Hickhack um die Promotion: "Wandern die Guten ab, leiden alle"
Wenn auch nicht-universitäre Institute Doktortitel vergeben, wandert der Spitzen-Nachwuchs dorthin ab, meint Reinhard Hüttl, Vizepräsident der Akademie der Technikwissenschaften.
REINHARD HÜTTL, 50, leitet das Geoforschungszentrum Potsdam, ist Vizechef der Akademie für Technikwissenschaften.
taz: Was würde es bedeuten, wenn das Promotionsrecht von den Unis an andere Einrichtungen verlegt wird?
Reinhard Hüttl: Das Promotionsrecht ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal der Universitäten. Eine Erweiterung auf außeruniversitäre Institute hätte zur Folge, dass die Doktoranden verstärkt an diese Institute abwandern. Den Hochschulen würden in der Folge weitere Gelder für die Forschung entzogen. Das Forschungspotenzial der Unis würde weiter geschwächt. Auf lange Sicht würde sicher die Zahl der guten Forscher an den Hochschulen abnehmen.
Warum ist exzellenter Nachwuchs so wichtig für die Unis?
Der Nachwuchs führt die eigentliche Forschungsarbeit durch, er bringt kontinuierlich neue Ideen ein. Wenn eine Hochschule da gute Leute hat, ist sie in der Wissenschaftslandschaft sichtbar. Das ist sehr wichtig, weil mittlerweile viele Gelder über Wettbewerb vergeben werden. Kann sie im Kampf um Drittmittel nicht mehr punkten, beginnt eine Spirale nach unten. Dann nimmt die Qualität der Forschung weiter ab, und es kommen keine guten Nachwuchsforscher mehr nach.
Bringt es den DoktorandInnen denn nichts, wenn sie - wie in der Exzellenzinitiative gemacht - in Graduiertenkollegs gemeinsam promovieren?
In Doktorandenprogrammen geht es ja um was anderes: um soft skills wie wissenschaftliches Schreiben und Managementfähigkeiten, um gute wissenschaftliche Arbeit und Seminare, ein Betreuungsteam und ähnliche Aspekte. Das machen beispielsweise die Research Schools der Max-Planck-Gesellschaft heute schon. Das hat aber nichts mit dem Promotionsrecht zu tun: Die Urkunde vergibt weiterhin die Hochschule.
Wie würde sich die Forschungslandschaft ändern, wenn es ein Promotionsrecht für die anderen Institute gäbe?
Die Forschung an den Hochschulen würde geschwächt, die Ausbildung an den Universitäten würde sich verschlechtern, weil dort weniger neues Wissen eigenständig erarbeitet wird. Darunter würde besonders die Masse der Studierenden leiden. Es hätte aber auch Auswirkungen auf die Elite. Denn sie zieht ja ihren Nachwuchs, ihre brain power, aus der Masse. Ich halte es daher für sehr wichtig, die jungen Leute an den Hochschulen bestmöglich auszubilden. Wir brauchen in Deutschland die Breite in der Ausbildung.
Was halten Sie von den "strategischen Partnerschaften", in denen sich Universitäten und außeruniversitäre Forschungsinstitute wie zum Beispiel die Max-Planck-Gesellschaft zusammentun?
Wichtig dabei ist, dass die Universitäten als Zentren der Nachwuchsförderung erhalten bleiben. Ich sehe keine Notwendigkeit dafür, bei diesem Prozess das Promotionsrecht auf Forscher außeruniversitärer Einrichtungen auszudehnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku