Straßburger Richter zu Kundus-Angriff: Nicht völlig vergebens

Die juristische Aufarbeitung des tödlichen Nato-Angriffs in Kundus hat den Opferangehörigen nichts genutzt. Den Menschenrechten aber sehr wohl.

Ein Bundeswehrsoldat bei einem Einsatz in der Provinz Kundus im April 2009 wird von einem Hügel aus von Dorfbewohnern beobachter

Ein Bundeswehrsoldat in der Provinz Kundus im Nordosten von Afghanistans im April 2009 Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

Der Vorfall scheint schon sehr, sehr lange her. Der deutsche Oberst Klein hatte 2009 einen verhängnisvollen Luftschlag nahe der afghanischen Stadt Kundus angeordnet, bei dem Dutzende ZivilistInnen starben, darunter viele Kinder. Zwölf Jahre lang versuchten die Angehörigen der Opfer die Strafverfolgung von Oberst Klein zu erreichen und Schadenersatz zu erhalten.

Doch am Ende stehen sie fast mit leeren Händen da. Denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Deutschland bescheinigt, bei der strafrechtlichen Aufarbeitung korrekt agiert zu haben. Oberst Klein ist jetzt General und finanziell haben die Angehörigen der Opfer nicht mehr erhalten, als die schon kurz nach dem Anschlag bezahlte Summe von 5.000 Dollar pro Familie. Die Bundesregierung hat sich bei den Opferangehörigen bis heute nicht persönlich entschuldigt.

Aber der Einsatz im fernen Deutschland war nicht völlig vergebens. Aus menschenrechtlicher Sicht gibt es Lichtblicke. Bei der strafrechtlichen Aufarbeitung hat der Europäische Gerichtshof bekräftigt, dass er auch für Vorgänge weit entfernt von Europa zuständig sein kann – wenn Truppen der europäischen Staaten mögliche Kriegsverbrechen begehen und diese aufzuklären sind.

Die Bundesregierung hatte das im Straßburger Prozess bestritten. Zudem warnten Nato-Partner wie Großbritannien und Frankreich, die Straßburger Kontrolle könne die Bereitschaft zur Beteiligung an internationalen Friedensmissionen senken. Doch Straßburg ließ sich nicht beirren. Auch im Ausland müssen die Menschenrechte beachtet und richterlich beschützt werden.

Noch größer ist der Erfolg im zivilrechtlichen Teil der Aufarbeitung. Im Dezember stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass es durchaus möglich ist, Entschädigung für „Amtspflichtverletzungen“ zu erhalten, die deutschen Soldaten im Ausland begingen – auch wenn im Fall von Oberst Klein keine solche Pflichtverletzung erkannt wurde. Das sind menschenrechtliche Erfolge, die bleiben.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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