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Henrik Siebolds Krimi „Schattenkrieger“ Packender Thriller mit Zen-Faktor

Der Hamburger Krimi-Autor verzwirbelt Geheimdienstler, einen Ex-Afghanistan-Soldaten und einem „Gefährder“. Dazu reicht er er eine Prise Zen-Weisheit.

Schauplatz krimineller Machenschaften: Hamburgs Hafenviertel Foto: Georg Wendt/dpa

Es beginnt ganz harmlos in einer Curry­wurstbude in Hamburg-St. Pauli. Da wird gelacht, geschwatzt, gestritten, es ist ein bunter Mix von Menschen aus dem Milieu. Nur einer passt nicht recht hinein: Budenbesitzer Manuel. Er grillt, rührt und werkelt so konzentriert, als sei es eine Meditation. Schweigsam und undurchschaubar ist er, aber auch geradlinig; die Leute mögen ihn.

Kaum hat man sich an ihn gewöhnt in Henrik Siebolds Thriller „Schattenkrieger“, hat sich quasi mit in die Kneipe gesetzt, ist man plötzlich im Afghanistan des Jahres 2012: Ein Trupp deutscher Elitesoldaten schleicht durchs Gebirge, um im Auftrag der USA ein Taliban-Gehöft zu stürmen. Töten ist ihr Metier, es ist Routine geworden. Sie erreichen das Gehöft, Auftrag fast erfüllt, da fallen US-Bomben – auf Taliban und deutsche Soldaten. Kollateralschaden halt.

So läuft das Spiel, das weiß auch der einzige überlebende Soldat, der schon länger am Sinn des Mordens zweifelt. Jetzt findet er sich in Taliban-Gefangenschaft wieder, liegt monatelang in einer Hütte und fragt sich, warum er noch lebt. Irgendwann hört er auf zu warten, lebt im Jetzt, und das lässt ihn psychisch überleben. Offiziell gilt er als tot. Ein idealer, weil im Zweifel von niemandem vermisster Kandidat für Tötungseinsätze des US-Geheimdienstes. Man bringt (und zwingt) ihn zum Training in eine Basis in Japan. Der Deutsche flieht, lernt die Japanerin Yuko kennen, gerät in die Fänge der Yakuza, der japanischen Mafia, eignet sich Kampfkunst und die des spurlosen Tötens an. Aber eigentlich will er damit ja längst aufhören, will ein friedliches Leben mit Yuko. Aber die Spirale läuft: Die Mafia tötet seine Freundin, der US-Dienst stöbert ihn auf und zwingt ihn wieder in seine Kreise.

Zur Tarnung in die Currywurstbude

Neues Land, neue Identität; er entscheidet sich für: Manuel, Currywurstbudenbesitzer. So weben sich endliche die beiden Handlungsstränge, schon länger aufeinander zustrebend, ineinander. Und man begreift: Manuel ist eine Art „Schläfer“, soll auf Zuruf morden. Zunächst einen türkischen islamistischen Gefährder in Hamburg. Auftraggeberin ist eine inoffizielle Unterabteilung des deutschen Geheimdienstes, der Gefährder, die noch kein Attentat verübt haben, nicht festnehmen mag. Nun denn, Manuel tötet den Mann, findet bei ihm aber nicht die Dokumente, die der Geheimdienst dort vermutete.

Henrik Siebold, „Schattenkrieger“. Aufbau-Verlag, Berlin 2022, 381 S., 12,99 Euro. E-Book 9,99 Euro.

Lesung auf dem Krimifestival Hamburg: Mi, 8. 11., 20.30 Uhr, Kampnagel

Von da an läuft alles schief: Manuel wird verraten, soll die Stadt verlassen, um seiner Verhaftung zu entgehen. Der deutsche Geheimdienst schützt ihn nicht, scheint gar mit dem amerikanischen verknüpft. Oder überkreuz? Manuel traut keinem mehr. Seine Recherche im türkischen Rockermilieu führt zum nächsten, diesmal dem türkischen Auslandsdienst, und alle wollen jene Dokumente. Beziehungsweise sie wollen in Wahrheit illegales, irgendwo deponiertes Geld. Denn der angebliche Gefährder war gar keiner, aber er musste weg, damit andere an seine Millionen kamen. Wo die aber sind, weiß nun niemand.

Manuel ist jetzt nicht mehr Handlanger. Er ermittelt auf eigene Faust, er sucht und findet auch. Aber es bleibt gefährlich: Fast bringt ihn noch der Ziehsohn seiner Hamburger Geliebten um. Fast? Man weiß es nicht. Es folgt eine ausführliche Beerdigung mit den alten Kneipenfreunden, gehüllt in Edelzwirn, angereist mit Luxus-Limousinen. Sind wohl plötzlich reich geworden.

Das letzte Kapitel beschreibt, fast scheinheilig, dann das unspektakuläre Leben dreier Deutscher, die bei Tokio eine Currywurstbude betreiben: „Es schien, als hätte die ganze Familie erkannt, dass Glück aus der bedingungslosen Hingabe ans eigene Tun resultierte. Diese Hingabe machte das Selbst klein, sodass die Zufriedenheit groß werden konnte.“ Und so endet der packende Thriller des Hamburger Japan-Kenners Siebold, der auch die Krimis um den japanischen Inspektor Takeda erfand, mit einer Prise zen-buddhistischer Weisheit, von der man sich eine Scheibe abschneiden möchte. Vielleicht auch zwei.

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