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Harte Sparpläne in Frankreich43 Milliarden und zwei Feiertage

Frankreichs Premier will Staatsausgaben und Feiertage kürzen. Das soll Frankreich aus der Schuldenkrise retten – falls der Plan angenommen wird.

„Der Moment der Wahrheit“: Bayrou (links) mit Wirtschaftsminister Eric Lombard bei der Vorstellung der Sparmaßnahmen am Dienstag Foto: Abdul Saboor/Reuters

Paris taz | Wenn „alle mitmachen“ wollten und wenn die erforderlichen Anstrengungen „richtig und gerecht“ verteilt würden, könne Frankreich in vier Jahren seinen Staatshaushalt so weit wieder in Ordnung bringen, dass die Verschuldung nicht weiter steigt. Der Konditionalis ist angebracht, denn der Sparplan gegen die Verschuldung, den der französische Premierminister François Bayrou seinem Land verschreiben möchte, stößt sogleich auf heftige Ablehnung in den Fraktionen der Opposition.

Der Regierungschef, der über keine parlamentarische Mehrheit verfügt, weiß nur zu gut, dass er bei einem Misstrauensantrag in der Haushaltsdebatte Kopf und Kragen riskiert. Dieses „Risiko“ aber wolle er eingehen, weil er der Nation die „Wahrheit“ nicht verheimlichen könne, erklärte Bayrou.

Es steht nicht gut um die Finanzen. Heute beträgt die akkumulierte Verschuldung rund 3,3 Billionen Euro und 114 Prozent des BIP. Für 2025 wird mit einem weiteren Defizit von 5,4 Prozent BIP-Anteil gerechnet. Und für die Zuhörer, die sich vielleicht der Dramatik nicht bewusst wären, präzisierte Bayrou, dass mit jeder Sekunde die öffentlichen Schulden um 5.000 Euro wachsen würden. Ein Countdown in einer totale Schuldenkrise, wie sie unlängst Griechenland zum Leidwesen seiner Bürger erlebt habe und wie er sie seinen Landsleuten nicht wünsche. Denn letztlich stehe die Unabhängigkeit der Nation auf dem Spiel, warnte Bayrou am Dienstag bei einer Pressekonferenz.

Ausgaben sollen eingefroren, zwei Feiertage gestrichen werden

Frankreich

Die Europawahl 2024 hat Frankreich in eine politische Krise gestürzt. Aus den vorgezogenen Parlamentswahlen ging das neue Linksbündnis als stärkste Fraktion hervor, gefolgt von Macronisten und RN. Keiner der Blöcke besitzt eine Mehrheit.

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Seit Jahrzehnten hätten sich die Franzosen daran gewöhnt, dass der Staat „alles bezahlt“, ja, sie seien richtiggehend „süchtig“ von diesen öffentlichen Ausgaben geworden. Damit müsse Schluss sein. Die Entziehungskur beginnt mit 2026 als „weißem Jahr“, in dem alle Ausgaben auf dem Niveau von 2025 eingefroren bleiben: Renten und alle sozialen Zulagen oder Hilfsgelder werden der Teuerung nicht angepasst. Auch die Ministerien – mit Ausnahme der Verteidigung – müssen mit demselben Etat wie im Vorjahr auskommen.

Die Beamten, die in Frankreich in den letzten Jahren bereits einen Kaufkraftverlust hinnehmen mussten, können folglich nicht mit einer generellen Lohnerhöhung rechnen. Einer von drei pensionierten Staatsdienern soll nicht ersetzt werden. Insgesamt müssten im kommenden Jahr 43,5 Milliarden Euro eingespart werden. Ursprünglich war von 40 Milliarden die Rede gewesen, doch vor dem Wochenende hatte der Staatspräsident wegen der Kriegsgefahren eine massive Erhöhung der Rüstungsausgaben verlangt.

Für sofortige Empörung sorgte Bayrous Ankündigung, er wolle zwei bisherige Feiertage streichen: den Ostermontag und den 8. Mai, an dem das Ende des Zweiten Weltkriegs begangen wird. Überhaupt müssten alle Hindernisse, die der Aktivität im Weg stünden, beseitigt werden, damit die Nation mehr arbeite und kollektiv reicher werde. Auch die Wohlhabendsten würden mit einer „Solidaritätsabgabe“, deren Konturen Bayrou allerdings völlig offen ließ, zur Kasse gebeten.

Kampf der Bürokratie – mal wieder

Wie andere Regierungschefs oder Präsidenten in der Vergangenheit will Bayrou wieder mal der administrativen Bürokratie den Kampf ansagen, vor allem für die kleinen und mittleren Unternehmen die Prozeduren vereinfachen und die Zahl der Normen reduzieren. Die so gewonnene Flexibilität und Freiheit müssten sie allerdings mit weniger Subventionen bezahlen. Ebenfalls ein oft gehörter Refrain ist der erklärte Kampf gegen Steuerbetrug und Schwindel von Sozialgeldempfängern. Um 17 Milliarden Euro sei die Staatskasse und das Sozialversicherungssystem 2024 gebracht worden, und nur 11 davon seien zurückbezahlt worden, sagte Bayrou.

