Handelskrieg zwischen USA und China: Überraschender Durchbruch
So harmonisch haben die USA und China lange nicht mehr miteinander gesprochen. Nun haben sie einen vorläufigen Handelsdeal vereinbart. Nicht nur die Märkte feiern das.

Im Überblick: Beide Staaten reduzieren ihre jeweiligen Importzölle kräftig. US-Zölle auf chinesische Importe sinken demnach von 145 Prozent auf nun 30 Prozent. Peking hingegen streicht die Aufschläge auf US-Einfuhren von vormals 125 Prozent auf moderate 10 Prozent. Die einzige Crux: Vorerst gilt die Regelung nur für die nächsten 90 Tage. Während dieser Übergangszeit verhandeln Peking und Washington weiter über ein nachhaltiges Handelsabkommen.
Das Aufatmen der Märkte war dennoch deutlich spürbar. Der Hongkonger Hang Seng Index stieg umgehend um drei Prozent an, der Kurs der dänischen Reederei Maersk gar um 10 Prozent. Auch die großen US-Werte waren allesamt vorbörslich im grünen Bereich. Kein Wunder: Noch vor wenigen Tagen schien ein Durchbruch im Handelskrieg zwischen den USA und China nahezu undenkbar. Nun hat er gerade einmal zweitägige Verhandlungen in der Schweiz gebraucht.
„Das ist großartig!“, kommentierte Hu Xijin, Pekings führender politischer Publizist, euphorisch. Die Resultate aus Genf hätten die Erwartungen der meisten Leute übertroffen: „Bisher hat kein anderes Land außer China solch gleichberechtigte Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten erzielt.“ Ein Sieg nicht nur für China, sondern auch für sämtliche Verfechter des internationalen Handels.
Peking wünscht sich Augenhöhe
Bei dem ehemaligen Chefredakteur der nationalistischen Global Times ist nicht nur der Stolz auf die Stärke des chinesischen Einparteienstaates herauszuhören. Gleichzeitig wird auch deutlich, dass Pekings patriotische Elite trotz all der anti-westlichen Rhetorik schlussendlich den Wunsch hegt, von den USA akzeptiert und auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden.
Tatsächlich haben die zwei Weltmächte lange nicht mehr so harmonisch miteinander gesprochen wie während des letzten Wochenendes. Als US-Finanzminister Scott Bessent am Montag vor die Presse trat, sprach er glaubhaft vom positiven Eindruck, den Chinas Vize-Premier He Lifeng bei ihm hinterlassen hatte. „Wir sind schnell zu dem Schluss gekommen, dass wir gemeinsame Interessen haben“, sagte der Republikaner. Dazu gehöre auch, dass keine der zwei Seiten eine wirtschaftliche Entkopplung anstrebe.
Interessant war vor allem auch Bessents Sichtweise auf das globale Handelsungleichgewicht: Demnach hätten zwar etliche Staaten die Offenheit der amerikanischen Volkswirtschaft zu ihrem eigenen Vorteil ausgenutzt, sagte der Finanzminister. Aber wie Präsident Donald Trump deutlich gemacht habe, sei jenen Ländern kaum ein Vorwurf zu machen. Stattdessen sei es die Schuld vorangegangener US-Regierungen, das zugelassen zu haben.
Vorsichtige Reaktionen
Von der chinesischen Internetgemeinde wurde der vorläufige „trade deal“ einerseits als Beweis gedeutet, dass China erfolgreich den Bluff einer im Kern schwachen US-Regierung durchschaut hatte. „Die USA sind nur ein Papiertiger“, kommentierte etwa ein User auf der chinesischen Online-Plattform Weibo. Doch gleichzeitig meldeten sich auch moderate Stimmen, die betonten, wie wichtig harmonische Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt seien.
Dass ausgerechnet jetzt beide Staaten eingelenkt haben, hat wohl auch mit den ökonomischen Realitäten zu tun. Trump hat offensichtlich realisiert, dass ein Handelskrieg mit den Chinesen nicht nur zu flächendeckend höheren Preisen für US-Verbraucher führen würde, sondern dass die Vereinigten Staaten mittlerweile bei einer ganzen Reihe an essenziellen Produkten von der Volksrepublik abhängig ist – allen voran in der Pharmaindustrie.
Im Reich der Mitte hingegen hat Staatschef Xi Jinping zwar zuletzt die stählerne Leidensfähigkeit der eigenen Bevölkerung angepriesen. Aber auch Peking will sich keinen handfesten Wirtschaftskonflikt mit den USA leisten: Zu sehr wird die Volksrepublik derzeit von Jugendarbeitslosigkeit, Immobilienflaute und schwachem Binnenkonsum geplagt.
Zudem zeigt sich auch, dass Chinas Parteiführung wohl doch ganz gut mit der Mentalität der neuen US-Regierung klarkommt. Vor dessen Amtseinführung herrschte ein in Grundzügen wertschätzender Eindruck gegenüber Donald Trump vor: Der einstige Immobilien-Tycoon wurde vor allem als knallharter Geschäftsmann wahrgenommen, der gerne poltert und hoch pokert, doch mit dem man am Verhandlungstisch zusammen käme. Die Unberechenbarkeit, die Trump verkörpert, bereitet den risikoaversen Parteikadern in Peking zwar Unbehagen. Doch dass da jemand machtpolitisch auftritt, ist eine Sprache, die in der Volksrepublik nur allzu gut verstanden wird.
Chinas Importe sind um 16 Prozent eingebrochen
Die europäische Handelskammer in Peking hat dagegen vergleichsweise verhalten auf die Verhandlungsergebnisse reagiert. „Die Kammer begrüßt zwar die Entscheidung, jedoch bleiben weiterhin Unsicherheiten“, heißt es in einer ersten Stellungnahme. Kritisch sei vor allem, dass bestimmte Zölle nur für 90 Tage ausgesetzt wurden: „Die Unternehmen brauchen Vorhersehbarkeit, um ihren normalen Betrieb aufrechtzuerhalten und Investitionsentscheidungen zu treffen.“
Diese Haltung ist durchaus begründet. Aus Sicht der EU hat sich der Handel mit China zuletzt katastrophal entwickelt. Im April sind Chinas Importe aus der EU um über 16 Prozent eingebrochen, während gleichzeitig die chinesischen Exporte um mehr als 8 Prozent gestiegen sind. Ganz offensichtlich ist geschehen, was viele Experten prophezeit hatten: Dass Chinas Unternehmen, sobald die USA ihre Pforten schließen, ihre günstigen Produkte in Europa abladen.
Dementsprechend hält sich auch Jorge Toledo, europäischer Botschafter in Peking, mit seiner Kritik derzeit nicht zurück. „Wir sind der festen Überzeugung, dass für unsere Unternehmen in China nicht nur keine gleichen Wettbewerbsbedingungen herrschen, sondern dass sich die Situation auch nicht verbessert. Es muss endlich etwas getan werden“, sagte Toledo Ende vergangener Woche. „Die Marktzugangsschranken werden nicht abgebaut. Sie werden immer höher.“
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