Hetze an der serbischen Grenze: Rechter Mob auf Ausländerjagd
Anhänger der rechtsextremen Partei Jobbik versuchen Flüchtlinge vom Grenzübertritt abzuhalten. Das tun sie mit Gewalt.
Verängstigt ergreifen die etwa zwei Dutzend Männer, Frauen und Kinder, die gerade die Grenze passiert haben, die Flucht. Sie rennen auf dem Bahngleis davon, das sie soeben ins Land geführt hat. Die Schienen sind das Loch im Stacheldraht, den Ungarn auf 175 Kilometern an der Grenze zu seinem Nachbarland hochgezogen hat.
Etwas mehr als eine Stunde zuvor haben sich die Rechten im nahe gelegenen Ort Röszek versammelt. Dazu aufgerufen hat die völkisch-nationalistische Partei Jobbik, die laut aktuellen Umfragen mit 20 Prozent zweitstärkste Partei des Landes ist.
Es sind Menschen aller Altersgruppen zusammengekommen, unauffällige ebenso wie stiernackige Männer mit Glatzen. Einer hat den SS-Totenkopf auf den Hals tätowiert, ein anderer eine tellergroße schwarze Sonne auf den Unterarm. Vor einem Eiscafé stehen zehn Männer in Uniform stramm: schwere Stiefel, schwarze Hosen und Westen, weiße Hemden. Sie gehören zur „Magyarischen Selbstverteidigungsbewegung“, dem paramilitärischen Arm der Jobbik-Partei.
Keinen Weg zurück
Im Dreiviertelkreis stehen die Demonstranten um ihren Parteichef Vona Gábor herum, ein jugendlich wirkender Enddreißiger mit ernstem Blick. Er fordert, die Armee an die Grenze zu beordern – bewaffnet mit Tränengas und Gummigeschossen. Nur so lasse sich seine zentrale Kampfparole in die Tat umsetzen: „Ungarn den Ungarn“. Die Menge johlt. Nach drei Reden singen die Anwesenden die Nationalhymne, bevor sie sich in Dreierreihen aufstellen. Gemeinsam wollen sie zur Grenze, um das letzte Nadelöhr zu schließen. Kein Flüchtling soll Ungarn mehr erreichen können.
Bis zum Abend haben Hunderte Flüchtlinge die Grenzsteine an der Bahntrasse passiert. Am frühen Nachmittag bahnt sich unter dem Blick zweier Polizisten ein unaufhörlicher Tross seinen Weg durch die flirrende Hitze. Auf den Gleisen steht ein junger Mann, in jeder Hand einen Achterpack Mineralwasser. Mit dem Herausgeben kommt er kaum hinterher. Seit Wochen sind Freiwillige der lokalen Hilfsorganisation hier im Einsatz.
Wer nicht rechtzeitig in die verblühten Sonnenblumenfelder abtaucht, landet ein paar hundert Meter weiter in einer Sammelstelle der Polizei. Auf dem abgegrenzten Areal stehen ein paar Müllcontainer und Dixi-Toiletten, Polizisten verteilen Wasserflaschen und belegte Toastbrote.
Unter einem Schatten spendenden Pavillon sitzt ein Mann mit nervösem Blick. Seine beiden Töchter müssen ihn stützen. Wegen einer Fußverletzung kann er kaum auftreten. Ihre Fluchtroute ist die, die fast alle hier genommen haben: Syrien, Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn. Doch es soll weitergehen. Der schmächtige Mann will es bis nach Deutschland schaffen. Plötzlich füllen sich seine Augen mit Tränen. Er sei nicht wirklich aus Syrien, erklärt er. Seine Töchter und er seien aus dem Irak geflohen, doch die Chance auf Asyl sei für Syrer größer. Für ihn und die anderen, die alle sagen, sie seien aus Damaskus, Dar’ā oder Aleppo, gibt es keinen Weg zurück.
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