Hannovers SPD kämpft für das Auto: Gallischer Kreisverkehr
In Hannover widmet sich die SPD immer stärker dem Kulturkampf ums Auto. Ist das eine kluge Strategie?
D as war ja wirklich schön und rührend in dieser Menschenmenge auf dem Opernplatz zu stehen, am Wochenende. Die friedlichste und freundlichste Demo seit langem. Und wir sahen dabei so super aus, dass das Bild es in ganz viele überregionale Berichterstattungen geschafft hat. Das passiert Hannover ja auch nicht so oft. Man könnte fast mal wieder stolz sein auf diese Stadt.
Ich nehme mal an, die wenigsten dieser 35.000 Demonstranten sind mit dem Auto angereist. Die wären ja auch bescheuert. Oder vielleicht von der SPD. Das war das zweite große Thema was mich dieser Tage umgetrieben hat: Die seltsame Persönlichkeitsspaltung, die die altehrwürdige hannoversche Sozialdemokratie gerade durchläuft.
Früher – die Älteren unter uns erinnern sich – gab es ja mal so etwas wie ein rot-grünes Modernisierungsprojekt. In dem spielte hannoversches Personal eine gewisse Rolle. Auf Landesebene tut die rot-grüne Koalition unter Ministerpräsident Stephan Weil auch immer noch so, als gäbe es so etwas. Da wird gekuschelt, was das Zeug hält, es dringt kaum Gezänk nach außen.
Auf Bundesebene ist das ja schon schwieriger, aber natürlich kann man da immer noch dem Dritten im Bunde die Schuld in die Schuhe schieben. Dreiecksbeziehungen sind ja an sich schon schwierig, mit der FDP erst recht.
Anlass ist die Abschaffung der Umweltzone
In der Hannoverschen Stadtpolitik dagegen reitet die SPD mit einer Hingabe die anti-grüne Welle, das einem ganz schwindelig wird. Sichtbar wurde das in diesen Wochen mal wieder bei der Debatte um die Abschaffung der Umweltzone und den neuen Luftreinhalteplan im Rat.
Der Vorgang an sich ist ja ziemlich simpel: Die Umweltzone, Sie wissen schon, dieses Stadtgebiet, wo man nur noch mit grüner Plakette reinfahren darf, muss abgeschafft werden. Das liegt daran, dass die Grenzwerte schon seit einem Weilchen unterschritten werden.
Gleichzeitig ist die Stadt – wie andere Kommunen auch – natürlich weiter dazu verpflichtet, die Schadstoffbelastung im Auge zu behalten und Maßnahmen zur Senkung zu ergreifen. Dazu dient der so genannte Luftreinhalteplan.
Der beschreibt ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die – wenn man mal ehrlich ist – alle nicht wahnsinnig revolutionär sind. Es geht darum, Verkehrsströme sinnvoll zu bündeln und zu lenken, Tempolimits hier, Parkraumbewirtschaftung da, Attraktivität des ÖPNV steigern, solche Dinge eben.
Alles Sachen, die bis vor kurzem noch als vernünftig und mehrheitsfähig galten – jedenfalls sind sie von mehreren Bezirksräten durchgewunken worden. Auch bei der öffentlichen Auslegung wurden sie von niemandem beanstandet.
Sie stehen so ähnlich sogar im Verkehrsentwicklungsplan der SPD-dominierten Region Hannover. Der ist übrigens bemerkenswert ambitioniert, trägt den Untertitel „Aktionsprogramm Verkehrswende“ und strebt eine Halbierung (!) des PKW-Verkehrs an.
Sollen doch andere die Luft rein halten
Dummerweise hat aber die SPD-Ratsfraktion in der Stadt Hannover nun eine schwere Allergie entwickelt. Eine Allergie gegen alles, was auch nur ansatzweise damit zu tun hat, den Autoverkehr in irgendeiner Art und Weise einzuschränken. Also lässt sie – im Verbund mit den notorischen Autofahrerparteien CDU und FDP – alles wieder herausstreichen, aus dem so genannten Luftreinhalteplan.
Sollen doch andere die Luft reinhalten, irgendwie, so jedenfalls nicht. „Ideologiegetrieben“ findet man Grüne und Verwaltung gleichermaßen, wittert eine Verschwörung, mit der die autoarme Innenstadt durch die Hintertür nun doch noch eingeführt werden soll. Dabei hat man doch gerade extra die Rathaus-Koalition platzen lassen, um so etwas zu verhindern. Der Kulturkampf ums Auto, hier wird er mit Inbrunst geführt.
Die Frage ist nur: Wo will sie denn bloß hingurken, diese SPD? Und: Sind sie damit jetzt Trendsetter oder eine lokale Anomalie? Ist Hannover in Wirklichkeit vielleicht ein gallisches Dorf? Fahren demnächst wieder Autos über den Opernplatz? Wir werden das im Auge behalten.
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