Hamburgs Proteste gegen Büste halfen: Sklavenhändler abgeräumt
Hamburgs Schimmelmann-Büste musste 2008, nach nur zwei Jahren, massiven Protesten weichen. Als Wohltäter gilt der Sklavenhändler teils bis heute.
Auch Heinrich Carl von Schimmelmann (1724–1782), dem die Vorbilder dieser Repliken gehörten, war nie in Afrika. Dabei besaß er zeitweilig 1.000 Versklavte. Wie schwarze Menschen aussehen, wusste er allerdings schon, hat er sich doch einige Gefangene mitbringen lassen, um sie als Diener zu beschäftigen oder zu verkaufen. Schließlich galten schwarze DienerInnen damals als Visitenkarte der Hautevolee. Gern ließ man sich auch mit ihnen malen – ein zynisches Spiel mit dem Kontrast zwischen Schwarz und Weiß.
Von Schimmelmann gibt es auch so ein Bild. Seinen Ruf als „Wohltäter von Wandsbeck“ – das „c“ im Namen ging im 19. Jahrhundert verloren – hat es nicht geschmälert. Die bis zur Eingemeindung durch die Nazis im Jahr 1937 selbständige Stadt sei durch ihn reich geworden, lautet eine beliebte Erzählung: Er habe Armenfürsorge betrieben und niedrige Mieten genommen. Über die Qualität dieser Wohnräume schweigt die Legende. Jene Löwen, die die Auffahrt zum längst abgerissenen Schimmelmann-Schloss säumten, reichen wohl als Beleg für seinen erlesenen Geschmack.
Dabei ehren die Tiere selbst auf dieser lauten Verkehrsinsel noch ihren einstigen Gebieter: Blendet man den Busbahnhof aus, führt eine gerade Linie von den Löwen zum Schimmelmann-Mausoleum gleich gegenüber. Diesen klassizistisch weißen Kubus mit Kuppel hatte er sich schon zu Lebzeiten bauen lassen, mit Marmorsarkophagen für sich und seine Frau.
Wandsbeks graue Eminenz
Weithin sichtbar, dominiert das Gebäude den Marktplatz bis heute, als sei die Graue Eminenz noch da, assistiert vom nahbei bestatteten Dichter Matthias Claudius, Redakteur des Wandsbecker Bothen. Herausgeber des literarisch hochkarätigen Blatts war der damals längst reiche Schimmelmann, Schatzmeister des dänischen Königs.
Dabei war der pommersche Kaufmann zunächst als Kriegsgewinnler zu Geld gekommen: Im Siebenjährigen Krieg hatte er dem Preußenkönig Friedrich II. Getreide geliefert und dafür konfisziertes Meißner Porzellan erhalten – heute würde man es „Raubkunst“ nennen. Dessen Versteigerung war so einträglich, dass Schimmelmann unter anderem das Ahrensburger Schloss, eine Zuckerraffinerie, Baumwollwebereien, eine Branntweinbrennerei sowie die einzige Waffenproduktion Dänemarks kaufen konnte. Dazu vier Zuckerplantagen auf den „Dänisch-Westindischen Inseln“.
Jetzt konnte Schimmelmann groß in den „Transatlantischen Dreieckshandel“ einstiegen: Kattun, Branntwein, Schießpulver und Gewehre tauschte er an Afrikas Guineaküste gegen Sklaven. Die brachte er – auf martialisch gesicherten Schiffen – in die Kolonien in Nordamerika und in der Karibik. Etliche Menschen verkaufte er weiter, andere mussten auf seinen Plantagen Baumwolle und Zuckerrohr anbauen. Manufakturen in Altona und Flensburg verarbeiteten sie später zu Kattun und Rum – für Afrika und den Rest der Welt. Und fertig war der „Wirtschaftskreislauf“ des größten privaten Sklavenhändlers seiner Zeit.
Über all dies liest man wenig auf der Schrifttafel am Wandsbeker Mausoleum. Seinen Reichtum habe Schimmelmann „unter anderem durch Handel mit Kattun, Gewehren, Zuckerrohr, aber auch mit Menschen als Sklaven“ erlangt, steht da nur. Wie brutal es auf seinen Inseln St. Thomas, St. Croix und St. John zuging, zeigt indes das Strafreglement des „St. John’s Slave Code“: „Rädern, Verbrennen auf dem Scheiterhaufen, das Herausreißen von Fleischstücken mit glühenden Zangen oder die Amputation eines Beins drohten – ein Repertoire mittelalterlicher Strafen“, sagt die Hamburger Künstlerin und Aktivistin Hannimari Jokinen.
Waisenkinder webten Baumwolle
Und was die „harmlosere“, da in Altona angesiedelte Kattun-Produktion betraf: „Dafür mussten Waisenkinder aus Schimmelmanns Armenfürsorge-Einrichtungen an langen Arbeitstagen Baumwolle und Wolle weben“, schreibt Hannimari Jokinen in den „Hamburg-Biographien“ der Landeszentrale für politische Bildung.
Da irritiert es schon, dass Schimmelmann den Sozialreformer Johann Friedrich Struensee ebenso schätzte wie die Aufklärer Voltaire und Montesquieu. Doch auch sie befürworteten die Sklaverei. Aufklärung galt nur für Europäer.
Aber selbst dort scheint sie nie ganz angekommen zu sein. Hätten sonst Wandsbeks Bezirksamts-Chef Gerhard Fuchs (CDU) und Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos) 2006 die Installation einer Schimmelmann-Büste auf dem Wandsbeker Markt initiiert? Gesponsert von der (inzwischen insolventen) Hamburger Firma Imtech, stellte man die Bronzebüste der Fürther Künstlerin Antje Jakob in einen Park direkt vorm Bezirksamt.
Der Protest begann sofort: Monatelang demonstrierten Künstler und Hamburgs Black Community, bemalten die Büste (blut-)rot, forderten in Bezirksversammlungen den Abbau. Hannimari Jokinen kuratierte das Kunstprojekt „wandsbektransformance. Die Gegenwart des Kolonialen“ und lud KollegInnen ein, in der nahen Schimmelmann-Straße zu arbeiten.
Gesprühte „Sklavenschiffe“
Unter anderem wurden Passanten eingeladen, sich auf die Straße zu legen. Man umsprayte ihre dicht nebeneinander liegenden Körper, deren Silhouetten zusammen den Grundriss eines „Sklavenschiffs“ ergaben. „Einige Anwohner waren interessiert“, berichtet Jokinen. Andere seien aggressiv gewesen und hätten gesagt, das alles sei doch lange her.
Aber nicht lange genug, um den Protest zu knebeln. Und siehe da, in einer Augustnacht 2008 verschwand die Büste. Laut Aktenvermerk, so ein Bezirksamtssprecher, sei die Büste „vom Eigentümer Fa. Imtech zurückgenommen und an den Künstler zurückgegeben“ worden. Künstlerin Antje Jakob indes sagt auf taz-Anfrage, sie habe die Büste nicht und wisse nichts über ihren Verbleib.
Fast könnte man denken, es habe diese Skulptur nie gegeben. Selbst ihren einstigen Standort wird man zwischen Parkbank und Baumwurzeln vergebens suchen.
Mehr zu den bis heute prominent in Ehren gehaltenen Profiteuren und Vorreitern des Kolonialismus lesen Sie in der taz nord an diesem Wochenende – oder hier.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach