Hilfe für die Nazi-Verwandtschaft: Schöner wohnen in Hinterriß
Charly Coburg und King George: Wie Englands Adel den deutschen Verwandten half, die NS-Vergangenheit reinzuwaschen. Prinz Charles wird es egal sein.
H interriß ist ein Jagdschloss in Tirol. Der Besitzer, Carl Eduard von Sachsen-Coburg-Gotha (1884–1954), familienintern „Charly“ genannt, nutzte es in den 1920er Jahren, um dort seinen Freund, den Freikorpsführer Hermann Ehrhardt, zu treffen. Ehrhardt war Experte für politische Morde und Hoffnungsträger der radikalen Rechten. Später wechselte Charly von Ehrhardt zu dem neuen Idol Adolf Hitler über.
Die Autorin ist Historikerin an der Universität London. Für die taz schreibt sie die Monatskolumne „Blast From The Past“. Im Ullstein Verlag veröffentlichte sie zuletzt: „Das Buch Alice. Wie die Nazis das Kochbuch meiner Großmutter raubten.“
Hitler wusste sich dafür großzügig zu bedanken. Er zahlte seinem hochadeligen Groupie bis 1945 eine monatliche Apanage von umgerechnet 17.000 Euro. Im Gegenzug erledigte Charly Propagandaarbeit, bot geheime Kanäle zu seiner royalen Verwandtschaft in Großbritannien an und fungierte als NS-Präsident des Deutschen Roten Kreuzes. Der Coburger Historiker Harald Sandner hat gezeigt, wie Charly auch sein Jagdschloss Hinterriß für das Unterhaltungsprogramm des Regimes zur Verfügung stellte.
Die fidelen Jagdpartien endeten erst 1945, als SS-Truppen in Hinterriß einzogen, sie wollten von dort aus weiterkämpfen. Eine typisch hinterrissige Aktion, es blieb nicht die letzte. Was wir bisher nämlich nicht wussten, ist, dass Charlys Verwandtschaft, die britische Royal Family, die schönen Stunden in Hinterriß auch nach dem Krieg nicht missen wollten. Das zeigen jetzt freigegebene Akten des Foreign Office aus den Jahren 1945 bis 1950.
Österreich wurde nach dem Krieg in Besatzungszonen aufgeteilt, und Hinterriß lag in der französischen Zone. Da Charly Deutscher war, standen seine Chancen, das Schloss wiederzubekommen, schlecht. Aber seine englische Schwester war ein hochrangiges Mitglied der Royal Family, seine Tochter Sibylla Kronprinzessin von Schweden.
NS-Charly braucht ein Schloss
Charly erinnerte sich plötzlich daran, dass er 1934 eine Familienstiftung konzipiert hatte, in der diese ausländischen Verwandten eingetragen waren. Sie sollten ihn jetzt aus dem Schlamassel rausholen. Natürlich wusste die Verwandtschaft sehr genau, was Charly alles für die Nationalsozialisten geleistet hatte. Aber das Schloss musste für die Familie gerettet werden.
Der Anwalt König Georgs VI. wurde eingeschaltet, und britische Diplomaten betonten in Hintergrundgesprächen, sie seien besorgt, dass die tapsigen französischen Besatzer die Möbel in Hinterriß demolieren könnten. Die Bemühungen waren erfolgreich. Charly Coburgs Kinder erhielten Hinterriß 1956 tatsächlich in gutem Zustand zurück.
Auch in Deutschland lief es nach dem Fall der Mauer 1989 ausgezeichnet für Charlys Nachkommen. Sie wurden für ihre Besitzungen in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone großzügig entschädigt, obwohl Insider natürlich wussten, dass, Charly den Nationalsozialisten „erheblichen Vorschub“ geleistet hatte.
Heute würde kein britischer Royal mehr Charlys Taten herunterspielen. Aber Schlösser einsammeln bleibt Familientradition. Ein anderer Charles ist deswegen aktuell in Schwierigkeiten. Prinz Charles besitzt bereits ein Schloss in Schottland, aber 2007 kaufte er noch eines in der Gegend, Dumfries House wurde sein sechster Wohnsitz. Er wollte das Gebäude aus dem 18. Jahrhundert vor dem Verfall retten, was ihm auch gelang.
Prinz Charles braucht Geld
Aber dann übertrieb er es bei der Inneneinrichtung, die Kosten für Chippendale-Stühle explodierten. Wie die Sunday Times enthüllte, wurden daraufhin von Charles’ Vertrauten Spenden bei ausländischen Geschäftsleuten eingesammelt, die dringend einen britischen Pass brauchten.
Für eine 200.000-Pfund-Spende (und ein Honorar an die Vertrauten) konnte man mit Charles dinieren, inklusive Foto und Empfehlungsbrief für den Einbürgerungsantrag. Für mehr Geld wurde gar die Ernennung zum Ritter in Aussicht gestellt.
Für viele Briten, die mit Benzinmangel, steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen kämpfen, ist dieser „cash for honours“-Skandal schwer erträglich. Wenn Charles schon auf dubiosen Wegen Geldspenden sammelt, wären sie besser bei seiner Wohltätigkeitsorganisation für arbeitslose Jugendliche aufgehoben. Doch der Kauf von Chippendale-Stühlen scheint derzeit wichtiger.
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