Er möchte zur Verbesserung der heute stark negativen Außenhandelsbilanz die Produktion „Made in France“ und bei den Konsumenten vermehrt die „europäische Präferenz“ durchsetzen und zu diesem Zweck eine Abgabe auf die kleinen Paketsendungen erheben, mit denen online bestellte Waren, meist aus dem fernen Osten, ins Haus geliefert werden. Details dazu sollen später kommen.

Es ging Bayrou um die „großen Linien“ der Haushaltspolitik bis 2029, über die er mit sich reden lassen wolle, bevor der eigentliche Entwurf dann im Herbst vorgelegt und zur Schicksalsfrage für diese Regierung wird. Bayrou hatte seine Rede kaum beendet, als Sprecher der linken wie die rechtspopulistischen Opposition ankündigten, sie würden eine Vertrauensabstimmung gegen diese zweifellos unpopulären Sparpläne beantragen.

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6 Kommentare

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  • Weihnachten bietet sich an - es konnte einem sowieso noch kein Franzose schlüssig erklären, warum dieser Tag in der angeblich doch so streng laizistischen Französischen Republik ein landesweiter Feiertag ist.

  • wie hiess es doch noch vor ein paar Wochen in Deutschland: viel Schulden machen ist kein Problem, unsere Verschuldungsquote ist momentan deutlich niedriger als die anderer Länder wie Frankreich und die leben auch ganz gut...

    Frankreich ist ein schönes Beispiel für das was uns bevorsteht.

  • Da kommen schwere Zeiten auf Frankreich zu. Ist nicht Macron bereits mit Sanierungsabsichten angetreten und durch massive Proteste gescheitert? Die Staatsquote am BIP nähert sich zunehmend schuldenfinanziert den 60%, allein die bereits jähliche Zinslast (noch zu EZB Dumpingzinsen aufgenommen, Aufkaufprogrammen) nimmt Frankreich jede Handlungsfähigkeit und muss inzwischen gleiche bzw. höher Zinsen für Staatsanleihen als Italien bieten. Die nächsten Rettungsprogramme der EZB (im Kampf gegen die Deflation natürlich) werden folgen...



    Vorteil der neuen Schuldenorgie Dutschlands ist, dass sich die Endhaftungsfähigkeit für Schulden anderer verringert, was Zinsforderungen von Fremdkaptialgebern (also nicht die EZB-Geldpresse) erhöhen wird und das Vertrauen und somit den €-Wert erodieren lässt.



    Die DM stellte früher ca. 20% der Devisenreserven ander Staaten, der € nur noch ca. 17%. Der Vorteil des ebenso kränkelnden $ ist, dass die US-Fed nicht so schnell implodieren kann wie die EZB-Konstruktion, also Euros wertlos werden.

    Wenn sich Frankreich abwirtschaftet.... nun, durch den € hängt unser Kopf mit in der Schlinge. Nationale Abwertungen, Pleiten usw. sind nicht mehr möglich.

  • Das wird in Frankreich sicherlich nicht wirklich gut aufgenommen werden. Wenn die Schere hier wieder nen Tick weiter aufgeht, dann werden die Unruhen heftiger als je zuvor. Aber Frankreich muss sparen, wo auch immer das gehen mag. Ich bin gespannt wie sich das auf die oberen 10.000 auswirken wird. Mein Tipp: Ihr wisst es eh bereits.



    Wir waren vor kurzem erst wieder in Frankreich, am Atlantik. In rund 10 Marinas überschlagen 20.000 Boote und die Mehrzahl davon über der 500K Grenze. In allen Orten, geschlossene Feriendomizile, der Rest der Städte menschenleer. Erst in der Urlaubszeit kommen die "schönen" und Reichen, machen für 3 Wochen die Läden hoch und danach wieder runter. Ich denke da ist sehr viel Vermögen, dass besser eingesetzt werden kann.

  • Seltsam, das auch französische Politiker die Superreichen bei der Finanzierung von mehr Waffen, mehr Kampfflugzeugen, mehr Panzern und mehr Soldaten schonen.

    Man könnte glatt denken, Politiker sind Marionetten der Hochvermögenden. Länderübergreifend.

  • Warum der 8. Mai und nicht der 11. November? Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Abschaffung eines Feiertags im Frühsommer kontraproduktiv. Die Industrieproduktion wird durch einen Feiertag nicht verringert, aber der Konsum wird besonders im Freizeit- und Gastrosektor erhöht.

    Man wird argumentieren, dass der Mai schon viele Feiertage hat, aber man könnte ja auch einen Katholenfeiertag streichen. Das vorzuschlagen wird sich M. Bayrou als gläubiger Katholik und Apologet sexueller Gewalt in katholischen Schulen ( www.lemonde.fr/pol...543696_823448.html ) nicht trauen.