HeidelbergCement in Indonesien: Lebensprinzip vs. Zementfabrik
Eine indonesische Bäuerin wirft dem deutschen Konzern HeidelbergCement vor, ein wichtiges Ökosystem auf ihrer Heimatinsel Java zu zerstören.
Die Aktivistin gehört zu den Sedulur Sikep, was übersetzt die „freundlich Gesinnten“ bedeutet. Die Bäuer*innen leben am Fuß des Kendeng-Gebirges, einer natürlichen Karstlandschaft, die sie und ihre Felder mit Wasser versorgt. Das komplexe Ökosystem speichert Regenwasser und Kohlendioxid, es beherbergt Höhlen, Quellen und unterirdische Flüsse. Genau dort plant die Firma Indocement, die im Mehrheitsbesitz von HeidelbergCement ist, den Bau einer Zementfabrik.
Aufgrund ihrer besonderen ökologischen Eigenschaften stehen Karstgebiete in Indonesien eigentlich unter Schutz. Aber 2010 gab die Regierung rund 5.000 Hektar der Karstregion in Pati für die Industrie frei. Dort will Indocement nun Kalkstein abbauen, den es für die Zementherstellung braucht.
„Für uns ist die Landwirtschaft nicht nur unsere Einkommensquelle, sondern ein Lebensprinzip“, sagt Gunarti. „Wenn wir keine Bauern mehr sind, sind wir keine Sedulur Sikep mehr.“ Das Unternehmen übe Druck aus und spalte damit die Gemeinden: Einige würden sich durchaus verlocken lassen, Land zu verkaufen, andere wollen das auf keinen Fall. Die Gegner*innen befürchten auch, dass der Abbau des Kalks das Ökosystem durcheinanderbringen und die Wasserversorgung gefährden würde.
HeidelbergCement sieht kein Problem
Der Konflikt in Pati stehe stellvertretend für viele andere Konflikte im Land, sagt Yvonne Kunz von der Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia. Der Regierung schwebe eine industrielle Entwicklung vor, die viele Menschen bewusst ablehnen. Um auf den Protest gegen die Zementfabrik aufmerksam zu machen, organisierte Watch Indonesia mit der Heinrich-Böll-Stiftung, der Südostasien Informationsstelle und Rettet den Regenwald eine Veranstaltungsreise durch Deutschland. Immer dabei: Gunarti und der Regisseur Dandhy Dwi Laksono, der den Widerstand in seinem Film „Samin vs. Semen“ dokumentiert hat.
HeidelbergCement widerspricht den Organisationen. „Der für das Zementwerk geplante Abbau von Rohstoffen wurde auf Regionen beschränkt, die für das Karstsystem nicht relevant sind“, heißt es in einer Pressemitteilung. Im Karstsystem solle „nur deutlich oberhalb des Grundwassers abgebaut werden“. Die Wasserversorgung der Anwohner*innen werde also nicht beeinträchtigt, so das Unternehmen. HeidelbergCement sei überzeugt, „dass das Pati-Projekt umweltverträglich ist und die lokale Bevölkerung vom Bau des Werks profitieren wird“. Auf Nachfragen der taz wollte sich der Konzern nicht äußern.
In einem Gegenantrag wird der Verband der Kritischen Aktionäre das Unternehmen auf der Hauptversammlung auffordern, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu achten, die verantwortliches Unternehmenshandeln definieren. Während Gunarti zu den Aktionär*innen spricht, wollen die NGOs und die Grüne Jugend vor der Stadthalle demonstrieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“