Hamburger Nahverkehrs-Ideen: Grüne ziehen rote Karte
Hamburgs Grüne wollen mehr Menschen vom Auto wegbringen – im Sinne des Klimaschutzes und möglichst sozial gerecht.
Das taten Katharina Fegebank, Zweite Bürgermeisterin mit der erklärten Ambition auf Höheres, und Fraktionschef Anjes Tjarks dann am späten Freitagvormittag auch – aber in der Geschäftsstelle der Partei, ein paar Minuten entfernt vom Rathaus; ein paar Minuten zu Fuß, um ganz genau zu sein.
Bedeutsam wirkte diese Raumänderung, weil auch das, was dann vorgestellt wurde, Sachpolitik nur unter anderem gewesen sein könnte – und umso mehr das Unterstreichen grüner Unverwechselbarkeit: Es stehen ja Wahlen an, früh im neuen Jahr.
Wie es aber um den Nahverkehr bestellt ist und wie er besser werden könnte in einer wachsenden Stadt, dieses Thema hatte gerade erst der Koalitionspartner zu besetzen versucht: mit der Vorstellung eines kommenden „Hamburg-Takts“ und allerlei anderen ÖPNV-Verbesserungen am Mittwoch. Eigentlich war’s natürlich der ganze Senat, der dazu eingeladen hatte, bloß: Wer war da neben den Vertretern der Verkehrsunternehmen vor die Journalist*innen getreten? Der Erste Bürgermeister, Peter Tschentscher (SPD).
Mehr Köpfe, weniger Kosten
Waren es am Mittwoch irgendwie auch grüne Pläne, galt es die am Freitag nun als umso grüner zu verkaufen. Und war es da um Ausbau und Erweiterung und technische Innovation gegangen, setzten die Grünen nun auf eine gern als rot wahrgenommene Schlüsselkompetenz: das Soziale.
Denn das neue Tarifsystem sei, klar, auch „klimafreundlich“, so eröffnete Fegebank am Freitag. Zum Erreichen der Klimaziele sei es nötig, dass etwa ein Drittel aller Wege in der Stadt zum Ende des Jahrzehnts mit dem ÖPNV zurückgelegt würden. „Klima hat viel mit Verkehr zu tun“, so Fegebank.
Genutzt werden Busse und Bahnen besonders stark von Menschen der unteren Einkommensgruppen; Menschen, die sich kein Auto leisten könnten, sagte Tjarks. Habe stets gegolten: „Mehr Köpfe, mehr Kosten“, sage man mit dem neuen Konzept: „Mehr Köpfe, weniger Kosten.“
Fünf Bausteine wollen die Grünen einführen, um bei immer mehr Einwohner*innen und wachsenden Mobilitätsbedürfnissen trotzdem den Anteil des Autoverkehrs zu senken – gerichtet an Schüler*innen, Familien, jungen Erwachsene sowie Senior*innen, also solche Gruppen, die entweder weniger Budget haben oder besondere Lasten schultern müssen.
Herzstück ist ein neues Familienticket, denn Familien haben derzeit noch zu einem besonders hohen Anteil ein Auto – oder gleich mehrere davon: Sobald mindestens ein Kind im Haushalt lebt, sinkt im neuen Tarifsystem der Preis: So zahlen zwei Erwachsene und ein Kind ab zehn Jahre zusammen monatlich 150 Euro für ein Abonnement-Ticket – derzeit sind es gut 220 Euro Gesamtkosten.
Den Lebenslagen angemessen
Bei drei oder mehr Kindern würden insgesamt 190 Euro anfallen statt der 290 Euro, die es derzeit sind. Kinder unter zehn Jahren würden grundsätzlich kostenlos fahren, derzeit gilt das für Kinder bis sechs Jahre. Dabei wollen die Grünen keine allzu überkommenen Definitionen davon zugrunde legen, was eine Familie ist – es können auch Enkelkinder sein oder adoptierte (und dass es Vater, Mutter, Kind sein müssen, das dichtete die dpa dem Konzept ohne Not an).
Kinder sind in diesem Zusammenhang Menschen bis zum 21. Lebensjahr. Daran schließt sich eine preisreduzierte Monatskarte für junge Erwachsene bis 30 Jahre an: Sie würden statt wie derzeit 90 Euro nur 60 Euro zahlen. Für Schüler*innen und Auszubildende gäbe es eine Jahreskarte zum Preis von 360 Euro, und während sich bei den Senior*innen der Preis nicht ändern soll, entfielen geltende Nutzungsbeschränkungen. Es gäbe also immerhin mehr ÖPNV fürs Geld.
Apropos Geld: Andere kursierende Nahverkehrs-Innovationskonzepte sind griffiger, passen wenn nötig in einen Tweet, sei’s die Kostenfreiheit für Jüngere oder die 365-Euro-Jahreskarte. Tjarks nun unterstrich, dass das eigene Konzept solide durchgerechnet sei und also zukunftstauglich – und das sei der Schlüssel zur Akzeptanz. Eine Sichtweise, der sich etwa die Linksfraktion – zu deren Markenkern das Soziale ja mindestens so sehr gehört wie bei der SPD – nicht anschließt: Sie bemängelte am Grünen-Konzept, es sei „seltsam mutlos“.
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