Hintergrundgespräche im Journalismus: Einer kämpft gegen „Unter drei“
Ein Journalist will über Hintergrundrunden von Geheimdiensten und Bundesregierung schreiben – Gerichte haben mehr Verständnis als Kollegen.
Im März 2017 gab BND-Chef Bruno Kahl dem Spiegel ein aufsehenerregendes Interview. Gefragt, ob der Prediger Fethullah Gülen wirklich hinter dem Putschversuch im Sommer 2016 steckte, sagte Kahl: „Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen.
Das ist ihr aber bislang nicht gelungen.“ Zuvor hatten schon manche Journalisten ähnliche Skepsis geäußert. Tagesspiegel-Redakteur Müller-Neuhof argwöhnte deshalb, dass sie vom BND entsprechend instruiert worden waren, und bat den Nachrichtendienst um Auskunft. Doch der zeigte sich verschlossen und berief sich unter anderem auf den Quellenschutz der betroffenen Journalisten.
Diese Argumentation wies das von Müller-Neuhof angerufene Bundesverwaltungsgericht nun zurück. Auf die Pressefreiheit könnten sich nur Medien und Journalisten berufen, nicht aber ein Geheimdienst. Ob der BND die Journalisten informiert hat, sei „keine geheimhaltungsbedürftige Tatsache“.
Hier gehe es schließlich um „behördliches Informationshandeln“, nicht um die geheime Nachrichten-Beschaffung im Ausland. Der Geheimdienst habe im Verfahren ja selbst eingeräumt, dass er „selektive Informationsvermittlung“ gegenüber Medien betreibe, so die Richter. Ob der BND auch mitteilen muss, welche Informationen er Journalisten konkret zukommen lässt, wird erst im Hauptsacheverfahren entschieden.
Ein erfahrener Kläger
Müller-Neuhof sorgte schon voriges Jahr für Furore, als er das Bundeskanzleramt verklagte. Er wollte wissen, welche Journalisten an vertraulichen Hintergrundrunden mit der Kanzlerin teilnehmen und was ihnen Angela Merkel dabei erzählt. In der ersten Instanz entschied das Verwaltungsgericht Berlin im Eilverfahren, dass Müller-Neuhof einen Anspruch auf solche Auskünfte hat. Das Oberverwaltungsgericht Berlin hob den Beschluss dann aber auf, weil die Sache nicht eilbedürftig sei. Das Hauptsacheverfahren steht noch aus.
Jost Müller-Neuhof, Korrespondent und Justiziar „Tagesspiegel“
Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels und dessen Justiziar. Er verlangt nicht, dass die Kanzlerin auch ihn zu den Hintergrundrunden bittet. „Die Kanzlerin kann nicht hundert Journalisten einladen. Ich verstehe, dass ein offenes Gespräch in lockerer kleiner Runde besser gelingt.“ Aber er will erfahren, welche Botschaften dort gesetzt werden. „Das ist staatliches Informationshandeln, also müssen es auch alle Journalisten erfahren können – zumindest wenn sie sich ebenfalls zu Vertraulichkeit verpflichten.“ Müller-Neuhof will wissen, wie die Regierung heimlich Journalisten „beeinflusst“ und darüber schreiben – im Interesse der Öffentlichkeit.
Vorige Woche war Müller-Neuhof in Berlin auf dem Kongress „Formate des Politischen“ geladen, um seine Thesen vorzustellen. Der Kongress wurde unter anderem vom Deutschlandfunk und der Bundespressekonferenz (dem Verein der Parlamentskorrespondenten) veranstaltet.
Dort löste Müller-Neuhof vor allem Widerspruch aus. Birgit Wentzien, Chefredakteurin des Deutschlandfunks, wandte sich gegen den „Terror der Transparenz“. Tanjev Schultz, früher Journalist der Süddeutschen Zeitung, heute Professor für Journalismus in Mainz, fand es zwar „komisch, wenn Journalisten für Geheimnisse werben“, forderte dann aber auch die Wahrung „geschützter Räume für vertrauliche Gespräche“. Der Vorsitzende der Bundespressekonferenz, Gregor Mayntz, warnte, wenn Müller-Neuhof den Prozess gegen das Kanzleramt gewinne, gäbe es in Berlin bald keine „gut informierten Kreise“ mehr.
Müller-Neuhof hält das für Panikmache. „Politiker haben ein großes Interesse, Journalisten ihre Sicht mitzuteilen, sie werden dafür immer einen Weg finden.“
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