: Hass auf der Haut
Volksverhetzende Bilder oder gar NS-Symboliken als Tattoo auf dem Körper zu haben, ist juristisch gesehen zunächst nicht strafbar. Das ändert sich, sobald sie in der Öffentlichkeit sichtbar sind
Von André Zuschlag
Jeder Mensch darf nach dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht seinen Körper so gestalten, wie er will. Das gilt grundsätzlich auch, wenn sich Nazis menschenverachtende Bilder oder Symbole aus der NS-Zeit auf den Körper stechen lassen. „Sobald sie jedoch öffentlich zur Schau getragen werden, sieht die Lage rechtlich anders aus“, erklärt Dirk Lammer vom Deutschen Anwaltverein.
Mit Tattoos verhält es sich so wie etwa mit Fahnen oder Postern: Wenn eine Hakenkreuz-Fahne im eigenen Zimmer an der Wand hängt, ist das in Ordnung – zumindest rechtlich gesehen. Hängt sie jedoch aus dem Fenster und ist damit gut für andere sichtbar, macht sich der Besitzer strafbar; dann drohen Geld- oder gar Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. „Besonders wer wiederholt mit solchen Delikten auffällt, muss mit einer Freiheitsstrafe, gegebenenfalls auch ohne Bewährung, rechnen“, sagt Lammer.
Einer solcher Fälle sorgte bundesweit für Aufsehen: Anfang dieses Jahres bestätigte ein Gericht eine achtmonatige Haftstrafe ohne Bewährung gegen einen brandenburgischen NPD-Politiker. Er war mit seinem Sohn ins Schwimmbad gegangen und hatte dort sein Rücken-Tattoo zur Schau gestellt: die Umrisse des Konzentrationslagers Auschwitz samt der Aufschrift „Jedem das Seine“. Eine Bewährungsstrafe kam für den Richter nicht in Betracht, weil sie in der Öffentlichkeit als ein, so der Richter, „Zurückweichen des Staates vor dem Rechtsradikalismus“ empfunden worden wäre. Mit dem Präsentieren seines Tattoos in der Öffentlichkeit erfüllte der NPD-Politiker den Tatbestand der Volksverhetzung. „Dafür steht im Strafgesetzbuch eine Haftstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren“, sagt Rechtsanwalt Lammer.
Besonders in Schwimmbädern ist die Wahrscheinlichkeit hoch, ein derartiges Tattoo zu sehen, wird dort doch mehr Haut gezeigt als anderswo. Beim öffentlichen Hamburger Schwimmbad-Betreiber Bäderland gab es einen vergleichbaren Fall jedoch bisher noch nicht. „Allerdings können wir natürlich nicht jedes Tattoo aller unserer Besucher kontrollieren“, sagt Bäderland-Sprecher Michael Dietel. Auch könne man nicht erwarten, dass alle Angestellten wissen, welche Symbole verboten sind. Bei Hakenkreuzen etwa sei die Sache sicherlich klar, andere Symbole hingegen seien schlicht vielen unbekannt. Nach dem Fall des Brandenburger NPD-Politikers sei die Problematik allerdings intern angesprochen und die Angestellten sensibilisiert worden. „Wenn allerdings der Verdacht besteht oder wir darauf angesprochen werden, dann wird sofort die Polizei gerufen“, sagt Dietel.
Auch beim Betreiber von Bremens öffentlichen Bädern ist in den vergangenen Jahren kein vergleichbarer Fall bemerkt worden. „Glücklicherweise ist das kein Thema“, sagt Sprecherin Laura Schmitt. Anders als Hamburg wurde die Problematik intern aber bisher noch nicht angesprochen, um die Angestellten dafür zu sensibilisieren. Dass es nur noch niemand bemerkt hat, bedeutet nicht, dass kein Nazi seine verbotenen Tattoos öffentlich zur Schau gestellt hat.
Neben dem Straftatbestand der Volksverhetzung können Nazi-Tattoos außerdem unter den Straftatbestand des Tragens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen fallen. Dazu zählen einerseits alle nazistischen Organisationen aus dem Dritten Reich, aber auch Symbole von Gruppen wie „Blood and Honour“, die seit 2010 in der Bundesrepublik verboten ist.
Ein strafrechtlich noch nicht geklärter Fall ereignete sich vor Kurzem bei einem Prozess gegen einen G20-Gegner in Hamburg. Der Angeklagte wurde von einem Justizmitarbeiter in den Gerichtssaal begleitet. Gut sichtbar war auf dem Unterarm des Justizmitarbeiters ein Tattoo zu sehen, das Soldaten mit Stahlhelm, augenscheinlich Wehrmachtssoldaten und damit aus der Zeit des Nationalsozialismus, präsentierte. Die Gerichtsbehörden reagierten zunächst darauf, in dem die Gerichtspräsidentin anordnete, dass der Mitarbeiter künftig das Tattoo während der Arbeit zu verdecken habe. Auch würden weitere dienstrechtliche Schritte geprüft. Ob allerdings auch gegen den Mitarbeiter strafrechtlich ermittelt werde, weil er damit das NS-Regime verherrliche, ist in diesem Fall bisher unklar.
Einen rechtlichen Zwang, ein verfassungsfeindliches Tattoo entfernen zu lassen, es also beispielsweise wegzulasern oder überstechen zu lassen, gibt es übrigens nicht. Ein volksverhetzendes beziehungsweise verfassungsfeindliches Tattoo zu stechen, ist ebenfalls nicht eindeutig verboten. „Tätowierer könnten zwar theoretisch wegen Beihilfe zu den Straftatbeständen angeklagt werden. Wenn sie aber aussagen, dass der Tätowierte versprochen habe, dass Tattoo nicht öffentlich zu tragen, dann lässt sich da wenig machen“, sagt Lammer.
Ein anderer Ort, an dem verbotene Tattoos gerne mal zur Schau gestellt werden, sind Kampfsportveranstaltungen. Der Sport erfreut sich im rechtsextremen Milieu größter Beliebtheit. Auch hier ist rechtlich immer zu unterscheiden, ob es sich, sobald eine Veranstaltung stattfindet und tatsächlich jemand im Ring ein verbotenes Symbol auf der Haut trägt, um eine offiziell öffentliche oder private Veranstaltung handelt. So fand etwa Mitte Oktober im nordrhein-westfälischen Sauerland die neonazistische Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibelungen“ statt. Bis zu 600 Rechtsextreme, auch aus dem Ausland, waren angereist. Die Veranstaltungen wurde konspirativ organisiert, erst am Veranstaltungstag erfuhren der Hallenvermieter und die Polizei davon, wer und was stattfinden würde.
Wie die örtliche Polizei mitteilt, waren Beamte in der Festhalle und hatten sich auch mit dem Veranstalter, eine bekannte Dortmunder Neonazi-Größe, besprochen. Dass anwesende Rechtsextreme volksverhetzende Tattoos trugen, bestätigt die Polizei zwar nicht. Ohnehin sei es aber auch rechtlich irrelevant, da es sich um eine geschlossene, nichtöffentliche Veranstaltung handelte. Erst wenn die Veranstaltung auch für Gäste zugänglich gewesen wäre, wären betreffende Tattoos strafrechtlich relevant geworden.
Wer eine Person mit derartigen Tattoos sieht, sollte das zur Anzeige bringen. Eine juristische Pflicht dazu besteht allerdings nicht.
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