zuschuss haben Kneecap an zwei Jugendorganisationen aus dem protestantischen und katholischen Lager verteilt. Im Grunde wissen sie ja wie Frieden funktioniert und dass Nordirland dank Brexit in einer Krise steckt die alle betrifft. Aber Mo weiß auch dass es gegen einen übermächtigen Gegner fast immer ein bewaffneten Widerstand gibt bevor man zum seltenen Frieden finden kann. Ob Hisbollah, IRA, UVF, Israel Shochat paramilitärische Bar-Giora (ein Vor-Vor-Vorläufer der IDF) oder gar Boudica: es scheint fast unvermeidbar Krieg zu führen.



    Zielführend ist nichts davon, auch nicht die Anklage gegen Mo, dass aus UK weiterhin Waffen und Ersatzteile nach Israel gelangen oder Netanjahu von der Absiedelung der Palästinenser redet. Obwohl man doch dank der Gen-Analyse weiß dass Iraels Juden, trotz der langen Diaspora, heute immer noch stärker mit den Palästinenser verwandt sind als mit z.B. Europäern.

    Wie schafft man einen dauerhaften Frieden wo jeder Mensch ein Bürger mit Pass und Staatsangehörigkeit ist und vor dem Gericht die gleichen Rechtsprüche erwarten kann wie jemand mit einer anderen Religion?

  • Aufmüpfige Künstler werden von Politikern gehasst. Mordaufrufe auf der Bühne sind natürlich ein no-go. Ansonsten wird der Gazakrieg gut beschrieben.

  • "Viele Freunde hat Liam Óg Ó hAnnaidh, wie er mit richtigem Namen heißt, zumindest beim britischen Establishment aber nicht."

    Hoffentlich hat jemand die auch sonst nicht, der mit solcher Hetze auftritt:

    „Hoch die Hamas, hoch die Hisbollah“, „Der einzige gute Tory ist ein toter Tory. Tötet euren lokalen Abgeordneten“.

  • Absolut richtig.

    problematische Äußerungen enthielten. „Hoch die Hamas, hoch die Hisbollah“, „Der einzige gute Tory ist ein toter Tory. Tötet euren lokalen Abgeordneten“.

    Wegen dieser "Solidarität" werden dann unschuldige Menschen aufgrund ihrer jüdischen Identität hingerichtet