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Hamburg vs. VattenfallHeißer Streit um Fernwärme

Hamburg will das Fernwärmenetz zurückkaufen und damit einen Volksentscheid umsetzen. Doch der Preis ist hoch und die Alternativen zur Fernwärme aus Wedel sind umstritten.

Könnten noch mehr Abgase in die Luft pusten: die Schornsteine des Kohlekrafwerks Moorburg Foto: dpa

HAMBURG taz | Hamburgs Umweltbehörde und der Energieversorger Vattenfall streiten heftig über den Rückkauf des Fernwärmenetzes durch die Stadt und über ein Konzept für die Fernwärmeversorgung. Drohgebärden und Kompromissangebote wechseln einander ab. Beide Parteien stoßen Verhandlungsdetails an die Öffentlichkeit durch, um die Gegenseite unter Druck zu setzen.

Denn es geht um viel: Hintergrund ist der 2013 per Volksentscheid geforderte Rückkauf der Hamburger Energienetze. Die Stadt hat noch bis zum 31. November Zeit, das Fernwärmenetz inklusive des überalterten Kohle-Heizkraftwerks Wedel von Vattenfall zurückzukaufen. Nutzt sie diese Option nicht, bleibt der Volksentscheid folgenlos und die Fernwärme bei Vattenfall. Viele Fragen sind ungeklärt. Derzeit hält die Stadt mit 25,1 Prozent an dem Netz eine Sperrminorität. Der Rest gehört Vattenfall.

Knackpunkt eins, das Geld: 2014 vereinbarten die Stadt und Vattenfall einen Mindestkaufpreis von 950 Millionen Euro für das Netz inklusive des Auslauf-Kraftwerks Wedel. Vattenfall besteht auf diese vertraglich vereinbarte Summe, hat sie für „unverhandelbar“ erklärt“. Ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten aber kam im Mai zu dem Ergebnis, Netz und Kraftwerk seien nicht mehr wert als 645 Millionen Euro.

Zwar verpflichtet der Volksentscheid von 2013 die Stadt, alle zulässigen Schritte zu gehen, um das Fernwärmenetz zurückzukaufen; die Landeshaushaltsordnung aber verbietet unwirtschaftliche Investitionen. Die Stadt hat nun ein neues Wertgutachten in Auftrag gegeben, dass „alle Aspekte des volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzens“ einpreist, deshalb einen höheren Betrag ausspucken und der Stadt mehr Handlungsfreiheit verschaffen könnte. Denn Vattenfall würde gern im Fernwärmegeschäft bleiben und hofft, dass der Senat die Kaufoption nicht ziehen kann.

Rückkauf der Netze

Per Volksentscheid haben sich 2013 die HamburgerInnen für den Rückkauf der drei großen Energienetze ausgesprochen.

Das Strom- und das Gasnetz sind bereits wieder bei der Stadt. Bis November muss sie entscheiden, ob sie auch das Fernwärmenetz übernimmt.

Nach einem Vertrag von 2014 müsste Hamburg dafür 950 Millionen Euro an Vattenfall zahlen – abzüglich der 325 Millionen, die es 2012 schon bezahlt hat.

Knackpunkt zwei, das Konzept: Gesucht wird ein Nachfolgekraftwerk für das klimaschädliche Kraftwerk Wedel, das spätestens 2021 vom Netz gehen oder umfangreich nachgerüstet und modernisiert werden muss. Bislang bestand Vattenfall darauf, die Abwärme des Kohlekraftwerks Moorburg, die heute ungenutzt verpufft, in Fernwärme zu verwandeln. Hierfür müsste jedoch auch zusätzliche Kohle verbrannt werden.

Dazu kommt, dass das Kohlekraftwerk gegen den Willen der Grünen gebaut wurde. Da es für sie das Symbol einer verhinderten Klimawende ist, sperrt Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sich dagegen, die verhasste CO2-Schleuder durch die Fernwärmeproduktion noch effizienter zu machen und ihr so ein längeres Leben zu bescheren. Vattenfall kündigte Anfang dieser Woche nun erstmals an, auf Moorburg bei der Fernwärmeproduktion zu verzichten, wenn auch Kerstan auf sein Fernwärmekonzept verzichtet.

Um die Fernwärme aus Wedel zu ersetzen, setzt Kerstan auf die sogenannte Süd-Variante, bei der die neuen Wärmeproduzenten, wie die Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm oder die Industriebetriebe Trimet und Arcelor Mittal, südlich der Elbe liegen.

Vattenfall aber will nun, so Unternehmenssprecherin Barbara Meyer-Bukow, einen „dritten Weg“, der vor allem auf ein modernes Gaskraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung auf der Elbinsel Dradenau setzt, das Vattenfall selber betreiben würde. Die Stadt steht einem dritten Weg unter dauerhafter Einbeziehung des schwedischen Energiekonzerns skeptisch gegenüber, äußert sich aber über die laufenden Verhandlungen nicht.

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1 Kommentar

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  • "die Landeshaushaltsordnung aber verbietet unwirtschaftliche Investitionen."

    Das ist so nicht richtig. Und das folgende klingt so als würde ein gutachten her müssen um einen "gesellschaftlichen Nutzen" als Kriterium einzuführen. Von da ist es nicht mehr weit zum Vorwurf eines Gefälligkeitsgutachten (so die FDP)

    Die Umweltverbände versuchen seit längerem die Öffentlichkeit dafür zu interessieren was wirklich in der Landeshaushaltsordnung steht. Bei anderen Medien ist das mittlerweile angekommen, hier offenbar noch nicht. Mehr dazu



    www.hamburger-energietisch.de/



    vierter / fünfter Absatz mit Link zur LHO