Hamburger Senat mit neuer Strategie: Widerständiges wird weggeklagt
Statt auf Kompromisssuche zu gehen, klagt der Hamburger Senat immer häufiger gegen Volksinitiativen. Es sollte anders sein.
D as Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts war kaum überraschend: Die Forderungen, die die Volksinitiative „Bürgerbegehren und Bürgerentscheide jetzt verbindlich machen – Mehr Demokratie vor Ort“ formuliert hatte, verstoßen gegen die Landesverfassung. Wütend hingegen macht, dass sich mit dem Urteil erneut zeigt, wie es dem rot-grünen Senat seit einiger Zeit beständig gelingt, missliebige Einmischung – besonders auf juristischem Wege – schnell abzukanzeln.
Die Freude bei SPD und Grünen ist nun groß: „Die Einheitsgemeinde ist eine große Errungenschaft unserer Stadt, die es zu bewahren gilt. Sie schafft Identität und hält unsere Stadt über alle Ebenen hinweg handlungsfähig“, frohlockte der verfassungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Olaf Steinbiß, pathetisch, als habe die Initiative versucht, die heiligen Rathausmauern niederzureißen. Immerhin etwas nüchterner und ausgewogener, aber ähnlich zufrieden, äußerten sich die Grünen nach dem Urteil.
Dass es vielleicht doch ein Problem ist, wenn es eine Volksabstimmung gibt, aber der Wahlausgang vom Senat einfach beiseite gewischt werden kann, dazu wollte sich bislang niemand so recht äußern. Stattdessen lautete die Parole hier: Frühzeitig die Initiative vor das Verfassungsgericht zerren, bevor die inhaltliche Debatte darüber an Fahrt gewinnen kann. Das Kräfteverhältnis auf der juristischen Ebene ist ja ziemlich klar, an genügend Jurist:innen mangelt es einer Landesregierung selten.
Und dieser Weg wurde zuletzt häufig gewählt: Da war die Volksinitiative zur Streichung der Schuldenbremse in der Landesverfassung. Rot-Grün könnte diese mit ihrer Mehrheit streichen. Doch vom Senat war öffentlich kaum eine Äußerung zum Inhalt zu vernehmen, man pochte einzig auf rechtliche Probleme randständiger Aspekte. Das Verfassungsgericht kassierte dann auch dieses Volksbegehren.
Zurückziehen auf die juristische Ebene
Ebenso war es bei der Volksinitiative, die sich für mehr Pflegepersonal im Krankenhaus einsetze. Auch hier landete die Forderung schnell vor Gericht. Und in Hamburg wie in Berlin gibt es eine Volksinitiative, die sich für das Erproben eines bedingungsloses Grundeinkommens gründete. So eine Erprobung kann man sinnvoll oder auch nicht finden – aber verfassungswidrig? Der Berliner Senat prüfte nach erfolgreicher Einreichung der notwendigen Unterschriften das Vorhaben. Und Hamburg? Genau, der Fall liegt derzeit mit der Klage des Senats beim Verfassungsgericht.
Durch das ständige Zurückziehen auf die juristische Ebene machen es sich die politischen Entscheidungsträger:innen zu leicht. Mehr noch zeigt sich mittlerweile: Rot-Grün arbeitet beständig daran, barsch durchzuregieren und sich nicht mehr auf inhaltliche Debatten einzulassen. Es wird nun betont, dass es ja bei rechtlichen Bedenken schlicht die Pflicht sei, das Gericht anzurufen. Die Zeit, in der der rot-grüne Senat durch Dialog versucht, einen Kompromiss mit Volksinitiativen auszuloten, ist wohl vorbei. Jetzt werden nur noch die Jurist:innen vorgeschickt.
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