Helpling-Gründer Benedikt Franke: „Wir bekämpfen den Schwarzmarkt“
Die Plattform Helpling vermittelt Putzkräfte. Eine Sozialversicherung bekommen die Dienstleister nicht – schließlich sei er kein Arbeitgeber, sagt Gründer Franke.
taz: Herr Franke, es ist jetzt 15 Uhr. Wie viel Geld haben Sie heute schon verdient?
Benedikt Franke: Ich könnte Ihnen das sagen, tue es aber nicht. Doch Sie haben recht: Das Praktische an einem Online-Business ist, wir wissen zu jedem Zeitpunkt, wie viel an welchem Ort umgesetzt wird.
Sie sind Gründer eines der schillerndsten Start-up-Unternehmen Deutschlands. Es gibt etwa 10.000 Reinigungskräfte bei Helpling, richtig?
Ja, die Zahl liegt in dem Bereich.
Wenn alle etwa zwei Stunden am Tag arbeiten, kommen Sie auf einen Umsatz von rund 1,1 Millionen Euro im Monat.
Wir veröffentlichen keine Umsatzzahlen. Aber das ist eine gute Schätzung.
Lassen Sie uns über Verantwortung reden. Wer sich über Helpling vermitteln lässt, unterliegt einer exakten Leistungsbewertung. Die Reinigungskräfte werden auf Ihrer Plattform mit Sternchen bewertet.
Wir nutzen die Bewertungen, um herauszufinden, wie zufrieden Kunden mit einzelnen Dienstleistern sind. Gleichzeitig ermöglicht die Bewertung den Reinigungskräften eine Rückmeldung zu ihrer Arbeit. Wir nehmen negative Bewertungen aber zum Anlass, mit beiden Seiten zu sprechen. Es gibt keine Diktatur der Sterne.
Warum wollen Sie als Unternehmen keine Verantwortung für die soziale Absicherung derjenigen übernehmen, die die Arbeit machen, die man bei Ihnen buchen kann?
Weil es die Komplexität der Situation nicht zulässt. Doch wenn wir durch technische Entwicklung ohne weitere Kosten und ohne Aufwand ein Modell finden würden, dass Privathaushalte die Leute auch in diesem Bereich direkt anstellen könnten, wäre das natürlich der Traum. Heute ist die einzige legale Alternative für die Beziehung zwischen Kunde und Dienstleister in den meisten Fällen die Selbstständigkeit.
Jahrgang 1983, ist neben Philip Huffmann Mitgründer und Geschäftsführer von Helpling. Nach dem Studium in Bayreuth und London arbeitete er für die Boston Consulting Group in Hamburg, bevor er 2009 zu Rocket Internet stieß.
Sie würden also gern Leute anstellen, ohne Arbeitgeberpflichten zu erfüllen. Solange das nicht geht, sind Ihre Dienstleister*innen selbstständig. Sie zahlen keine Sozialabgaben, kein Urlaubsgeld oder Ersatz, wenn jemand krank wird. Sie tun alles, um zu vermeiden, für einen Arbeitgeber gehalten zu werden.
Weil wir kein Arbeitgeber sind. Unser Angebot führt zu einem Kundenverhältnis zwischen denjenigen, die eine Leistung anbieten, und denjenigen, die die Leistung in Anspruch nehmen. Wir vermitteln zwischen ihnen. Diese Vermittlung hat für alle Seiten einen finanziellen und übrigens auch einen gesellschaftlichen Wert.
Früher war es verschrien, wenn Unternehmen keine Verantwortung für die soziale Absicherung von Arbeitnehmern übernahmen. Heute ist das, was manche als Plattformökonomie bezeichnen, das beste Erfolgsmodell für hohe Gewinnmargen von smarten Unternehmern wie Ihnen, die sich damit herausreden, nur zu vermitteln.
Mit Verlaub: Sie sehen das zu eindimensional. Wir sind ja nicht die, die auf einem Zauberberg im Silicon Valley leben. Wir sind Teil der deutschen Gesellschaft. Ich glaube, wir teilen mit vielen eine gemeinsame Zielvorstellung: Wie können wir die Chancen von Technologie nutzen und dabei Errungenschaften wie die soziale Sicherung erhalten? Natürlich müssen wir darüber reden, welche gesellschaftlichen Auswirkungen verschiedene Geschäftsmodelle haben. Aber wir müssen diese Diskussionen auch sachlich führen. Bei der Plattform-Ökonomie geht es zunächst einfach darum, Technologien zu nutzen, um Kosten zu reduzieren. Die Menschen sollen direkt miteinander zusammenarbeiten, ohne einen aufgeblähten Verwaltungsapparat. Das ist die Grundidee.
Die Grundidee ist aber etwas anderes als die Konsequenz, die daraus entsteht.
Sie haben ja recht damit, dass etwa die Solo-Selbstständigkeit durch die Plattform-Ökonomie nun sichtbarer wird. Das ist eine Erwerbstätigkeit, die besonders schwer Zugang zu den sozialen Sicherungssystemen erhält. Deswegen werden wir häufig mit solchen Vorwürfen konfrontiert. Aber zu Unrecht. Wir haben das Problem doch nicht erst geschaffen. Im Gegenteil: Wir leisten unseren Beitrag dazu, die Arbeitsbedingungen in diesem Sektor transparenter und damit besser zu gestalten.
Wie das denn?
