Hilfe für Clubs in Corona-Zeiten: Die Ärzte rücken an
Um Geld für kleine Clubs zu sammeln, streamt die Band Die Ärzte eine Lesung. Kultursenator Lederer denkt über weitere Millionen-Hilfen nach.
Für die Aktion „Halt's Maul und lies!“ präsentieren sich die Musiker in Form einer Literatursendung in Anzügen auf schweren Sesseln sitzend. Ort der Aufzeichnung ist der legendäre Kreuzberger Szene-Club SO36. „Auf dieser Bühne, die so viel Freude uns schon gemacht hat“, wie Bela B zu Beginn des Videos sagt.
„Den Clubs geht es gerade nicht gut, weil die leben davon, dass Leute kommen und Konzerte besuchen“, begründet Farin Urlaub die Aktion. „Wir sind auf Bühnen groß geworden, die sehr klein waren.“ Bands sollten auch in Zukunft diese Möglichkeit haben, deswegen „würden wir gerne, dass ihr den Clubs helft, indem ihr dafür spendet, dass wir was vorlesen“.
Als Ziel streben die Musiker 200.000 Euro an, mit denen Clubs wie Badehaus, Festsaal Kreuzberg, Frannz Club, Gretchen, Privatclub, Schokoladen, Schwuz oder das SO36 unterstützt werden sollen. Das sind Orte, die weniger als 1.000 Zuschauer fassen und regelmäßig Konzerte veranstalten.
Für die Lesung griffen die Ärzte – in diesem Fall ohne ihren dritten Mann Rodrigo Gonzalez – auf „Didi & Stulle“-Comics des Berliner Autors und Zeichners Fil zurück, laut Bela B „unsere gemeinsamen Lieblings-Comics“ vom aus Ärzte-Sicht „lustigsten Mensch des Universums“. Während die zwei Musiker die Dialoge der beiden Comic-Schweine mit verteilten Rollen lesen, werden die Zeichnungen dazu im Video eingeblendet.
Der Senat überlegt laut Lederer, das im Mai aufgelegte Soforthilfeprogramm von 30 Millionen Euro zu verlängern. Dabei geht es um einen Zeitraum von zweimal drei Monaten und ein Gesamtvolumen von 60 Millionen Euro. Der Linken-Politiker sagte am Freitagmorgen im Inforadio des RBB: „Das ist eine realistische Zahl.“
Hilfe auch für kleine Theater und private Museen
Empfänger der Senatshilfe wären unter anderem außer Clubs Varieté-Theater, Einrichtungen der freien Szene, kleine Kinder- und Jugendtheater sowie private Museen. Clubs seien mittlerweile als Kulturorte anerkannt und die Stadt wisse, was sie an ihnen habe, betonte Lederer. „Ich versuche alles zu tun, damit sie überleben, aber ich kann natürlich keine Garantie abgeben.“
Ausdrücklich unterstützte der Senator einen Vorstoß der Linksfraktion im Bundestag, ein Gewerbemietrecht einzuführen, das Kulturschaffenden einen Teil der Miete erlässt und ihnen notfalls Hilfen vom Bund ermöglich. Diese Idee sei „sehr, sehr sinnvoll“, kommentierte Lederer. Denn während etwa die Clubs derzeit keine eigenen Einnahmen hätten, liefen die vertraglichen Vereinbarungen weiter und die so angesammelten Schulden hingen ihnen „wie ein Mühlstein um den Hals“.
Das Soforthilfeprogramm für Clubs und kleinere Veranstalter dient Lederer zufolge der Liquiditätssicherung, um Insolvenzen zu vermeiden. „Da laufen im Moment die Auszahlungen.“ Es gelte, eine längere Durststrecke zu überwinden. „Wenn wir jetzt nicht helfen, dann stehen wir am Ende mit einer sehr, sehr armen Kulturlandschaft da.“ Wegen der Corona-Risiken in Innenräumen werde das Clubleben voraussichtlich noch lange ruhen. Und Festivals würden vermutlich nicht mehr in diesem Jahr stattfinden können.
Senat will Clubs als Kulturgut anerkennen
Der Dachverband der Clubs begrüßte die Bestätigung als Kulturbetrieb. „Wir kuratieren unsere Programme genauso wie Opernhäuser oder Theater und sind daher ebenso Kulturbetriebe“, sagte die Vorsitzende der Clubcommission, Pamela Schobeß. „Ganz besonders freuen wir uns auch über die geplante Bundesratsinitiative, bei der sich Berlin für eine Reform der Baunutzungsverordnung und für die Anerkennung von Clubs auf Bundesebene einsetzen wird.“
Noch ist nach Angaben des Verbands unklar, wann Clubs wieder öffnen können. Open-Air-Flächen würden bereits von einigen Clubs als Biergärten genutzt. Tanzveranstaltungen sind demnach aber weiter nicht erlaubt – auch nicht unter freiem Himmel. „Hier würden wir begrüßen, wenn kleinere Musikveranstaltungen unter Wahrung der Abstandsregelung durchzuführen wären.“ In geschlossenen Räumen sei das allerdings aus wirtschaftlichen und ästhetischen Gründen für die Berliner Clubs ausgeschlossen. Heißt: Mit Abstand tanzen geht drinnen einfach nicht.
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