piwik no script img

Handgranatenanschlag auf UnterkunftAnschlag galt wohl den Wachleuten

Eine Handgranate wurde Ende Januar in Villingen-Schwenningen auf ein Flüchtlingsheim geworfen. Jetzt nahm die Polizei vier Verdächtige fest.

Der Leitende Kriminaldirektor Stenger führt die M52-Handgranate vor (29.1.16) Foto: dpa

Villingen-Schwenningen/Berlin dpa | Nach dem Anschlag mit einer Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft in Villingen-Schwenningen haben die Ermittler vier Verdächtige gefasst. Die Spur führt ins Sicherheitsgewerbe. Ein fremdenfeindliches Motiv schließen Polizei und Staatsanwaltschaft nach Angaben vom Dienstag aus. Drei Männer im Alter von 23, 27 und 37 Jahren kamen in Untersuchungshaft. Die Handgranate war Ende Januar auf das Gelände der Erstaufnahmestelle geworfen worden und neben einem Container des Sicherheitsdienstes gelandet. Sie explodierte nicht.

Details zu den Hintergründen nannten die Ermittler nicht und verwiesen auf ermittlungstaktische Gründe. „Allerdings dürften Konflikte, die zwischen den im Schwarzwald-Baar-Kreis tätigen Sicherheitsunternehmen bestehen, die Ursache sein“, hieß es in der Mitteilung des Polizeipräsidiums Tuttlingen. Die Verdächtigen hätten überwiegend einen osteuropäischen Migrationshintergrund.

Die Polizei war bei Durchsuchungen auch mit Hilfe von Spezialkräften gegen die Verdächtigen vorgegangen. Gegen drei der vier Männer wurden Haftbefehle wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz erlassen. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, weitere Spuren müssten ausgewertet werden.

Bei dem Anschlag wurde seinerzeit niemand verletzt. Die Granate war neben einem Container, in dem sich drei Wachleute aufhielten, liegen geblieben. Laut Landeskriminalamt war sie mit Sprengstoff gefüllt und über den Zaun der Einrichtung geworfen worden.

In den vergangenen Tagen sei es der eingerichteten Sonderkommission „Container“ gelungen, Hinweise auf die im Sicherheitsgewerbe arbeitenden Tatverdächtigen zu gewinnen und einen Tatverdacht zu konkretisieren. Bei den Ermittlungen wurde die Sonderkommission durch Spezialisten des Bundeskriminalamtes, des Landeskriminalamtes und des Verfassungsschutzes unterstützt.

Rassistische Gewalt steigt an

Gleichzeitig beobachten Politik und Polizei mit Sorge die steigende rechte Gewalt gegen Flüchtlinge in Deutschland. Unter den vielen Attacken sind auch Anschläge, bei denen der Tod von Menschen in Kauf genommen wurde. Einige Beispiele:

28. Januar 2016 – Barsinghausen bei Hannover, Niedersachsen: Bei zwei Brandanschlägen innerhalb weniger Tage wird zuerst der Rohbau eines Flüchtlingswohnheims zerstört, danach gehen vier Dienstwagen der Stadt in Flammen auf.

27. Januar – Schmölln, Thüringen: Etwa 15 Jugendliche attackieren zwei junge Flüchtlinge. Sie werden durch Schläge ins Gesicht und eine Bierflasche auf den Kopf verletzt.

22. Januar – Ense, Nordrhein-Westfalen: Auf eine Unterkunft für Flüchtlinge werden mehrere Schüsse abgefeuert. Verletzt wird niemand. Der Staatsschutz ermittelt und stellt mehrere Projektile sicher.

10. Januar – Köln, Nordrhein-Westfalen: Rechte Schlägertrupps nehmen die Attacken auf Frauen in der Silvesternacht zum Anlass, um in Köln willkürlich männliche Ausländer zu verprügeln. Die Polizei berichtet von mehreren Verletzten.

4. Januar – Dreieich, Hessen: Am frühen Morgen wird mehrfach auf ein Flüchtlingsheim gefeuert. Ein 23-Jähriger wird durch Schüsse auf das Fenster seines Zimmers am Bein verletzt.

22. Oktober 2015 – Havixbeck, Nordrhein-Westfalen: In einem Linienbus beschimpft ein 52-Jähriger einen Albaner mit ausländerfeindlichen Parolen und verletzt ihn durch einen Stich in die Brust.

3. Oktober – Altena, Nordrhein-Westfalen: Nach einem Brandanschlag auf ein von Flüchtlingen bewohntes Haus droht zwei mutmaßlichen Tätern eine Verurteilung wegen versuchten Mordes.

29. August – Salzhemmendorf, Niedersachsen: Bei einem nächtlichen Anschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft wird ein Brandsatz durch ein geschlossenes Fenster in eine Wohnung geschleudert. Ein Teppich und eine Matratze geraten in Flammen. Eine Frau aus Simbabwe und ihre drei kleinen Kinder, die nebenan schlafen, bleiben unverletzt. Gegen drei Tatverdächtige wird Anklage wegen versuchten Mordes erhoben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Ich verstehe allerdings nicht, warum in dem Artikel die fremdenfeindlichen Anschlähe später aufgezählt werden. Natürlich sind diese schrecklich, Afd/Pegida und Co total ekelhaft, nur was hat das mit diesem Fall zu tun ? Wenn man über Gewalttaten berichtet, erwähnt man ja auch nicht die Fälle von Steuerhinterziehung oder Ladendiebstahl etc..

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Die Verdächtigen hätten überwiegend einen osteuropäischen Migrationshintergrund."

     

    DAS große Problem selbsternannter "Sicherheits"firmen?

    Oder sind das einfach Osteuropa-Gangs?

  • Ein dickes Lob der taz für die Veröffentlichung der Ermittlungsergebnisse, obwohl diese so gar nicht zu der vorgefassten Meinung des politisch-journalistischen Komplexes hierzulande passen. Aber der Absatz "Rassistische Gewalt steigt an", der länger als die eigentliche Meldung ist und mit dieser inhaltlich kaum etwas zu tun hat, ordnet das Ganze dann schon wieder ein - damit nach der Lektüre das Weltbild noch in Ordnung ist.

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    Ja, aber das wichtige ist, dass es sich alle hätten vorstellen KÖNNEN! DAS ist das wichtige!

  • "Gegen drei der vier Männer wurden Haftbefehle wegen eines Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz erlassen."

     

    Wie wäre es mit "versuchter Mord"?

    • @commodore:

      Für den "versuchten Mord" braucht es eine Gewissheit das ein Zünder dabei war.

      Wenn einer dabei war, aber versagt hat: Mordversuch.

       

      War kein Zünder dabei: "Haben den bewusst weggelassen. Wir wollten die nur erschrecken"

  • Wie war das ich habe ein "Eine völlig neue Dimension der Gewalt gegen Flüchlinge" im Ohr von einem Regierungsangehörigen...und jetzt ? Irgendwie täte etwas abwarten auf Ermittlungsergebnisse allen Beteiligten ganz gut.