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Hamburger FlüchtlingsstreitDie Fronten bleiben verhärtet

Die Gruppe der Lampedusa-Flüchtlinge in Hamburg lehnt das Senatsangebot einer Duldung für die Dauer des Antragsverfahrens ab.

Flüchtlingssprecher Auquo Udo und Anwältin Daniela Hödl: Wir kämpfen für unser Recht. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Streit um ein Bleiberecht für die Flüchtlinge der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ spitzt sich erneut zu. Sprecher der Gruppe sagten am Dienstag, dass sie nach wie vor an der Forderung nach einer Gruppenlösung nach Paragraf 23 des Aufenthaltsgesetz festhalten.

Ihre Identitäten wollen sie erst dann preisgeben, wenn der Senat sich gesprächsbereit zeigt. Der Hamburger Senat bleibt bei seinem Kurs: Er will, dass die rund 300 Männer sich bei den Behörden melden und stellt im Gegenzug ein „klares, transparentes Verfahren“ in Aussicht.

Auf der Pressekonferenz am gestrigen Dienstag erklärten die Gruppe der Flüchtlinge aus dem libyschen Bürgerkrieg und ihre Unterstützer, dass sie das Angebot des Hamburger SPD-Senats in der aktuellen Form ablehnen. In der vergangenen Woche hatte Innensenator Michael Neumann (SPD) den rund 300 Männern, die nach eigenen Angaben in Italien bereits ein Asylverfahren durchlaufen haben, eine Duldung bis zum Ende der Einzelfallprüfung für den Fall zugesichert, dass sie in Hamburg erneut normale Asylverfahren durchlaufen.

„Der Vorschlag des Senats ist zwar eine Garantie, beinhaltet aber keine Entscheidung in der Sache“, sagte die Anwältin der Gruppe Daniela Hödl. Die Stadt bleibe bei der Auffassung, das es keine Aufenthaltserlaubnis für die Gruppe geben könne. De facto handele es sich bei der Duldung um einen temporären Abschiebestopp, der die Integration der Männer verhindere und das Problem nur in die Zukunft verschiebe.

Die Gruppe schlägt vor, eine Kommission einzurichten, in der eine konstruktive Lösung mit der Stadt erarbeitet werden soll. Das lehnt der Senat aber ab. Ein Hauptstreitpunkt ist die Frage nach den Personalien.

Lampedusa in Hamburg

Seit Jahresanfang befinden sich rund 300 vor dem libyschen Bürgerkrieg geflohene Afrikaner in der Stadt, die sich zur Gruppe "Lampedusa in Hamburg" zusammengeschlossen haben. Sie haben in Italien Asylanträge gestellt und Reisepapiere erhalten.

Rund 80 Männer übernachten seit Juni in der St.-Pauli-Kirche.

Aus Furcht, abgeschoben zu werden, weigern sie sich ihre Identität preiszugeben. Sie verlangen ein Bleiberecht als Gruppe aus humanitären Gründen.

Mit Personenkontrollen versuchte die Polizei, die Flüchtlinge aufzuspüren. 20 Flüchtlinge wurden kontrolliert. Die Maßnahme wurde durch eine Klage gestoppt.

Keine Identitäten preisgeben

Nach wie vor wollen die Lampedusa-Flüchtlinge nicht ihre Identitäten preisgeben, solange sie vom Senat kein positives Signal bekommen. „Wir als Gruppe verstecken nicht unsere Identitäten, der Senat hat vielfach geäußert, dass wir zurück nach Italien gehen müssten“, sagte der Sprecher Lampedusa-Flüchtlinge, Kofi Anane Mark.

„Würde die Bereitschaft signalisiert, dass uns geholfen wird, dann sind wir jederzeit bereit, unsere Identität zu zeigen“, so Mark. „Was wir aber gesehen haben, sind Kontrollen – wir sind gejagt worden, dabei wollen wir einfach in Freiheit leben.“

Doch die Senat bleibt hart. „Niemand sollte die Flüchtlinge zur Durchsetzung eigener politischer Ziele missbrauchen“, sagt Neumann. Es nütze den Flüchtlingen auch nichts, wenn ihnen immer und immer wieder falsche Hoffnungen gemacht würden, von denen die vermeintlichen Berater selbst wüssten, dass sie unerfüllbar sind.

„Rechtsstaatliche Grundsätze sind nicht verhandelbar, auch Kommissionen helfen da nicht weiter.“ Der Innensenator appellierte am Dienstag erneut an die Flüchtlinge, ihre Identität und Fluchtgeschichte offenzulegen, um in ein Verfahren zu kommen, wie es für hunderte andere Flüchtlinge obligatorisch sei.

Vergangene Woche hatte sich die Bischöfin der evangelischen Nordkirche Kirsten Fehrs für Einzelfallprüfungen ausgesprochen. Aus der Innenbehörde habe sie „Signale“ erhalten, dass die Flüchtlinge nach Stellung eines Asylantrags sofort eine Arbeitserlaubnis bekämen, heißt es auch Kirchenkreisen. Nach dem Gesetz ist das jedoch heute erst nach einem Jahr, ab 1. Dezember nach neun Monaten möglich.

„Der Senat hat zugesichert, dass alle, die jetzt Asyl beantragen, in Hamburg bearbeitet werden.“ sagte St. Pauli-Pastor Sieghard Wilm der taz. Deshalb hält er auch „trotz aller Unsicherheiten“ den Schritt für eine „zukunftsweisende Entscheidung“. Laut Wilm wollen rund 25 der in der Kirche untergebrachten Flüchtlinge von dem Angebot Gebrauch machen und ihre Personalien offen legen.

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12 Kommentare

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  • U
    Ursula

    Kann man mal erklären, weshalb hier nicht den bei uns gültigen GESETZEN gefolgt werden soll?

    Flüchtlinge, die sich nicht ausweisen und gegen unsere Asylgesetze stellen ,würde ich SOFORT zurückschicken.

    Gruppen , die dieses Verhalten unterstützen, arbeiten gegen unser Land.

  • G
    Gast

    Ich vermisse bei den LINKEN eine klare Distanzierung gegen die Gewalt der Linksextremisten. Klammheimliche Freude auf Kosten der Flüchtlinge? Woher sollen die Flüchtlinge wissen wer ihnen wirklich helfen will und wer sie instrumentalisiert um das verhasste System vorzuführen? Dieses Vorgehen ist nur noch abstoßend. Kann nur zustimmen: Flüchtlinge, wendet Euch an seriöse Beratungsstellen von Menschenrechtsgruppen oder wie schon genannt: Pro Asyl oder die Flüchtlingsberatung der Diakonie.

  • D
    D.J.

    @Pete,

     

    Danke für die Info - wusste ich bisher nicht. Die Vernunft scheint zu siegen. Freut mich für die Migranten, schadenfreut mich mich für die ultralinken Egomanen.

  • Antwort an den Hamburger Senat und Vorschlag zur Lösung im Sinne von Menschenwürde und Menschenrecht:

     

    http://lampedusa-in-hh.bplaced.net/wordpress/935/

    • G
      Gast
      @Rossignol:

      Wie gut, dass die Kirchenflüchtlinge bessere Berater gefunden haben.Wie will Eure Lampedusagruppe gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung, gegen Kirche, gegen Senat Gruppenlösungen ohne Identifizierung durchsetzen? Mit Gewalt? Es ist unverantwortlich, den Flüchtlingen das einzureden. Sie werden sich ausweisen müssen. Entweder ohne oder mit Kontrollen.Die Lamedusagruppe hat absolut keinen Auftrag vom Wähler erhalten Gesetze zu machen oder über Kriegsschuld zu entscheiden.Erkennt Eure Grenzen, dass Eure Lösung Eure Meinung ist,aber dass das Gesetz in diesem demokratischen Land ein anderes ist. Sagt das den Flüchtlingen ehrlich.Alles andere ist Missbrauch der Lage von Flüchtlingen.