Jeder, der Vollzeit als abhängig Beschäftigter in der Dienstleistungsbranche tätig sein will, kann morgen irgendwo anfangen. Wir spezialisieren uns mit Helpling auf den Markt für haushaltsnahe Dienstleistungen. Dieser Markt ist heute zu 80 Prozent ein Schwarzmarkt. Sie kritisieren, dass wir nicht als Arbeitgeber auftreten. Wir holen aber mit unserem Angebot Tausende Menschen aus der Schwarzarbeit und legalisieren ihre Arbeitsverhältnisse. Das hat vor uns in diesem Ausmaß noch niemand geschafft.
Wie viele Menschen arbeiten wegen Ihnen nicht mehr schwarz?
Wir wissen, dass über die Hälfte derjenigen, die Helpling nutzen, vorher auf dem Schwarzmarkt tätig waren.
Was das ist: Plattformen bringen auf Webseiten oder per App Angebot und Nachfrage für Dienstleistungen zusammen. Das soll kosteneffizient und serviceorientiert sein, kann die Anbieter*innen aber in prekäre Arbeitsverhältnisse bringen.
Plattformen: Über Helpling können legal Haushaltshilfen und andere Serviceleistungen gebucht werden. Die Dienstleister werden von den Kunden bewertet und sind vom Unternehmen haftpflichtversichert. Helpling wurde 2014 gegründet und ist ein Teil des Rocket-Internet-Imperiums. Neben Helpling gibt es außerdem diese international erfolgreichen Plattformen: Airbnb vermittelt Ferienwohnungen, Uber schickt selbstständige Taxifahrer, auf Clickworker kriegt man Texte zu Dumpingpreisen.
Wenn der Schwarzmarkt Ihr großer Gegner ist: Ist Ihr Unternehmen dann sozial?
Nein, das würde ich nicht sagen. Aber dem Schwarzmarkt ein konkurrenzfähiges Angebot entgegenzustellen hat, denke ich, gesellschaftlich sehr positive Folgen. Es gibt auch eine Umkehrung der Machtverhältnisse für die Reinigungskräfte, die wir vermitteln und für die wir eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben. Vor Helpling waren sie, losgelöst von jeglichen Schutzrechten, auf dem Schwarzmarkt unterwegs. Sie waren in einer Abhängigkeitsbeziehung von einzelnen Kunden. Über unsere Plattform bekommen sie Entscheidungsfreiheit. Das führt doch immerhin zu einer gewissen Souveränität und klaren Regeln.
Dann lassen Sie uns über diese Regeln sprechen. Sie nehmen eine Vermittlungskommission von rund 20 Prozent für jede geleistete Arbeitsstunde. Dabei programmieren Sie im Prinzip nur die App und machen Werbung. Wie viel bleibt den Putzkräften von Ihren Stundenlöhnen übrig, so 8 bis 9 Euro?
Das hängt davon ab, was für eine Steuerklasse eine Person hat, ob sie Krankenversicherung zahlen muss, ob sie mehrwertsteuerpflichtig ist. Sehr viele Leute, die Helpling nutzen, machen das als Nebentätigkeit. In den meisten Fällen liegt das Nettoeinkommen 2 bis 3 Euro über der von Ihnen genannten Zahl.
Sie legen Wert darauf, nicht für einen Arbeitgeber gehalten zu werden. Wenn Sie nur vermitteln, warum haben Sie dann einen Stundenlohn festgesetzt, dem sich alle beugen müssen?
Wir wollen nicht, dass es einen Wettbewerb der Preisuntergrenzen gibt. Was wir mit Sicherheit nie machen werden, ist, die Preise nach unten freizugeben. Der Festpreis wird momentan sehr geschätzt.
Der könnte also auch einfach zwei Euro höher sein?
Von uns aus gerne, wenn es dem Markt entspricht. Es ist doch so: Was die Preisstruktur angeht, haben wir deckungsgleiche Interessen mit den Dienstleistern, die wir vermitteln. Wir wollen natürlich, dass das Volumen, das über unsere Plattform abgewickelt wird, so hoch ist wie möglich. Auch deshalb haben wir die Preise im Jahr 2016 deutlich angehoben, allerdings abhängig von der Region. In München wird vom Kunden ein Preis von 18,50 Euro pro Stunde gezahlt, in Hamburg 15,90 Euro und in Berlin 13,90 Euro. Helpling ist langfristig nur konkurrenzfähig, wenn wir den Reinigungskräften und Dienstleistern das beste Angebot machen.
Was Sie von anderen in der Branche unterscheidet, ist, dass Sie sehr offen darüber reden.
Das hat auch einen Grund. Wir haben ähnliche Interessen wie ein Großteil der Gesellschaft. Und wir haben das Gefühl, es gibt für die von uns vermittelten Dienstleister kein Sprachrohr. Auch deswegen gibt es ja einen relativ geringen politischen Handlungswillen, sich dieser Situation anzunehmen.
Was müsste denn politisch passieren, wenn es nach Ihnen ginge?
Solo-Selbstständige mit geringem Einkommen sind von zwei Themen betroffen: Sie haben besonders hohe Kosten für soziale Sicherung, und gleichzeitig haben sie keine hohen Ansprüche. Es muss, denke ich, zu einer gesellschaftlichen Aufwertung ihrer Leistungen kommen. Solo-Selbständige müssen ordentlichen Zugang zur Sozialversicherung erhalten.
Nur dass Sie als Unternehmer damit nichts zu tun haben wollen. Den Zugang zur Sozialversicherung müsste also der Staat bezuschussen. Wie rechtfertigen Sie das?
Die zentrale Frage ist für mich, ob die Bekämpfung des Schwarzmarkts das rechtfertigt. Ich denke, schon.
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