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Hass-Kommentare in Online-NetzwerkenStrategie einer rechten Minderheit

Nur fünf Prozent der Accounts sind für die Hälfte aller Hassposts auf Facebook verantwortlich. Es sind AfD-Anhänger und Identitäre, die gemeinsam vorgehen.

Zusammengerottet scheinen sie stark, aber es ist nur eine Minderheit, die Stimmung macht (Archivbild 2016) Foto: dpa

Hamburg dpa | Für viele Hasskommentare im Internet ist Experten zufolge eine verschwindend kleine Minderheit der Nutzer verantwortlich. Das zeigt eine aktuelle wissenschaftliche Untersuchung von hunderten Diskussionen in sozialen Netzwerken, die dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) in Hamburg vorliegt. Danach geht die Hälfte der Likes bei Hass-Kommentaren auf Facebook auf nur fünf Prozent der Accounts zurück.

In dieser lautstarken Minderheit gebe es außerdem einen extrem aktiven Kern. So lassen sich der Analyse zufolge 25 Prozent der Likes auf nur ein Prozent der Profile zurückführen. Diese sehr aktiven Nutzer gingen oft gemeinsam vor, zumindest bei Diskussionen, in denen Hass-Inhalte eine Rolle spielen. Dagegen seien sie bei anderen Themen oft weitgehend passiv.

Für die Studie in Kooperation mit dem Institut for Strategic Dialogue in London wertete der IT-Experte Philip Kreißel 3.000 Veröffentlichungen und 18.000 Kommentare auf Facebook im Januar zu Beiträgen von Bild, Focus Online, Kronen-Zeitung, Spiegel Online, tagesschau.de, Welt und den ZDF-Nachrichten heute aus.

Ein Ergebnis der Analyse: Die meisten Nutzer der bei Hass-Inhalten sehr aktiven Accounts lassen sich als Anhänger von AfD und den sogenannten Identitären identifizieren. „Rechte Gruppierungen versuchen, gezielt die Facebook-Algorithmen zu manipulieren. Dazu einigen sie sich auf Uhrzeiten und Hashtags, um diese in die Top-Trends zu katapultieren“, sagte Julia Ebner vom Institut für Strategic Dialogue dem NDR. „Diese Kampagnen auf den Medienseiten werden mit zahlreichen gefälschten Accounts von rechtsextremen Kreisen koordiniert zu bestimmten Uhrzeiten durchgeführt.“

Diese Kampagnen auf den Medienseiten werden mit zahlreichen gefälschten Accounts von rechtsextremen Kreisen koordiniert zu bestimmten Uhrzeiten durchgeführt.

Julia Ebner, Terrorismusexpertin

Das führe dazu, dass sie den Online-Diskurs bestimmen könnten. Nach Philip Kreißels Einschätzung zeigen die Statistiken allerdings eine „monumentale Täuschung“: Anderen Nutzern und den Administratoren der Medienseiten und auch dem News-Algorithmus von Facebook werde suggeriert, dass bestimmte Themen eine große Öffentlichkeit beschäftigen würden, so der IT-Experte. Tatsächlich stecke dahinter eine lautstarke Minderheit, die von der Funktionsweise von Facebook profitiere. Der Facebook-Algorithmus beschere polarisierenden Debatten eine höhere Reichweite als sachlichen Diskussionen.

In ihrer Untersuchung haben sich die Wissenschaftler auf sogenannte Hass-Postings konzentriert, in denen vermeintlich realexistierende Nutzer gegen Themen oder Personen hetzen. Diese haben durchschnittlich dreimal so viele Kommentare wie Artikel ohne Hass. Die Gefahr sei, dass andere Nutzer und Politiker sowie Medienmacher glauben könnten, die Kommentarspalten seien repräsentativ für die Stimmung in der Bevölkerung.

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10 Kommentare

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  • Man kann einen gesellschaftlichen Diskurs darüber haben, was Meinungsfreiheit darf. Oder man hat Meinungsfreiheit.

  • Ich wage zu behaupten: ohne die Sockenpuppen-Armeen der AfD-Fanboys säße jetzt keine rechtsradikale Partei mit fast 100 Abgeordneten im Bundestag!

     

    Könnte es sein, dass das Internet nicht vielleicht doch ein aus dem Ruder gelaufenes kommunikationstheoretisches Experiment ist, das dringend beendet werden sollte - oder zumindest streng auf Universitäten und sonstige Forschungseinrichtungen begrenzt? 1995 gab es keine braunen Filterblasen, keine allgegenwärtigen Online-Leserkommentarspalten, in die jeder frustrierte Frührentner seinen geistigen Sperrmüll abkippen konnte, da saßen die Ewiggestrigen isoliert in miefigen Provinzkneipen und störten nicht weiter...

  • traue keiner wissenschaftlichen Untersuchung die du nicht selber gefakt hast. Frei nach Maggie Thatcher

  • Ich habe seit längerem tagesschau.de und die Kommentarseiten der FR im Blick und kommentiere gelegentlich auf beiden Portalen. Die Themen bei denen die Rechten sofort abgehen sind bekannt. Alles was sofort mit Geflüchteten, Migranten, Muslimen in irgendeinen abstrusen Zusammenhang gebracht werden kann, löst sofort eine Welle von rassistischen Postings aus.

     

    Den Rest kennen wir auch: Trump-Jubler, PiS-Orban-FPÖ-Versteher; Hass auf Linksgrünversi…, Häme gegenüber Merkel, deren Partei in der Rechtsaußen-Parallelwelt schon fast als (Achtung, jetzt nicht prustend in Lachen ausbrechen) als „linksradikal“ empfunden wird. Soweit zum politischen Urteilsvermögen unserer „Besorgten“. Aber jeder blamiert sich auf seine Weise.

     

    Die ARD-Doku vom 31.07.2017 hat einen dieser AfD-Grabenkämpfer an der vergilbten Tastatur vor die Kamera bekommen. Soweit ich mich erinnern kann, besaß er über 40 Accounts bei Facebook aus denen die geistige Gülle versprüht wurde. https://is.gd/ClG2qa

     

    Bedenklich ist jedoch, dass im Forum des ÖR-Flagschiffes (der Tagesschau) unter den Admins offenbar ein AfD-U-Boot sitzt. Ich behaupte mal, ich setze mich mit der AfD sehr kritisch aber nicht herabwürdigend gegenüber deren Wählern auseinander. Persönliche Attacken auf andere Kommentatoren sind nicht so mein Ding. Trotzdem je nachdem, wer bei der TS gerade „Dienst schiebt“ unter den Admins, gehen viele meiner Kommentare dort nicht durch. An anderen Tagen, weil gerade ein demokratisch gesinnter Admin an der Maus sitzt, gehen die problemlos in Netz.

     

    Bei der Tagessschau sind oftmals Zweidrittel bis Dreiviertel der Kommentare auf AfD-Schiene. Viele Demokraten haben sich angewidert abgewandt und sind offenbar entnervt demokratische Gegenrede zu leisten. „This is how democracies die“ https://www.theguardian.com/us-news/commentisfree/2018/jan/21/this-is-how-democracies-die

  • "Für viele Hasskommentare im Internet ist Experten zufolge eine verschwindend kleine Minderheit der Nutzer verantwortlich."

    Diese Erkenntnis ist für Leser, die regelmäßig "Online-Kommentare" lesen, keineswegs überraschend.

    Die unzähligen HasskommentatorIinnen sehen sich selbst gerne als die Stimme des Volkes, die sich endlich trauen, Tacheles zu reden. Sie machen Wirbel, treten bevorzugt im Rudel auf und scheinen darum viele zu sein.

    Sei es in der TAZ, der Zeit, in der SZ, im Spiegel oder anderen Onlineredaktionen, stößt man bei den Online-Kommentaren auf unzählige Hassposts / Hasskommentare, wo es ganz offensichtlich ist, dass es sich nicht um sachliche Kritik zu dem jeweiligen Artikeln/ Kommentaren handelt, sondern um reine Polemik und Hetze.

