Hamburger Fischmarkt bleibt ruhig: Ein Paralleluniversum
Die Coronamaßnahmen werden immer kurioser: Trotz vieler Öffnungsschritte in Hamburg darf der Fischmarkt nicht voll und ganz öffnen.
Es ist die Zeit der großen Coronalockerungen. Eine der berühmtesten Institutionen Norddeutschlands wird davon bis auf Weiteres jedoch wenig merken: der Hamburger Fischmarkt. Schließlich werden hier, so verkündete das Bezirksamt Altona am Montag, die Coronamaßnahmen, so wie sie sind, bestehen bleiben.
Auf dem Platz des Fischmarktes hat sich in den vergangenen Monaten vieles ereignet: Hier wurden Coronatestzentren errichtet, Wohnwagen geparkt und bei stürmischen Überflutungen sogar Menschen aus ihren schwimmenden Autos gerettet. Bloß die eigentliche Bestimmung des Ortes, der Verkauf von Fischen mit Event-Charakter, kam dabei zu kurz. Insgesamt 15 Monate blieb der Markt während der Pandemie sogar komplett geschlossen. Was vor der Pandemie bis zu 70.000 Menschen an die Elbe lockte, ist in dieser Form auch seit der Wiedereröffnung nicht möglich.
Momentan findet der Fischmarkt zwar wieder jeden Sonntag von 5 Uhr bis 9.30 Uhr statt, jedoch ist dieses Ereignis nicht vergleichbar mit prä-pandemischen Zeiten. Das laute Anpreisen der Marktschreier*innen ist ebenso untersagt wie das Musizieren oder das Verspeisen von frisch erworbenen Waren auf der Marktfläche. Daran wird sich vorerst nichts ändern, auch wenn das Bezirksamt laut eigener Aussage bereits Öffnungsschritte erwägt – der Zeithorizont bleibt unbekannt. Wie in den vergangenen Monaten auch wird weiterhin nur die Hälfte der Händler*innen ihre Stände öffnen dürfen.
In Anbetracht der Öffnungswelle, die wir derzeit erleben, erscheint das dann doch ein wenig kurios. Während sich seit dem vergangenen Wochenende wieder Menschen in den Clubs der Hansestadt tummeln dürfen, bleibt beim Fischmarkt alles beim (coronamaßnahmenbedingten) Alten. Das Schreien unter freiem Himmel bleibt untersagt – zumindest solange es nicht in einem Fußballstadion stattfindet. Aber dass die Bundesliga etwas ganz anderes ist, haben wir ja in der Pandemie ohnehin gelernt.
Auch wenn in vielen Bereichen eine gewisse Lockerheit im Umgang mit Corona Einzug erhält, werden wir auf Marktschreier*innen und den unbeschwerten Verzehr einer Delikatesse auf dem Fischmarkt wohl noch ein wenig warten müssen. So unverständlich bestimmte Regularien der Coronamaßnahmen im Vergleich miteinander auch erscheinen mögen, umso interessantere Momente werden dadurch entstehen können. Wenn eine Gruppe feiernder Menschen nach einer durchgetanzten Nacht vom Kiez kommend gen Fischmarkt zieht und dann einen Ort ohne Musik und Geschrei vorfindet – das wäre vielleicht, fast schon wie in einem Science-Fiction-Roman, der Kontakt zweier Paralleluniversen.
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