    • SL
      statistiken lesen
      @Rossignol:

      Eine durchaus nicht uninteressante Lektüre (wobei sich natürlich die Frage stellt ob das wirklich der Vorschlag der Betroffenen ist oder nicht eher der ihrer Anwälte/Unterstützer), allerdings voll einiger kruder ideen (in wiefern sollte das vorhanden sein von Papieren die Kontrolle selbiger rechtswidrig machen, das doch eben der sinn von papieren).

       

      Ebenso ist die Schuld für den Krieg in Lybien alleine in Europa zusuchen und daraus einen Anspruch auf Wiedergutmachung zu konstuieren recht weit hergeholt.(abgesehen davon was wollen sie dann in Deutschland, wir haben jegliche Intervention abgelehnt,dann müssten sie doch weiter nach frankreich)

       

      Was aber am ende überbleibt ist doch eher die Frage, wodrauf diese Argumentation beruht. Das Leben in Italien ist also nicht menschenwürdig? Für alle? Oder nur für anerkannte Asylbewerber? Wo ist es dann noch menschenwürdig? Griechenland und alles östlich von Deutschland kann man wohl getrost als nicht besser einschätzen, Portugal und Spanien an der Grenze, also wären wohl hauptsächlich Deutschland und Skandinavien menschenwürdig, aka ca. 75% der Eu nicht? harter tobak.

  • P
    Pete

    Die 80 Kirchenflüchtlinge haben sich klugerweise entschieden dem Vorschlag von Senat und Kirche zu folgen und sich nicht mehr vor den ideologisch linken Karren von "Beratern" spannen zu lassen. Ziviler Ungehorsam hat für diese Berater und Unterstützer keine Folgen, Ausbaden müssen es die Flüchtlinge. Es gibt gute Asyl- und Flüchtlingsberatungsstellen, die politische Forderungen nicht über das Wohl des einzelnen Flüchtlings stellen. Z.B. Pro Asyl und Amnesty International. Weiterhin sollten sich u.a. die LINKE klar und eindeutig von Linksextremisten distanzieren, die Gewalt als zielführend propagieren. Glücklicherweise haben sich viele Flüchtlinge bereits dazu geäußert: Not In Our Name! Zunehmend erkennen sie wer ihnen realistische Hilfe anbietet und wer ein ideologisches Süppchen kocht. Wer ernsthaft politisch an der Flüchtlingsfrage arbeiten will sollte dies in einer Menschenrechtsorganisation tun, die international arbeitet. (Human Rights Watch, Amnesty International usw)

  • K
    Karla

    „Rechtsstaatliche Grundsätze sind nicht verhandelbar" - so der Innensenator.

    Aber geduldet werden die Verstösse dagegen von ihm.

     

    Flüchtlinge: Könnte die taz mal in einem eigenen Artikel darlegen, warum man aus Italien fliehen muss?

    Ich bin da schon zum Urlaub hingefahren.

  • EM
    ein mensch

    Ich wünsche allen in der Gruppe Lampedusa in Hamburg sowie den Unterstützenden viel Erfolg. Wo Menschenrechte verletzt werden braucht es zivilen Ungehorsam, welcher in meinem Umfeld auch aufgrund der "alternativlosen" Politik immer mehr Zustimmung bekommt.

    • EB
      @ein Bessermensch
      @ein mensch:

      Die Forderung nach Ausweis der Identität ist also menschenrechtswidrig? Bin ich hier nur noch von Irren umgeben?

        • M
          Medusa
          @Rossignol:

          @rossignol:

          Durch stures Wiederholen wird Ihr Beitrag auch nicht besser! Wir leben in einem Rechtsstaat!!!