Hamburger Korrupionsaffäre weitet sich aus: Der beschuldigte Kandidat
Im Rahmen der Rolling-Stones-Affäre ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft gegen den SPD-Fraktionschef im Bezirk Nord wegen Bestechlichkeit im Amt.
HAMBURG taz | Bislang ist er unter dem Radar gesegelt. Während im Rahmen der Affäre um die Vergabe von Frei- und Vorzugskarten für das Rolling-Stones-Konzert im Stadtpark Köpfe rollten, hat sich Thomas Domres, Chef der SPD-Fraktion im Bezirk Nord, bislang schadlos gehalten. Derzeit zieht der 56-Jährige auf Platz 2 der SPD-Bezirksliste in den Bezirkswahlkampf, kann damit so gut wie sicher sein, am 26. Mai wiedergewählt zu werden.
Aber was seine potenziellen WählerInnen bislang nicht wissen: Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Domres einer schweren Straftat – der Bestechlichkeit im Amt, einem Delikt, das mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet wird. Entsprechende Ermittlungen wurden, bereits am 5. Februar von der Hamburger Generalstaatsanwaltschaft übernommen, der obersten Instanz im staatsanwaltschaftlichen Apparat.
Schon früh hatte Domres öffentlich eingeräumt, von den 100 Stones-Freikarten, die das Bezirksamt Nord als Konzertgenehmigung ausstellende Behörde vom Konzertveranstalter FKP Skorpio bekam, zwei Sitzplatzkarten erhalten zu haben. Zusammen mit seiner Frau Anja, der Vizechefin des Hamburger Verfassungsschutzes und heutigen SPD-Kreischefin Hamburg-Nord, habe er für lau das Konzert besucht.
Auch gegen Anja Domres ermittelte die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich wegen der Stones-Karten, stellte ihre Ermittlungen aber mangels Tatverdacht inzwischen ein. Stattdessen wird nun umso intensiver gegen ihren Mann ermittelt.
Vorwurf: Bestechlichkeit
Viele andere Bezirksabgeordnete auch anderer Fraktionen habe er dort getroffen, bemühte sich Domres seine Annahme der Gratiskarten als ganz normal hinzustellen. Mit einem Teilerfolg: Die Medien ließen von Domres ab, weil es nach seinem Geständnis scheinbar nichts mehr zu entlarven gab. Die Staatsanwaltschaft aber stürzte sich dafür mit voller Kraft auf den Mandatsträger.
Dabei fällt auf, dass sie, anders als bei anderen Beschuldigten, nicht wegen Vorteilsnahme, sondern wegen Bestechlichkeit von Mandatsträgern ermittelt. Das würde bedeuten, dass Domres nicht nur einen unerlaubten Vorteil aus seinem Mandat gezogen hat, sondern diesen als Gegenleistung für eine Amtshandlung erhalten hat.
Damit stellt sich die Frage: Welche Rolle spielte Domres bei der Genehmigung des Stones-Konzerts, die nur mit zahlreichen Ausnahmegenehmigungen möglich war und bei der vom Veranstalter deutlich weniger Platzmiete als möglich verlangt wurde?
Domres kann sich bei seiner Kandidatur auf die Unschuldsvermutung berufen, zumal auch die Staatsanwaltschaft, so ihre Sprecherin Nana Frombach, noch voll in den Ermittlungen steckt und noch „weit von einer Anklageerhebung entfernt“ ist. Doch andere Beschuldigte, wie die designierte Bezirksamtsleiterin Yvonne Nische (SPD), nahmen ebenfalls aufgrund der laufenden Ermittlungen noch vor der Anklageerhebung den Hut.
Verkehrsstaatsrat Andreas Riekhof (SPD) musste vergangene Woche 3.000 Euro auf den Tisch legen, um ein Strafverfahren abzuwenden – doch Riekhof hatte, im Gegensatz zu Domres, die beiden von ihm genutzten Stones-Karten sogar bezahlt, nur den Vorteil gehabt, an Karten zu kommen, die auf dem freien Markt nur schwer zu kriegen waren. Domres aber sparte mindestens 336 Euro ein, das Bezirksamt hatte Sitzplatzkarten zu vergeben, die regulär pro Stück zwischen 168,40 und 222,15 kosteten.
Nicht die beste Idee
Während andere Beschuldigte also längst über die Stones-Tickets stolperten, Amt, Würden oder Geld verloren, startet Domres nun trotz Bestechlichkeitsvorwurf noch einmal richtig durch, will erneut in die Bezirksversammlung und dort zum SPD-Fraktionschef gewählt werden.
Von den Ermittlungen wusste Domres nach eigenem Bekunden bislang nichts. Im Gespräch mit der taz betonte er am Donnerstag, „er wisse nichts von dem Ermittlungsverfahren“ gegen seine Person und halte es schlicht für „absurd“. An keiner Stelle habe er politischen Einfluss auf die Konzertausrichtung, „die wir alle wollten“, oder auf die Ausrichtungs-Modalitäten genommen.
Dass er die Freikarten von Ex-Bezirkschef Harald Rösler angenommen habe, sei sicher nicht seine „beste Idee gewesen“, den ungefähren Gegenwert der Karten, auf denen kein Preis gestanden habe, habe er dann später dem Kulturhaus Eppendorf gespendet – 300 Euro seien das gewesen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“