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Handelsabkommen TTIPInvestorenschutz durch die Hintertür

Heimlich nickt das Europaparlament eine EU-Verordnung zu Klagen von Investoren ab. Nur Linke und Grüne haben aufgepasst. Genutzt hat das nichts.

Ausländische Investitionen, wie hier von Vattenfall in ein Braunkohlekraftwerk, müssen geschützt werden – egal, um was es sich handelt Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Kurz vor Beginn des Europawahlkampfes lebt der Streit um das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP wieder auf. Anlass ist ausgerechnet ein Beschluss des Europaparlaments, das TTIP wegen der NSA-Spionageaffäre zunehmend kritisch gegenübersteht.

Denn gegen die Stimmen von Grünen und Linken haben die Abgeordneten nun „Rahmenbedingungen für die Regelung der finanziellen Zuständigkeit bei Investor-Staat-Streitigkeiten vor Schiedsgerichten“ beschlossen – und damit einen zentralen Pfeiler von TTIP abgesegnet.

Die Schiedsgerichte für Investorklagen, auch bekannt als ISDS, sollen europäischen und US-Konzernen die Möglichkeit eröffnen, gegen missliebige Gesetze auf dem jeweils anderen Kontinent zu klagen. Kritiker fürchten, dass damit Sozial- und Umweltstandards in einzelnen EU-Ländern angegriffen und ausgehebelt werden könnten. Mittlerweile teilt sogar die deutsche Bundesregierung diese Bedenken. Hinter den Kulissen plädiert sie für einen Verzicht auf ISDS-Regeln im EU-USA-Abkommen.

Angesichts des Widerstands hat die EU-Kommission das ISDS-Kapitel auf Eis gelegt und eine öffentliche Anhörung gestartet, die noch bis Juni läuft. Die Befürworter sind also in der Defensive, die Kritiker haben eigentlich Oberwasser. Genau in diese Situation platzt nun der Parlamentsbeschluss, der den meisten Abgeordneten offenbar so unangenehm ist, dass sie kein Wort darüber verlieren. Auch im offiziellen Pressedienst des Parlaments findet sich kein Hinweis auf den erstaunlichen Beschluss.

Missachtung der öffentlichen Meinung

Die neue Verordnung regelt die Zuständigkeit in einem ISDS-Verfahren. Bisher gibt es nämlich nur bilaterale Investorschutzabkommen, nun soll auch die EU-Kommission mitreden dürfen. Der Text legt fest, ob ein Mitgliedstaat oder die Kommission in einem Verfahren als Beklagte auftreten, wer die Kosten trägt und wer für eventuelle Schadensersatzansprüche aufkommt. Sie gibt der Kommission auch das Recht, Mitgliedstaaten unter Umständen anzuweisen, einen Vergleich zu akzeptieren.

Die Verordnung war bereits vor einem Jahr ausgehandelt worden und entspricht längst nicht mehr dem aktuellen Diskussionsstand. Dennoch machte die Kommission Druck auf die Parlamentarier, noch vor den Europawahlen zuzustimmen – damit danach und nach Abschluss der ISDS-Konsultation die Verhandlungen mit den USA wieder aufgenommen werden können. CDU/CSU, SPD und Liberale fügten sich und stimmten dem Text mit großer Mehrheit zu.

Dies sorgt nun für wütende Proteste bei Grünen und Linken. „Wir kritisieren scharf, dass die Kommission und der Rat die ISDS Verordnung nun so schnell durchdrücken wollten, ohne zumindest das Ende der Konsultation abzuwarten“, sagte die grüne Europaabgeordnete Ska Keller. „Die Verordnung verfestigt ein völlig veraltetes Modell und könnte hohe Kosten für die EU und ihre Mitgliedstaaten nach sich ziehen“, kritisierte Linken-MEP Helmut Scholz. Er hatte eine Vertagung beantragt, konnte sich jedoch nicht durchsetzen.

Nach Angaben der Grünen konnte der Text immerhin etwas entschärft werden. Ausländischen InvestorInnen werden nicht mehr Rechte als inländischen zugestanden. Allerdings findet sich diese Klarstellung nur in den so genannten Beweggründen – und die sind rechtlich nicht bindend.

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10 Kommentare

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  • jetzt mitmachen, bevor es nach der europawahl zu spät ist und die usa unsere politik steuern -> https://www.campact.de/ttip/denkzettel/mitmachen/

  • Der Investorenschutz ist eine der größten Frechheiten dieses zu erwartenden Abkommens... Auch wenn meine Hoffnungen in den letzten 2, 3 Monaten ein wenig gestiegen sind, dass dieses Abkommen doch scheitern könnte, glaube ich nicht wirklich dran...

