Hinrichtung in den USA: 15 Minuten Todesqual
Zum ersten Mal wurde in Ohio ein neuer Giftmix für eine Hinrichtung verwendet. Es dauerte über 15 Minuten, bis Dennis McGuire starb.
WASHINGTON taz | Der Todeskampf von Dennis McGuire dauerte mehr als 15 Minuten. Ein Augenzeuge seiner Hinrichtung berichtete anschließend, dass er nach der Injektion die Augen weit aufriss und verdrehte, Brust und Bauch vorwölbte, nach Luft schnappte, röchelte. Und noch mehrere Gesten mit der Hand in Richtung seiner Familie machte. „Oh mein Gott“, stöhnte die anwesende Tochter des Hingerichteten, als er nach 10 Minuten immer noch kämpfte.
Der Bundesstaat Ohio hat für die Hinrichtung am Donnerstag eine nie zuvor in den USA getestete Kombination von zwei Drogen ausprobiert: das sedierende Mittel Midazolam und den mit Morphin verwandten Stoff Hydromorphon. Zuvor war dem Bundesstaat der Vorrat an der Droge ausgegangen, die bislang in einem Dreier-Gemisch zum Töten verwendet wurde.
Das eigentlich für Angstzustände, Schlafstörungen und Epilepsie gedachte Mittel Pentobarbital war seit 2010 in mehreren US-Bundesstaaten für Hinrichtungen verwendet worden. Doch unter dem Eindruck der Proteste von Menschenrechtsgruppen entschied der dänische Pentobarbital-Eigentümer Lundbeck, sein Mittel nicht mehr an Staaten zu verkaufen, die es zum Töten benutzen.
Die Angehörigen von Dennis McGuire wollen den US-Staat Ohio nun verklagen. Sie seien tief bestürzt über die Vorgänge bei der Exekution und gehen von einer Verletzung seiner Grundrechte aus, sagte Anwalt John Paul Rion am Donnerstag. Alle Bürger hätten das Recht darauf, nicht auf grausame und unübliche Weise bestraft zu werden. (ap)
Die Anwälte von McGuire, der wegen Vergewaltigung und Mord der hochschwangeren Joy Stewart im Jahr 1989 zum Tode verurteilt worden war, haben bis zuletzt versucht, die Hinrichtung mit dem unbekannten neuen Drogen-Cocktail zu verhindern. Sie sprachen vorab von dem Risiko, dass ihr Mandant „in Agonie und Terror ersticken“ werde. Und sie machten geltend, dass die Verfassung grausame Strafen verbietet. Doch Staatsanwalt Thomas Madden hielt für den Staat Ohio vor Gericht dagegen, die Verfassung garantiere keinen „bequemen“ Tod.
Ursprünglich wollte der Bundesstaat Ohio das neue Tötungscocktail schon im vergangenen November an einem anderen Mann ausprobieren. Doch als der wegen des Mordes eines dreijährigen Mädchens verurteilte Ronald Phillips anbot, seine Organe zu spenden, verschob Governor John Kasich die Hinrichtung. Ohio ist einer von 32 US-Bundesstaaten, die weiterhin töten. In den Todestrakten des Bundesstaates sitzen gegenwärtig 138 Männer und Frauen.
Der Journalist Andrew Welsh-Huggins, der insgesamt zwölf Hinrichtungen als Reporter beigewohnt hat, erklärte mehrere Stunden nach dem Ende von McGuire in einem Interview, dass er nie einen so langsamen Tod gesehen hat. „Die meisten Verurteilten schlafen ein“, sagte Welsh-Huggins auf Al Jazeera, „heute war es umgekehrt. Der Verurteilte war lang relativ still, dann geriet er für zehn bis zwölf Minuten in Bewegung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken