Harte Sparpläne in Frankreich: 43 Milliarden und zwei Feiertage
Frankreichs Premier will Staatsausgaben und Feiertage kürzen. Das soll Frankreich aus der Schuldenkrise retten – falls der Plan angenommen wird.

Der Regierungschef, der über keine parlamentarische Mehrheit verfügt, weiß nur zu gut, dass er bei einem Misstrauensantrag in der Haushaltsdebatte Kopf und Kragen riskiert. Dieses „Risiko“ aber wolle er eingehen, weil er der Nation die „Wahrheit“ nicht verheimlichen könne, erklärte Bayrou.
Es steht nicht gut um die Finanzen. Heute beträgt die akkumulierte Verschuldung rund 3,3 Billionen Euro und 114 Prozent des BIP. Für 2025 wird mit einem weiteren Defizit von 5,4 Prozent BIP-Anteil gerechnet. Und für die Zuhörer, die sich vielleicht der Dramatik nicht bewusst wären, präzisierte Bayrou, dass mit jeder Sekunde die öffentlichen Schulden um 5.000 Euro wachsen würden. Ein Countdown in einer totale Schuldenkrise, wie sie unlängst Griechenland zum Leidwesen seiner Bürger erlebt habe und wie er sie seinen Landsleuten nicht wünsche. Denn letztlich stehe die Unabhängigkeit der Nation auf dem Spiel, warnte Bayrou am Dienstag bei einer Pressekonferenz.
Ausgaben sollen eingefroren, zwei Feiertage gestrichen werden
Die Europawahl 2024 hat Frankreich in eine politische Krise gestürzt. Aus den vorgezogenen Parlamentswahlen ging das neue Linksbündnis als stärkste Fraktion hervor, gefolgt von Macronisten und RN. Keiner der Blöcke besitzt eine Mehrheit.
Seit Jahrzehnten hätten sich die Franzosen daran gewöhnt, dass der Staat „alles bezahlt“, ja, sie seien richtiggehend „süchtig“ von diesen öffentlichen Ausgaben geworden. Damit müsse Schluss sein. Die Entziehungskur beginnt mit 2026 als „weißem Jahr“, in dem alle Ausgaben auf dem Niveau von 2025 eingefroren bleiben: Renten und alle sozialen Zulagen oder Hilfsgelder werden der Teuerung nicht angepasst. Auch die Ministerien – mit Ausnahme der Verteidigung – müssen mit demselben Etat wie im Vorjahr auskommen.
Die Beamten, die in Frankreich in den letzten Jahren bereits einen Kaufkraftverlust hinnehmen mussten, können folglich nicht mit einer generellen Lohnerhöhung rechnen. Einer von drei pensionierten Staatsdienern soll nicht ersetzt werden. Insgesamt müssten im kommenden Jahr 43,5 Milliarden Euro eingespart werden. Ursprünglich war von 40 Milliarden die Rede gewesen, doch vor dem Wochenende hatte der Staatspräsident wegen der Kriegsgefahren eine massive Erhöhung der Rüstungsausgaben verlangt.
Für sofortige Empörung sorgte Bayrous Ankündigung, er wolle zwei bisherige Feiertage streichen: den Ostermontag und den 8. Mai, an dem das Ende des Zweiten Weltkriegs begangen wird. Überhaupt müssten alle Hindernisse, die der Aktivität im Weg stünden, beseitigt werden, damit die Nation mehr arbeite und kollektiv reicher werde. Auch die Wohlhabendsten würden mit einer „Solidaritätsabgabe“, deren Konturen Bayrou allerdings völlig offen ließ, zur Kasse gebeten.
Kampf der Bürokratie – mal wieder
Wie andere Regierungschefs oder Präsidenten in der Vergangenheit will Bayrou wieder mal der administrativen Bürokratie den Kampf ansagen, vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen die Prozeduren vereinfachen und die Zahl der Normen reduzieren. Die so gewonnene Flexibilität und Freiheit müssten sie allerdings mit weniger Subventionen bezahlen. Ebenfalls ein oft gehörter Refrain ist der erklärte Kampf gegen Steuerbetrug und Schwindel von Sozialgeldempfängern. Um 17 Milliarden Euro sei die Staatskasse und das Sozialversicherungssystem 2024 gebracht worden, und nur 11 davon seien zurückbezahlt worden, sagte Bayrou.
Er möchte zur Verbesserung der heute stark negativen Außenhandelsbilanz die Produktion „Made in France“ und bei den Konsumenten vermehrt die „europäische Präferenz“ durchsetzen und zu diesem Zweck eine Abgabe auf die kleinen Paketsendungen erheben, mit denen online bestellte Waren, meist aus dem fernen Osten, ins Haus geliefert werden. Details dazu sollen später kommen.
Es ging Bayrou um die „großen Linien“ der Haushaltspolitik bis 2029, über die er mit sich reden lassen wolle, bevor der eigentliche Entwurf dann im Herbst vorgelegt und zur Schicksalsfrage für diese Regierung wird. Bayrou hatte seine Rede kaum beendet, als Sprecher der linken wie die rechtspopulistischen Opposition ankündigten, sie würden eine Vertrauensabstimmung gegen diese zweifellos unpopulären Sparpläne beantragen.
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