Hetze im Internet: Was Politiker an Hass erleben
Jede*r zweite kommunalpolitisch Engagierte war schon mit digitaler Gewalt konfrontiert. Ein Viertel der Beschäftigen mussten Übergriffe erdulden.
D er niedersächsische Ministerpräsident ist nicht mehr bei Twitter. Anfang dieser Woche sagte Stephan Weil (SPD) auf dem Kurznachrichtendienst „Tschüss, Twitter!“. „Fehlende Kontrolle & mangelnde Verifizierung führen zunehmend zur Verbreitung von Hass & Hetze“, schrieb Weil: „Da muss ich nicht dabei sein“. Der offizielle Account der Landesregierung wurde ebenso gelöscht.
Seitdem Elon Musk Twitter übernommen hat, haben einige Politiker*innen ihren Rückzug angekündigt. Die virtuelle Hetze hat aber nicht erst mit der Übernahme eine neue Qualität erreicht. Schon lange zuvor waren gerade Kommunalpolitiker*innen – auch offline – massiv beleidigt und bedroht wurden.
Die Zahl der politisch motivierten Straftaten gegen kommunale Amtsträger*innen erhöhte sich 2021 laut Polizeistatistik auf 1.161 Fälle – ein Anstieg von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Jede*r zweite kommunalpolitisch Engagierte erlebte schon digitale Gewalt, ein Viertel der kommunal Beschäftigen haben Übergriffe erleben müssen.
Am vergangenen Mittwoch diskutierten Betroffene im Verdener Rathaus über diese besondere Situation. Zu dem Fachtag hatte die Bundeszentrale für politische Bildung und „Plan KiK – Kooperativ in der Kommune“ eingeladen. Bei der Podiumsdiskussion waren sich Verdens Bürgermeister Lutz Brockmann (SPD), Nienburgs Bürgermeister Jan Wendorf (parteilos) sowie die Kommunalpolitikerinnen Barbara Weißenborn (CDU) und Heidrun Kuhlmann (SPD) einig: Sie knicken nicht ein.
Ton ist rauer geworden
„Es gibt keine Entschuldigung für Hass und Hetze“, betonte Brockmann. Zwei Wendepunkte machte Wendorf aus: die Debatte um Geflüchtete 2015 und die Diskussion um die Maßnahmen gegen die Coronapandemie 2020.
Der politische Streit und das Ringen um Kompromisse seien wichtig gewesen, warf Weißenborn ein. Doch der Ton sei rauer geworden, oft könne man sein Gegenüber nicht mehr mit Argumenten erreichen, sagte die CDU-Politikerin. Sie wies mit Kuhlmann aber auch darauf hin, dass besonders Frauen verstärkt Bedrohungen erfahren.
Neben strafbaren Handlungen gebe es oft niederschwellige Versuche der Einschüchterung, führte Polizeidirektorin Antje Schlichtmann aus. „Mit Sprache fängt es an, dann folgen Taten“, gab sie zu bedenken und versicherte, dass die Polizei jeden Vorfall ernst nehme. Schlichtmann verwies auf die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Göttingen. Sie soll die Strafverfolgung verbessern.
Jan Krieger von der Mobilen Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus erinnerte an die Dunkelziffer und betonte, dass „verdächtige Mails“ in der Verwaltung zentral gesammelt und von einer Person mit juristischen Fachkenntnissen ausgewertet werden, bevor sie an die Strafverfolgungsbehörden übergeben werden. Ein solches Monitoring sei wichtig, um das Dunkelfeld zu erhellen.
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