    Es ist eine riesige Gefahr für die Demokratie, die hier ganz offen vom Kapital bedrängt und angegriffen wird... Wo ist der Aufschrei?

    Es wäre nur im Sinne der Demokratie, sowie der Bürger, dass TTIP nicht zustande kommt... Nur glaube ich nicht daran, dass der Wirtschaftslobby kein Gehört geschenkt wird. Mit freundlicher Unterstütztung von Konservativen, Liberalen und (Un)Sozialdemokraten wird es kommen...

    Auch die Europawahl wird daran nichts ändern, denn wie "Obsidious" schon schrieb, wer sich nicht mit gesamtgesellschaftlichen Zusammenhängen beschäftigt, und das tun die wenigsten, wählt vermehrt konservativ...

  • @Daniel und Johannes: In Fällen, wie ihr sie beschreibt bin ich voll bei euch.

     

    Aber darum geht es beim Investorenschutz eben gerade n i c h t.

     

    Die Kernkraftwerke z.B., die plötzlich abgeschaltet werden mussten, damit Mutti weiter Wahlen gewinnt, waren genehmigt.

     

    Dass Vattenfall jetzt mit Bezug auf Investorenschutz klagt, ist völlig berechtigt. D hat übrigens seit vielen Jahren über 130 solcher Abkommen.

     

    Die USA sind das strengste Land der Welt, wenn es um Korruptionsverfolgung geht.

  • Stellt euch vor, ihr hättet ein Haus gebaut. Mit ordentlicher Baugenehmigung.

     

    Dann kommt der Staat und zwingt euch, das Haus abzureißen.

     

    Würdet ihr dann nicht auch eine Entschädigung haben wollen?

     

    Warum soll für (ausländische) Investoren etwas anderes gelten?

    • @Meier3:

      Es geht um solche Fälle wie wenn ich mir über "gute Beziehungen" zu den örtlichen Behörden eine Baugenehmigung für - sagen wir mal - eine Mülldeponie in einem Wasserschutzgebiet geholt habe und jetzt nach einem Regierungs- und damit einhergehenden Personalwechsel in diesen Behörden alte Verträge überprüft und meine schöne Baugegehmigung für nichtig erklärt wird.

    • @Meier3:

      Ein Haus mit ordentlicher Baugenehmigung kann durch Zwang des Staates nicht abgerissen werden, aber ein Haus ohne Baugenehmigung kann, dann auch begründet, abgerissen werden. Ihr Vergleich bestätigt die Position der TTIP KritikerInnen.

  • Können wir uns nicht teure Parlamente langsam sparen, wenn letztlich die Kartelle die Politik machen?

    Ach so - das hatte ich fast vergessen - wir leben ja in einer Demokratie!

    • @amigo:

      Warum nicht an der Unterstützung der Kartelle sparen und für mehr demokratische Einflussnahme und Kontrolle plädieren? Was vermissen Sie an einer nicht-zynischen Haltung?

  • "Nach Angaben der Grünen konnte der Text immerhin etwas entschärft werden. Ausländischen InvestorInnen werden nicht mehr Rechte als inländischen zugestanden. Allerdings findet sich diese Klarstellung nur in den so genannten Beweggründen – und die sind rechtlich nicht bindend."

     

    "Rechtlich nicht bindend" heisst: da wurde nur Kosmetik betrieben. Soviel zu den Grünen.

     

    Das ganze ist ein undemokratisches Trauerspiel: die EU fest in der Hand der Lobbyisten. Ohne Druck von der Strasse läuft da nichts.

    • @h4364r:

      Druck von der Straße? Ich bitte Sie. Die 24/7-Verblödungsmaschinerie trägt schon dafür Sorge, dass das Schwein beim Schlachter bleibt.

       

      Man könnte meinen, Ende Mai kommt das Dicke Ende. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass insbesondere wer sich nicht für Politik und gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge interessiert, konservativ wählt.

       

      Nur so ist die Entpolitisierung der "Wahlkämpfe" zu erklären und ich bin sicher, die Rechnung wird auch bei den Europawahlen wieder aufgehen.

       

      Das Freihandelsabkommen und weitere dieser Art werden kommen. Die Investorenschutzabkommen werden uns noch lange zu schaffen machen, ebenso wie die einst gefeierte Schuldenbremse.

       

      Es wird sich nicht verhindern lassen, schon gar nicht durch die Straße.