    Ebenfalls ist es offensichtlich, dass es sich bei diesen Hassposts auch nicht um "Stammleser" der oben angeführten Redaktionen handelt, weil ihnen jegliche Kompetenz und Sachlichkeit fehlt.

    "Die Gefahr sei, dass andere Nutzer und Politiker sowie Medienmacher glauben könnten, die Kommentarspalten seien repräsentativ für die Stimmung in der Bevölkerung."

    Diese Gefahr teile ich und würde mir wünschen, dass in den Redaktionen vermehrt darüber nachgedacht wird, wie man den Hassposts begegnen kann.

  • Die Kommentarfunktion wird bei manchen Medien sehr schlecht gepflegt und kontrolliert. Man sollte Abstand nehmen von der Auffassung, dass jede Meinung gelte oder repräsentiert werden müsse und die Redaktionen sollten Geschreibsel, das Unfrieden stiftet, löschen. Gegen das Anstoßen fruchtbarer Diskussionen ist nichts einzuwenden, aber dieses Anstoßen unterliegt Regeln, auf die wir uns in diesem Staat geeinigt haben und die man eigentlich in der Schule lernt.

    Leider ist das Forum, das Logikverdrehern und Halbwahrheitsposaunisten - wie es sie bei der aheffdee gibt - in TV und Radio viel zu groß. Selten werden deren Aussagen korrigiert. "Sie sich selbst outen zu lassen" reicht nicht. Man muss sie ausbremsen. Es gibt zu viele, die den einfachen Angst-Sprüchen mit den simplen Lösungen Glauben schenken.

    • @chillbill:

      "Man sollte Abstand nehmen von der Auffassung, dass jede Meinung gelte oder repräsentiert werden müsse und die Redaktionen sollten Geschreibsel, das Unfrieden stiftet, löschen."

       

      Wow, das ist ja mal eine klare Absage an die Meinungsfreiheit. "Unfrieden stiften" reicht also? Nach der Definition hätte man bis Mitte der 70er Jahre (oder später?) so manche linke Stimme ersticken können.

       

      Und ebenso schlimm finde ich, wenn jegliche andere Meinung pauschal als Hetze oder Hasskommentar verunglimpft wird. Es werden kaum konkrete Beispiele genannt, um was es eigentlich geht.Oder es wird ein besonders schlimmer - oft auch strafwürdiger - Kommentar herausgepickt und als repräsentativ für die alle kritischen Kommentare dargestellt.

  • Die "Minderheit" wird nicht mehr lange "Minderheit" bleiben, wenn das so weiter geht.

  • Zitat: „Die Gefahr sei, dass andere Nutzer und Politiker sowie Medienmacher glauben könnten, die Kommentarspalten seien repräsentativ für die Stimmung in der Bevölkerung.“

     

    Echt jetzt? Wer hätte das gedacht!? Genial, diese Wissenschaftler!

     

    Offenbar haben sich diese Damen und Herren in den letzten Jahren so sehr auf ihre Arbeit (das Analysieren von Hass-Postings) konzentriert, dass sie gar nicht gemerkt haben, wie sich das Klima um sie her verändert hat. Was sie noch als „Gefahr“ bezeichnen, ist längst Realität.

     

    Die Minderheit hat offenbar den „Nerv“ unserer Gesellschaft getroffen. Hass, Gegenhass, noch mehr Hass und darauf folgend noch mehr Gegenhass – so ließe sich die Erregungs-Spirale, an der die Rechten mit Hilfe von Politikern und Medienleuten schrauben, ganz knapp zusammenfassen.

     

    Mir wird das langsam etwas unheimlich. Wie gelangweilt kann man eigentlich sein als situierter Mittelschichts-Deutscher von seinem kommoden Untertanenleben? So gelangweilt, dass man sich insgeheim auf den Höhepunkt der Eskalation freut, weil einem das (Privat-)Fernsehen jeden Abend stundenlang und in x Versionen einredet, dass man im (Bürger-)Krieg ein echter Held sein kann, der kommandieren darf und den trotzdem (fast) alle lieben?

    • @mowgli:

      Ja, Sie gehören auch dazu!