Hausdurchsuchung bei Klimaaktivistin: Polizei liest gern Tagebücher
In Hannover durchsucht die Polizei die Wohnung einer 18-Jährigen, die sich für den Erhalt der Leinemasch eingesetzt haben soll.
Im Herbst 2022 hatten Aktivist*innen mit einem Baumhausdorf ein kleines Waldstück an einem Tümpel besetzt und über ein Jahr besetzt gehalten. Sie wollten mit zivilem Ungehorsam den Ausbau der Schnellstraße verhindern. Zahlreiche Petitionen, Fahrrad-Demonstrationen und selbst eine Biberfamilie, die im Rodungsbereich lebte, konnten die Verbreiterung der Straße nicht verhindern – im Januar wurde die Besetzung geräumt.
In der Zeit der Räumung hatte die Polizei einen großräumigen Sicherheitsbereich eingerichtet – Versammlungsverbot inklusive. Auch Pressevertreter*innen wurden aus dem Baumhausdorf unter Berufung auf diesen Sicherheitsbereich verwiesen, bis das Verwaltungsgericht Hannover einschritt und klarstellte: Eine freie Berichterstattung über die Räumung muss möglich sein.
Im Durchsuchungsbeschluss gegen die 18-Jährige Aktivistin heißt es laut ihrem Anwalt Holger Rosemeyer, sie sei verdächtig, sich im Sicherheits- und Rodungsbereich nahe des Südschnellwegs aufgehalten zu haben. Ziel der Durchsuchung sei es gewesen, weitere Tatverdächtige zu ermitteln. Ein Handy, ein Tablet und ein Laptop wurden beschlagnahmt. „Ich bin erschrocken, dass es wegen so eines Vorgangs einen richterlichen Durchsuchungsbeschluss gibt“, sagt der Anwalt.
Durchsuchungsbeschluss lässt Fragen offen
Die seiner Mandantin vorgeworfene Straftat – Hausfriedensbruch – sei ein Antragsdelikt: Die Inhaberin des Hausrechts müsste innerhalb von drei Monaten Anzeige erstatten. Wer das Hausrecht in der Leinemasch haben soll, und zu welchem Zeitpunkt er oder sie Anzeige erstattet haben soll, gehe aus dem Durchsuchungsbeschluss aber nicht hervor. „Es geht hier offensichtlich darum, die Klimagerechtigkeitsbewegung auszuleuchten“, vermutet der Anwalt.
Von der Baumhaussiedlung ist heute nichts mehr übrig, die Bauarbeiten sind in vollem Gange. Der nächste Konflikt um eine Schnellstraße deutet sich aber bereits an: Das Bündnis Westprotest fordert eine Sanierung des Westschnellwegs im Bestand statt eines Ausbaus. Man wolle verhindern, dass sich das Desaster vom Südschnellweg am Westschnellweg wiederhole, sagt einer der Organisatoren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“