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■ HinterbankNur Mut, Detlef!

Der SPD-Parteichef und designierte Bundestagsabgeordnete brachte das Wort einfach nicht über die Lippen. Detlef Dzembritzki sprach von „Phänomen“ und „Interessenlage“. Einen ganzen Abend lang manövrierte der 55jährige um das Wort schwul herum. Immerhin brachte er den Namen der Gastgeber über die Lippen: Die Schwusos hatten den Parteichef und seinen Gegenkandidaten für das Amt des SPD-Vorsitzenden, Hans-Georg Lorenz (ebenfalls 55 Jahre alt), vor dem Parteitag am 6. Juni zur Kandidatenbefragung in eine Schwulenkneipe eingeladen.

Schnell kam man zur Gretchenfrage: „Detlef, wirst du als Bundestagsabgeordneter die Homo-Ehe unterstützen?“ wollte der Schwuso-Vorsitzende Uli Koch wissen. Zu einem beherzten Ja konnte sich Detlef bei aller erklärten Sympathie für andere Lebensformen nicht durchringen. „Ich bin nicht der Gesetzesfachmann“, verwies der Sozialpädagoge an Rechtsanwalt Lorenz. Doch die Homo-Ehe wollte sich auch der streitbare Jurist nicht auf die Fahne schreiben: „Man muß ehrlich sagen, daß es Dinge gibt, die des Übergangs bedürfen.“ Am Ende müsse die Gleichheit stehen, das kann dann auch Ehe heißen, vertröstete Lorenz. Jedenfalls sei das Thema „für die Berliner SPD nicht einmal mit einem Risiko behaftet“, so Lorenz. „Da braucht man keinen großen Mut.“ Lesben und Schwule seien gar ein „Wahlfaktor erster Güte“.

Wohl wissend, daß die Wiederwahl Dzembritzkis als Parteiboß längst ausgekungelt ist, betätigte sich Lorenz als Politikberater: „Detlef, da kannst du sicher sein, daß du dich nicht auf sumpfiges Gelände begibst.“ Und noch ein guter Rat folgte: „Ich würde es nicht zum Wahlkampfthema machen“, sondern nur im Vorwahlkampf ansprechen. Und weil sich Detlef in Sachen Homo- Ehe immer noch nicht festlegen wollte, sicherte Lorenz gleich für beide zu: „Detlef und ich würden das schon machen.“ Dorothee Winden

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