Hamburgs Schulsenator hört auf: Der Oberlehrer geht
Schulsenator Ties Rabe (SPD) ist am Montag nach 13 Jahren aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Die Linke sieht darin auch eine Chance.
Rabe war 2011, als der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ihn zum Schulsenator machte, ein Überraschungskandidat. Und nahezu eine Provokation in diesem Amt. Denn Rabe hatte zuvor eine verkürzte, halbe Legislatur lang in der Opposition die Schulpolitik seiner Grünen-Vorgängerin Christa Goetsch hart attackiert und galt lange Zeit als Wegbereiter jener Bewegung von Gymnasialeltern, die Teufel komm raus die sechsjährige Grundschule verhindern wollten und dies 2010 mit einem Volksentscheid auch schafften.
Rabe war selber Gymnasiallehrer und hatte mit moderner, neuer Lernkultur nicht viel am Hut. Aber er setzte etliche Reformen um, die unter der zuvor gescheiterten schwarz-grünen Regierung schon angeschoben wurden. So schaffte Hamburg zum Beispiel das Sitzenbleiben ab, setzte das Recht auf inklusive Beschulung um und baute alle Grundschulen – meist durch eine additive, nachmittäglich Betreuung – zu Ganztagsschulen aus.
Und Rabe verwaltete jenen „Schulfrieden“, der 2010 zwischen allen Rathaus-Fraktionen außer der Linken geschlossen wurde und der besagte, dass man für zehn Jahre das Gymnasium nicht antastet und sich „Schule für alle“-Diskussionen verkneift. 2019 wurde dieser Pakt um weitere fünf Jahre verlängert, und der FDP und CDU zugestanden, dass in den Bildungsplänen wieder mehr Faktenwissen verankert sein soll.
Zu viel „old school“
Der auch stets akkurat mit Schlips und Anzug gekleidete Rabe hat mit seiner Schulpolitik stets der konservativen Presse gut gefallen. In Kreisen, die Schule modernisieren und erneuern wollten, war er deshalb um so weniger beliebt.
Wegen dem im stillen Kämmerlein verhandelten zweiten Schulfrieden trat im September 2019 sogar ein breites Bildungsbündnis „Mehr Zukunft in Schule“ auf den Plan, in dem sich Pädagogen, Eltern und Schüler über zu viel „old school“ in der Schulpolitik beklagten – mit dabei waren übrigens auch die Schulleiter der Gymnasien. Und als Rabe vor einem Jahr seine neuen Bildungspläne vorstellte, drohten seine Kritiker gar mit einer Volksinitiative.
Und doch gilt Rabes Politik als erfolgreich. Dies hallte auch in den Statements der Politiker zu seinem bevorstehenden Rücktritt wieder. Als Erfolg gilt auch, dass der Mann auf diesem Posten überhaupt so viele Jahre durchgehalten hat, einschließlich der schwierigen Coronazeit.
Seine Nachfolgerin soll die bisherige stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ksenija Bekeris werden. Die 45-Jährige ist Berufsschullehrerin und seit 16 Jahren im Parlament, ist aber schulpolitisch ein unerfahrenes Blatt. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte, Bekeris werde „ihre große Fachkompetenz“ von Nutzen sein. Wer sie kenne, wisse, dass sie als Berufsschullehrerin Hamburgs Schulen aus der Praxis kenne und „für Bildungs- und Chancengerechtigkeit brennt“.
Linke hoffen auf gerechtere Bildung
Die Linke Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus, die früher selber in der SPD war und Rabe noch als Genosse kannte, war all die Jahre seine schärfste Kritikerin. Sie sagte, sie wünsche Rabe rasche Genesung und bedanke sich für seine engagierte Arbeit.
Sein Rücktritt von der Behördenspitze bedeute aber auch, dass sich nach 13 schwierigen Jahren die Kommunikation mit den bildungspolitischen Gremien, Initiativen und Interessenverbänden „wesentlich verbessern“ könne. „Echte Augenhöhe und Mitwirkung, das wäre mein Wunsch an Ksenija Bekeris“, sagte sie. „Außerdem sehe ich die Chance, dass Bildung gerechter wird.“
Bekeris hat nun noch gut ein Jahr Zeit bis zur Hamburg-Wahl, um sich auf dem Posten zu profilieren, an dem künftig auch die Grünen, die kürzlich ein innovatives Bildungsprogramm verfassten, wieder Interesse haben könnten. Gleich mehrere Grünen-Politikerinnen dankten Rabe für seine Arbeit und wünschten der Nachfolgerin alles Gute. Die Landeschefin Maryam Blumenthal sagte, Bekeris trete ihr Amt in herausfordernden Zeiten an. Auch sie nannte die „Verbesserung von Bildungsgerechtigkeit“ als dringende Aufgabe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!