Neue Runde in Hannovers Rathausclinch: Bürokratie und Meteoriten
Eigentlich war Bürokratieabbau das Thema. Die SPD schafft es aber schnell zurück zu ihrem liebsten Hassobjekt: Die Verkehrswende von OB Belit Onay.
Es ist doch schön, dass es noch Feinde gibt, auf die sich alle einigen können, oder? Bürokratie, zum Beispiel, findet keiner gut. Da haben die Kollegen von der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung neulich eine interessante Analyse veröffentlicht, in der sie mal aufdröseln, wie sich der Stellenzuwachs in Stadt und Region so darstellt.
Das ist schon beeindruckend: Plus 25 Prozent in den vergangenen neun Jahren in der Stadtverwaltung, in der Regionsverwaltung haben sich die Stellen innerhalb von 19 Jahren sogar verdoppelt.
Wirklich lachen musste ich über das Zitat eines Wirtschaftswissenschaftlers, der prompt behauptet, in der sogenannten freien Wirtschaft würde so was ja nicht passieren. Wer mal einen Konzern von innen gesehen hat, weiß, dass das ein modernes Märchen ist.
Spannender ist, was jene Lokalpolitiker dazu zu sagen haben, die diese Stellenpläne in den vergangenen Jahren durchgewinkt haben. Dabei sind CDU und FDP natürlich fein raus, die ziehen sich einfach auf ihre bewährte Taktik zurück: Rhetorisch alles kurz und klein sparen, am Ende wird schon irgendwer anders draufzahlen. Aber die regieren hier ja nicht und müssen deshalb nichts beweisen.
Pech, wenn man die Finger selbst in der Keksdose hat
Schwieriger ist die Situation für die SPD: Die würde das natürlich am liebsten dem ungeliebten grünen Oberbürgermeister aufs Brot schmieren, hat aber selber die Finger zu tief in der Keksdose.
Den größten Stellenzuwachs verzeichnet ja die SPD-dominierte Region und auch in der Stadt ist der Personalplan vor allem unter dem vorläufig letzten SPD-Oberbürgermeister Stefan Schostok explodiert.
Aber zum Glück hat die hannoversche SPD ja ein Thema, das sie viel mehr hasst als Bürokratie: Onays Verkehrswende. Es ist wirklich atemberaubend, wie sie es derzeit schafft, jedes andere Thema dahin abzubiegen. Ich wette, wenn morgen ein Meteorit in Hannover einschlägt, wird der Fraktionsvorsitzende Lars Kelich es noch irgendwie schaffen, Onays Verkehrspolitik dafür verantwortlich zu machen.
Alle anderen machen liebend gern mit: Die Stabsstelle Mobilität, die Onay im Rathaus eingerichtet hat, sei ein Paradebeispiel für überflüssige Doppelstrukturen und könne sofort weg, sagen sie. Solche Stabsstellen dienen eigentlich dazu, strategisch wichtige Projekte anzugehen – fachbereichsübergreifend, unbeeinträchtigt vom Alltagsgeschäft, direkt dem Oberbürgermeister unterstellt.
Onay geht trotzdem allen weiter auf die Nerven
Aber klar: Das klappt mal mehr, mal weniger gut. Wenn die Stadtsprecherin zur Verteidigung anführt, die Stelle habe immerhin die bundesweit bedeutsame „Fahrradkommunalkonferenz“ nach Hannover geholt, erscheint der Output nicht spektakulär. Andrerseits macht die Stabsstelle auch nur ungefähr 0,15 Prozent des Stellenzuwachses aus.
Der Oberbürgermeister will jedenfalls offensichtlich nicht aufhören, allen anderen mit seinen Verkehrsthemen auf die Nerven zu gehen: Am Wochenende ließ er sich zitieren, er sei offen für eine Zusatz-Parkgebühr für SUVs, wie Paris sie gerade beschlossen hat. Hoffentlich muss er dafür niemanden einstellen.
Leser*innenkommentare
Radium
Irgendwie kommt mir die hannoversche SPD vor, als hätte sie plötzlich mit Phantomschmerzen zu kämpfen, nachdem sie jahrzehntelang den Chef im Rathaus gestellt hat und nun nicht der neuen Realität leben will oder kann.
Dabei ist sie selbst nicht ganz unverschuldet in diese Lage geraten, war doch der letzlich von Stefan Schostok zu verantwortende Skandal eben nicht bloß eine »Rathausaffäre«.
Kann es sein, dass die SPD in Hannover meint, das OB-Amt wäre so eine Art Parteienlehen auf Ewigkeit wie weiland bei der CSU in Bayern?
Wenn nun aber ausgerechnet die SPD auf den »wundersamen« Stellenzuwachs hinweist, wer weist dann bitte schön die SPD daraufhin, dass sie sich selbst als Bock gerade zum Gärtner macht?
So dämlich sind noch nicht einmal Siggi und Rainer, dass sie bei so einer windschiefen Nummer nicht doch das Original aus dem »Club Der Ungleichen« und der »Fahr-doch-Porsche!-Partei« wählen.
Welcher Hannoveraner oder Hannoveranerin kann das wiederum wirklich wollen?
Womöglich noch wie beim letzten Mal mit einem Kandidaten aus der Wirtschaft und noch dazu aus Braunschweig!